Interview„Die Wahl des Index ist wichtig“Unsere Leser kennen Detlef Glow, Head of Research für Deutschland & Österreich bei Thomason Reuters Lipper, ausder monatlichen Kolumne. Nun nahmen wir die Gelegenheit wahr und sprachen mit ihm ausführlich über ETFs.Was sind aus Ihrer Sicht die Vor- undNachteile von ETFs gegenüber anderenInvestments?Die Vorteile von ETFs liegen meiner Ansichtnach neben der Transparenz und dem Preisvorteilvor allem in der schnellen Handelbarkeitder Produkte und dem Marktzugang,den diese Produkte bieten. Das heißt, ETFsbieten Anlegern selbst in exotischen Märkten,die nicht mit anderen Produkten investierbarsind, einen kostengünstigen und flexiblenMarktzugang. Durch diese Eigenschaftkönnen Investoren ihre Anlagemeinung sehrgenau umsetzen.Die Nachteile von ETFs liegen vornehmlichin zwei Bereichen. Erstens sind nicht alle Indizes,die von ETFs abgebildet werden, zuInvestitionszwecken entwickelt worden. Ausdiesem Grund können diese Indizes zumTeil massive Klumpenrisiken enthalten. Auchkönnte die Liquidität der unterliegenden Indexbestandteileeingeschränkt sein. Derzweite große Nachteil von ETFs ist darin zusehen, dass sie versuchen, ihren Bezugsindexmöglichst genau nachzubilden. Aus diesemGrund können die Anleger von ETFs,im Gegensatz zu aktiv gemanagten Fonds,keine Mehrerträge im Verhältnis zum Markterwarten.Die Gründe für die niedrigeren Kosten derbörsengehandelten Indexfonds sind schnellgefunden. Zum einen sind ETFs passiveProdukte. Dies bedeutet, dass die Titel, indie investiert wird, durch die Zusammensetzungdes jeweiligen Index vorgegebenwerden und nicht auf einer aktiven Analysedes jeweiligen Anlageuniversums beruhen.Zudem braucht der Portfoliomanagerbei einem passiven Anlageansatz keineTiming- und Reallokationsentscheidungenzu treffen, was die Kosten für die im Managementprozessgenutzten Ressourcendeutlich reduziert. Zum anderen werdenETFs in der Regel nicht aktiv über FinanzoderBankberater vertrieben, wodurch derTeil der Vertriebsprovisionen, der aus derManagementgebühr gezahlt wird, wegfällt,was die Kosten weiter reduziert.Der Gebührenvorteil scheint auf den erstenBlick nicht sehr dramatisch. Inwieweitmacht sich das für den Privatanlegerlangfristig hinsichtlich der erzielten Renditebemerkbar?Der Kostenvorteil lässt sich in diesemZusammenhang nicht genau beziffern,denn wenn ein aktiv gemanagter Fondsam Ende der Betrachtungsperiode einenhöheren Ertrag erwirtschaftet hat als derETF, hat der Anleger in dem aktiv gemanagtenFonds zwar mehr gezahlt als derderjenige, der in dem ETF investiert war,aber aufgrund des Mehrertrages habensich diese Mehrkosten für ihn trotzdem gelohnt.Bei diesen Vergleichen muss manjedoch anmerken, dass die Mehrheit deraktiven Manager nach Kosten nicht in derLage ist, ihren Index, also den Markt, zuübertreffen. Hinzu kommt, dass die Gewinnervon morgen erst übermorgen bekanntsind, somit ist es aus heutiger Sicht sehrschwer, den Topfonds von morgen auszuwählen.Aber ist es als Privatanleger nicht sinnvoll,sich auf das Know-how von Fondsmanagernzu verlassen, schließlich kennendie sich doch am Markt bestens aus?Grundsätzlich ist diese Aussage vor allemfür Investitionen in weniger effizienten Märkten,also Märkten, in denen der Fondsmanagermit Hilfe der durchgeführten Analyseneinen Informationsvorsprung erzielen undnutzen kann, richtig. Allerdings zeigen einigeaktive Manager