PRESSESCHAUDie ARD und der zänkische MönchDas erste deutsche Fernsehen hat sich Anfang Winter eine geschlagene Woche lang auf all seinen Kanälen mit demLebensende auseinandergesetzt. Ein wichtiges Thema war dabei die Freitodbegleitung. Und weil es die in Deutschlandfast gar nicht gibt, landeten die ARD-Reporterinnen und -Moderatoren zwangsläufig in der Schweiz und inmehreren Beiträgen und Talkshows auch bei EXIT. Trotz teilweise hoch-karätiger (zumeist aber eher durchschnittlicher)Sendungen fanden nicht die ARD-Recherchen die grösste Resonanz – sondern ein Mönch, der direkt aus demMittelalter seinen Weg ins TV-Studio gefunden zu haben schien.Hinter den SchlagzeilenNur Kälte statt barmherziger Wärmebei Bruder Paulus. [...] Es war schonirritierend, wie wenig Einfühlungsvermögen[der Diskussionsteilnehmer]Bruder Paulus aufzubringenvermochte, als er in der Sendung«Hart, aber fair» den Schweizer WalterBolinger, [dessen schwerkrankeFrau vor zwei Jahren mit Hilfe vonEXIT starb], schnippisch fragte, warumer denn seiner Frau nicht gleichdie Pulsadern aufgeschnitten habe.Der Kapuzinermönch sprach immerwieder von der «Eiseskälte»,die durch seine braune Kutte überseinen Körper krieche und ihn frierenließe, wenn er von Menschenhörte, die es nicht schafften, dieLebenskräfte ihrer trotz schwererKrankheit gezeichneten Nahestehendenzu erwecken.Doch in diesem Moment war eres, der Unheil säte statt barmherzigerWärme.Es war gleichfalls erstaunlichzu beobachten, wie Bolinger, einSchweizer Unternehmensberater,den [seltsamen] Worten des Geistlichenbegegnete: ruhig und besonnennämlich. Er sprach leise weiterund erzählte die Geschichte seineran Alzheimer erkrankten Frau, diejeden Lebensmut verloren hatteund mithilfe des Sterbehilfevereins«EXIT» ihr Leben schließlich beendete.Eine starke Persönlichkeit seiseine Frau gewesen, sagt Bolingereindringlich. Sie habe selbst bestimmenwollen, wann sie die Erdeverlässt.20.11.Kapuziner-Mönch greift [Angehörigenvon Verstorbener] verbal an. Mitihrer Themenwoche «Leben mit demTod» sorgt die ARD derzeit für Aufsehen.Am Montagabend ging es beiFrank Plasberg um das polarisierendeThema Sterbehilfe. Ausgerechnetein Kapuzinermönch [und Medien-Seelsorger] sorgte dabei für einenEklat. Bruder Paulus Terwitte sorgtemit einer brüsken Reaktion für einenkleinen Eklat und eine Verhärtungder ohnehin kaum kompromissbereitenPositionen: Quasi als Kronzeugefür die Sterbehilfe beschriebder Schweizer UnternehmensberaterWalter Bolinger, wie seine an Alzheimererkrankte Frau vor zwei Jahrenmit Hilfe der Organisation EXIT freiwilligaus dem Leben geschieden ist.Terwitte empfand die Schilderungdes Mannes als Aufruf, dem Beispielseiner Frau zu folgen; ihm sei „eiskalt“geworden, versicherte er. Terwittefragte Bolinger sinngemäß, obes ihm nicht weh tue, dass er es offenbarnicht wert gewesen sei, dassseine Frau ihre letzten Lebensmonatemit ihm habe verbringen wollen.Später provozierte er den Schweizermit der Frage, warum er seiner Fraudenn nicht einfach die Pulsadernaufgeschnitten [und sie eigenhändiggetötet] habe. [...]20.11.Sehr einfühlsam beschrieb derSchweizer UnternehmensberaterBolinger das freiwillige Sterben seinerFrau mit Hilfe der SterbehilfeorganisationEXIT. Worauf dem medienerprobtenKapuzinermönch BruderPaulus nichts anderes einfiel, alsmit stechend scharfer Stimme zu zischen:„Warum haben Sie ihr nichtdie Pulsadern mit einer Rasierklingeaufgeschnitten?