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Gerontopsychiatrisch veränderte Menschen im Krankenhaus ...

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Dass das nicht nur für junge Pflegekräfte gilt, habe ich erfahren müssen, als<br />

meine Mutter nach einigen Jahren erneut an einer Lungenentzündung erkrankte.<br />

Die Demenz war weit fortgeschritten, meine Mutter konnte nicht<br />

mehr laufen oder sitzen, das Bett war zu ihrem Aufenthaltsort geworden.<br />

Nachdem ein junger Arzt meine Mutter wegen des hohen Fiebers, des Hustens<br />

und der Atemprobleme untersucht hatte, wandte er sich sehr freundlich<br />

an mich und sagte leise: „Na, da machen wir gar nichts mehr. In diesem<br />

Zustand der Demenz …“ Er schüttelte bedauernd den Kopf. Ich habe daraufhin<br />

um ein Gespräch in einer anderen Umgebung gebeten, nicht am Bett<br />

über den Kopf meiner Mutter hinweg. Ich habe ihm meine Ansicht mitgeteilt,<br />

dass ein Mensch auch als Dementer ein Anrecht darauf habe, ein Antibiotikum<br />

zu erhalten, um eine akute Lungenentzündung zu behandeln. Ich habe<br />

gesagt, dass die Lebensqualität eines Demenzkranken nicht aus unserem<br />

Blickwinkel zu beurteilen sei, sondern aus der Sicht des Dementen. Meine<br />

Mutter hatte trotz ihrer Bettlägerigkeit Zufriedenheit gezeigt, sie genoss offensichtlich<br />

eine gute Körperpflege, das Essen, das ihr schmeckte und meine<br />

tägliche Anwesenheit. Diese kleine Welt war für ihr Wohlbefinden ausreichend.<br />

Sagen konnte sie es nicht mehr, aber es gab genug nonverbale Ausdrucksmöglichkeiten.<br />

Jetzt - unter der akuten Erkrankung - zeigte sie, dass sie litt. Man musste<br />

versuchen, das zu beheben. Der junge Arzt war von meinen Argumenten<br />

überrascht und sagte: „Das haben wir <strong>im</strong> Studium nie gelernt, über solche<br />

Dinge nachzudenken. In der Praxis haben wir uns solche Patienten so weit<br />

wie möglich gegenseitig zugeschoben, um keine derart schwierigen Entscheidungen<br />

treffen zu müssen.“ Für uns beide war es ein sehr gutes, in<br />

Ruhe geführtes Gespräch. Meine Mutter erhielt ein Antibiotikum und regenerierte<br />

sich sehr schnell von der Lungenentzündung - sehr zum Erstaunen der<br />

Fachkräfte.<br />

In jedem Fall ist die Einweisung in ein Akutkrankenhaus für demente <strong>Menschen</strong><br />

ein nicht zu verstehender Vorgang. Sie kommen aus einer gerade<br />

noch vertrauten Umgebung in eine für sie völlige Unübersichtlichkeit. <strong>Menschen</strong><br />

und Räume sind fremd und nicht mehr einzuordnen. Es werden Anforderungen<br />

gestellt durch diagnostische Verfahren und durch Behandlungsabläufe,<br />

die von Demenzkranken nicht als positive Maßnahmen, sondern<br />

als Angst machend - vielleicht sogar als lebensbedrohlich - angesehen<br />

werden. Die Kranken werden versuchen, sich dem zu entziehen. Sie werden<br />

Fluchtwege suchen, Abwehrmechanismen wie zum Beispiel Aggressionen<br />

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