auch hier Schwächenund schneiden schlechter ab als der Markt.Somit ist es gerade für Investitionen in die-Um wie viel günstiger sind ETFs imDurchschnitt gegenüber aktiv gemanagtenFonds und was sind die Gründe fürdie Kostenersparnis?Der absolute Preisunterschied lässt sich hiernicht beziffern, da dieser von Anlageklassezu Anlageklasse unterschiedlich ist. Ichmöchte hier aber dennoch ein Beispiel nennen.Bei aktiv verwalteten Fonds, die in dieEurozone investieren, liegen die Kosten inder Regel deutlich über einem Prozent, währendsie für börsengehandelte Indexfondsmit dem gleichen Anlageschwerpunkt (EuroStoxx 50) bei weniger als 0,2 Prozent liegen.Detelf Glow, Head of Research für Deutschland &Österreich bei Thomson Reuters LipperSeite 10 Dezember 2012
Interviewse, wie aber auch in alle anderen Marktsegmente,wichtig, die langfristigen Fähigkeitendes Portfoliomanagers hinsichtlich der Erzielungvon überdurchschnittlichen Erträgen zubeurteilen. Da dies aber selbst Profis sehrschwerfällt, erscheinen ETFs für Privatanlegersehr geeignete Instrumente zu sein.Eignen sich ETFs eher für den kurzfristigenoder eher für den langfristigerenAnleger und ergeben sich daraus je nachHerangehensweise Unterschiede bei derAuswahl der ETFs?Börsengehandelte Indexfonds eignen sichgrundsätzlich sowohl für die kurzfristige wieauch für die langfristige Kapitalanlage. Kurzfristigorientierte Anleger können mit Hilfevon ETFs ihre Marktmeinung schnell umsetzen,während langfristig orientierte Anlegermit dem Einsatz von ETFs von deren Kostenvorteilenund der Effizienz der Wertpapiermärkteprofitieren können.Nach den schlechten Erfahrungen inder Finanzkrise spielt der Aspekt Sicherheitbei Anlegern eine noch größereRolle als je zuvor. Wie sicher sindETFs aus Ihrer Sicht?Börsengehandelte Indexfonds sind, wiealle anderen Investmentfonds auch, strengregulierte Produkte, die dem Investmentgesetzbeziehungsweise den Vorgabender europäischen UCITS-Regulierung unterliegen.Somit sind ETFs grundsätzlichnicht sicherer oder unsicherer als andereInvestmentfonds. Allerdings gibt es unterschiedlicheArten der Indexnachbildungund unterschiedliche Arten der Besicherungvon Risiken innerhalb der Fonds.Man kann aber sagen, dass die ETF-Anbieterhier auf das Sicherheitsbedürfnisder Anleger reagiert haben und versuchen,die Risiken aus Managementprozess aufunterschiedliche Art und Weise möglichstvollständig zu reduzieren. Dennoch solltenAnleger, die die Möglichkeit dazu haben,im Rahmen ihrer Prozessanalyse auf denBereich der Besicherung ein besonderesAugenmerk legen, da nicht alle Arten derBesicherung auch gleich effizient sind.Mittlerweile sind an der Deutschen Börseüber 1.000 ETFs gelistet, da ist die Qualder Wahl groß. Wie sollte der Anleger beider Auswahl vorgehen, worauf sollte erkonkret achten?Aus meiner Sicht steht vor der Auswahl desrichtigen ETFs die Auswahl des richtigen Index.Denn eine hohe Anzahl von gelistetenProdukten bedeutet auch, dass eine großeAnzahl unterschiedlicher Indizes abgebildetwird. Somit ist es wichtig, dass der Investorim ersten Schritt den Index auswählt, der zuseinem Anlagebedarf passt. Zudem schließeneinige Investorengruppen ETFs mit dereinen oder anderen Art der Indexnachbildungaufgrund ihrer Präferenzen oder gesetzlicherVorgaben bereits vor dem Analyseprozessaus ihrem Anlageuniversum aus.Bei der anschließenden Produktauswahlkommt es dann darauf