“ Ja, warum nicht,Bruder Paulus? Weil diese Frau sichbei vollem Bewusstsein für dieseArt des Sterbens entschieden hat,und ihr Mann und ihre ganze Familiesie liebevoll begleitet haben beiihrem Wunsch. Und weil die Kirchekein Recht hat auf das Leben einesErwachsenen. Und weil ich es nichtmehr hören kann, dass diese Erdedoch ein Jammertal sei, das man zudurchschreiten habe um dann – mitHilfe eines Priesters und der Kirchensteuerselbstverständlich – insParadies zu schreiten. Und ich binstark engagiert für die Hospizbewegung.Dort werden Menschen beimSterben begleitet und nicht zu Todegebracht. Aber ich bin auch Humanistgenug, um dem Menschen dasRecht der Entscheidung zu lassen,ob er dieses Leben noch erträglichfindet oder nicht. Und ein Mann derKirche, der den ganzen Abend vonMitgefühl spricht, sollte vielleichtmehr Mitgefühl zeigen für Menschen,die sich den Dogmen dieserKirche verweigern. LiedermacherKonstantin Wecker21.11.24 EXIT-INFO 4.2012
PRESSESCHAUMönch entschuldigt sich für Talkshow-Ausraster!Bei „Hart, aberfair“ ging es um das Tabu-ThemaSterbehilfe. Pro- und Kontra-Lagersaßen sich gegenüber. Ausgerechnetein Gottesdiener rastete vor laufendenKameras aus und beschimpfteeinen Angehörigen, der seine krankeFrau mit EXIT begleitet hatte. Jetztentschuldigte sich der Kapuzinermönchfür seine Unbeherrschtheit.Bruder Paulus Terwitte hatte WalterBolinger gefragt: «Warum sollteIhre Frau den Suizid mit Hilfe einesArztes machen? Warum haben Sieihr nicht einfach die Pulsadern miteiner Rasierklinge aufgeschnitten?»Bolingers Frau war mit Hilfe desSterbehilfevereins EXIT freiwilligaus dem Leben geschieden, sie wollteihre Demenzerkrankung nichtlänger ertragen. «Sie wollte in keinHeim, wollte sich nicht von Fremdenpflegen lassen», erklärt Bolingerdem Moderator. Der Verlust der eigenenPersönlichkeit sei für sie eineHorror-Vorstellung gewesen. DerFreitod war es offenbar nicht. BruderPaulus hat dafür kein Verständnis,er attackiert den Witwer. «Jeder,der sich tötet, beleidigt seine Mitmenschen»,sagt er. Offenbar wolltesich Bolingers Frau ihrem Mannnicht anvertrauen. Zuschauer hattenden Mönch online bereits währendder Sendung für die Bemerkung kritisiert.Er nehme die Kritik an undbitte um Entschuldigung, schreibtTerwitte nun auf seiner Facebookseite.Während der Sendung hätte ereinfühlsamere Fragen stellen müssen,so der Frankfurter Kapuzinermönch.Bei seiner Position gegenjegliche Form der Sterbehilfe bleibeer jedoch, er wolle in einer Gesellschaftleben, in der das Leben alshöchstes Gut gelte.22.11.Nicht nur fundamentalistisch-religiöse Kritiker vergreifen sich im Ton, manchmal auch politische Gegner.Grusel-Post für den Bundestag! [...]Alle 620 Bundestagsabgeordnetenerhalten per Kurier eine Arznei-Packungzugeschickt. „§217 forte – DieTodespille in der praktischen Mogelpackung“.Auf der Medizin-Schachtel:ein maskierter Tod, darin: einTotenkopf-Lakritz und ein kämpferischerBeipackzettel. Hintergrund:[...] Die Bundesregierung will unterStGB-Paragraph 217 «gewerbliche»Sterbehilfe verbieten und mit biszu drei Jahren Haft belegen. In Absatz2 des Gesetzes wird gleichzeitigStraffreiheit zugesichert, wennder Sterbehelfer kein Geld erhältund es sich bei dem Toten um einen„Angehörigen oder eine andereihm nahestehende Person handelt.“Für Christiane Lambrecht (48) vomBündnis „Solidarität statt Selbsttötung“ist der Paragraph ein Skandal:„Unter dem löblichen Deckmanteleines Verbots für Sterbehilfe wirdin Absatz 2 die Sterbehilfe grundsätzlichzugelassen, wenn man keinGeld damit verdient.“ Für MechthildLöhr, Vorsitzende der Unionsgruppe„Christdemokraten für das Leben“(CDL), „ein ethischer Dammbruch“.„Hier wird die Menschenwürde aufsSpiel gesetzt. Es ist ein falsches Signal,wenn in dem Gesetz die Unantastbarkeitdes menschlichen Lebensregelrecht aufgeweicht wird.“ [...]Ob die Aktion bei den AbgeordnetenEindruck machen wird, istoffen. [...]26.11.EXIT-INFO 4.2012 25