an, die Qualität derinfrage kommenden ETFs hinsichtlich desErtragsprofils zu beurteilen. Es sollte alsoanalysiert werden, inwieweit es Abweichungenzwischen der Wertentwicklung desFonds und des Index gab und wie stark diesewaren. Neben der Qualität des Produktskommt es bei der ETF-Auswahl auch auf dieLiquidität des Fonds und die Preise für denAn- und Verkauf, die sogenannten Spreads,an. Während die Liquidität möglichst hochsein sollte, sollten die Spreads möglichst geringsein.Nicht alle ETFs bilden den Index vollständigdurch den Kauf aller im Indexvorhandenen Einzelwerte nach, mancheoptimieren auch die Nachbildung durcheine begrenzte Auswahl der Werte odernutzen für die Indexabbildung Swaps.Was sind die Gründe dafür und welcheVor- und Nachteile gibt es für die einzelnenAbbildungsformen?Die Gründe für oder gegen den Einsatz einzelnerNachbildungsverfahren sind sehr vielfältigund reichen von der Machbarkeit derIndexnachbildung über Kostenoptimierungbis hin zu gesetzlichen Vorgaben. LassenSie mich hier kurz einige Beispiele nennen:Bildet ein ETF zum Beispiel einen sehr breitenIndex wie den amerikanischen S&P 500nach, müsste der Fondsmanager bei einervollständigen Replikation bei jedem Kaufoder Verkauf Anpassungen an allen 500Positionen vornehmen, was zu sehr hohenTransaktionskosten führen würde. Um dieszu vermeiden, wird der Index in der Regelmit Hilfe einer deutlich niedrigeren Anzahlvon Aktien, deren Zusammensetzung dieWertentwicklung des S&P500 Index widerspiegelnsoll, nachgebildet. Ein weiteres Beispielsind Rohstoffe. Da UCITS-Fonds nichtdirekt in Futures mit einer Lieferverpflichtunginvestieren dürfen und der Lageraufwand füreinige Rohstoffe sehr aufwendig ist, könnenETF-Anbieter diese Anlageklasse derzeit nurmit Hilfe von Derivaten effizient abbilden.In die öffentliche Kritik gerieten zuletztauch vollständig replizierende ETFs, diehäufig ihre im Depot befindlichen Wertpapiereausleihen, um damit Kosten zusenken oder Mehrerträge zu generieren.Nun veröffentlichte die EuropäischeWertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde(ESMA) neue Richtlinien zur Stärkungdes Anlegerschutzes. Sind nun physischreplizierende ETFs noch sicherer?Sicherlich helfen die Regulierungen, denAnlegerschutz weiter zu stärken. Allerdingshat der Druck der Anleger hier bei einigenAnbietern schon zu einer Selbstregulierunggeführt, die über die geforderten Schrittehinausgeht. Dies ist für mich ein Indiz, dassdie Branche mit dem Thema Sicherheit sensibelumgeht und auf die Anlegerinteressenachtet. Wichtiger wird es jedoch sein, einefaire Teilung der Erträge aus der Wertpapierleihezwischen dem Anleger und demETF-Anbieter zu finden. Denn schließlichhaben die Anbieter in der Vergangenheit mitder Wertpapierleihe viel Geld verdient, währenddie Anleger das Risiko getragen haben.Diesbezüglich ist die neue Regulierung nochnicht perfekt, führt aber in die richtige Richtung.Zum Schluss noch ein persönliche Frage.Inwieweit setzen Sie persönlich in Ihrereigenen Anlagestrategie auf ETFs – undgibt es dabei vielleicht bestimmte Anlagepräferenzenbzw. -schwerpunkte?Ich bin ein langfristig orientierter Investorund nutze neben Direktinvestitionen auchETFs als Anlagevehikel, um effizient zuinvestieren. Bei der Produktauswahl achteich weniger auf die Art der Indexnachbildungals auf die Qualität der Produktehinsichtlich der Wertentwicklung.Seite 11 DEZEMBER 2012