Elbe-HochwasserNicole Winterburbao-einsatzzum Hochwasser 2013Interview mit <strong>de</strong>m Ltd. Polizeidirektor Hans-Jürgen Felgentreu,Leiter <strong>de</strong>r Polizeiinspektion Lüneburg/Lüchow-Dannenberg/UelzenAm 04.06.2013 riefen die LandkreiseLüneburg und Lüchow-Dannenberg <strong>de</strong>nKatastrophenfall aus. Einen Tag spätererfolgte <strong>de</strong>r Aufruf <strong>de</strong>r BAO zum Einsatz„Elbe-Hochwasser 2013“. In <strong>de</strong>n darauffolgen<strong>de</strong>nzwölf Tagen waren bis zu 570Polizeibedienstete zeitgleich im Einsatz;einige von ihnen im 24-Stun<strong>de</strong>n Dauereinsatz.Für das nie<strong>de</strong>rsächsische Einsatzgebietin <strong>de</strong>n Landkreisen Lüneburg undLüchow-Dannenberg war Hans-JürgenFelgentreu <strong>de</strong>r Polizeiführer für zwei Einsatzabschnitte.Was sind die Aufgaben eines Polizeiführersbzw. <strong>de</strong>r Polizei in so einem Einsatz?Die Hauptaufgabe ist die enge Abstimmungmit <strong>de</strong>n <strong>bei</strong><strong>de</strong>n Katastrophenschutzstäben<strong>de</strong>r Landkreise sowie <strong>de</strong>mStab <strong>de</strong>r Polizeidirektion. Nur so kannsichergestellt wer<strong>de</strong>n, dass relevante Informationenmit exekutivpolizeilichemBezug auch an die richtigen Adressatenweitergeleitet wer<strong>de</strong>n. Daraus resultiertin <strong>de</strong>r Umsetzung eine Beson<strong>de</strong>re Aufbauorganisation(BAO) ausschließlich für dieeigenen polizeilichen Aufgabenstellungenim Katastrophenfall in <strong>de</strong>n Bereichenüberregionale und örtliche Verkehrslenkungbzw. -sperrung, Durchsetzen <strong>de</strong>sDeichbetretungsverbotes, Mitwirkung in<strong>de</strong>r Vorbereitung und Durchführung vonEvakuierungsmaßnahmen, Begleitungsowie Schutz von hochrangigen Politikern.Die Öffentlichkeitsar<strong>bei</strong>t wur<strong>de</strong>durch <strong>de</strong>n Stab <strong>de</strong>r PD unter Einbeziehung<strong>de</strong>r PI-Mitar<strong>bei</strong>terinnen und Mitar<strong>bei</strong>tergeleistet.Meine Aufgaben als Polizeiführer wareninsbeson<strong>de</strong>re die Erar<strong>bei</strong>tung einer angemessenenEinsatzkonzeption, die Einrichtungvon Einsatzabschnitten im Rahmen<strong>de</strong>r BAO sowie die Anfor<strong>de</strong>rung von fürdiesen Einsatz erfor<strong>de</strong>rlichen Einsatz- undSpezialkräften. Da<strong>bei</strong> haben mich RolandBrauer, Leiter Einsatz, und Ulrich Constabel,Leiter <strong>de</strong>s PK Lüchow, als EA-Leiterhervorragend unterstützt. Während dieKommunikation mit <strong>de</strong>n Landkreis-Katastrophenstäbenüberwiegend über die EA-Leiter lief, kam mir die Zusammenar<strong>bei</strong>tmit <strong>de</strong>m Stab <strong>de</strong>r PD zu.Hans-Jürgen FelgentreuGab es Unterschie<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Beson<strong>de</strong>rheitenim Vergleich zu vergangenen Hochwassereinsätzen?Die Beson<strong>de</strong>rheiten dieses Einsatzes wardurch die extrem hohen Pegelstandprognosensowie die schneller als erwartet steigen<strong>de</strong>nPegel und die lange Scheiteldauer<strong>de</strong>s Hochwassers bedingt. Der Einsatzdauerte für uns 12 Tage im rund-um-dieUhr-Dienst. Teilkräfte waren über diegesamte Dauer im Einsatz.Die Deichhöhe musste in unserem Zuständigkeitsbereichauf über 100 Flusskilometernum 30 cm aufgeka<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, d.h. eswur<strong>de</strong>n entsprechend Sandsäcke aufgebrachto<strong>de</strong>r Sand in auf <strong>de</strong>m Deich liegen<strong>de</strong>Folien eingebracht.Diese Aufgabe erfor<strong>de</strong>rte wesentlichumfangreichere Materialtransporte zu <strong>de</strong>nDeichen und Ar<strong>bei</strong>tsaufwand mit manpowerund schwerem Gerät an <strong>de</strong>n Deichen.Entsprechend weiträumig waren wir alsPolizei zeitgleich gefor<strong>de</strong>rt, <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>renBehör<strong>de</strong>n und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben(BOS) sowie <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>swehr<strong>de</strong>n Ar<strong>bei</strong>tsraum von ungewünschtenTouristenverkehren freizuhalten.Durch die zeitgleichen Katastrophenfeststellungenund die extremen Wasserstän<strong>de</strong>in <strong>de</strong>n vier Landkreisen Lauenburg(SH), Ludwigslust (MV), Lüchow-Dannenbergund Lüneburg entlang <strong>de</strong>r Elbewar die Elbbrücke Lauenburg temporärgesperrt und die Elbquerung <strong>bei</strong> Dömitzlediglich einseitig befahrbar. Deshalb mussteinsbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r überregionale LKW-Verkehr aus <strong>de</strong>m engeren Einsatzraumherausgehalten wer<strong>de</strong>n, was einen13
Elbe-HochwasserGesamtraum zwischen <strong>de</strong>r A 24 und <strong>de</strong>rA7 mit einbezog.Was macht einen solchen BAO-Einsatzunberechenbar und außergewöhnlich undwie reagiert man darauf?Durch die sich kurzfristig än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>nPegelstän<strong>de</strong> und die durch die Wasserhöhenotwendig wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Vorbereitung vonEvakuierungsmaßnahmen mussten mehrfachKräfte nachgefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, was zuUmstrukturierungen <strong>de</strong>s Einsatzraumesmit 2 Einsatzabschnitten, 5 Unterabschnittenund 12 Evakuierungssektoren führte.Wegen <strong>de</strong>r tagelangen Ängste lagen <strong>bei</strong> vielenAnwohnern die „Nerven blank“. Daraufmusste mit sehr angepasster Kommunikation<strong>bei</strong>m Einschreiten reagiert wer<strong>de</strong>n.An dieser Stelle darf ich allen Einsatzkräftenausdrücklich für ihr kommunikativesund einfühlsames aber auch konsequentesEingreifen und Han<strong>de</strong>ln danken.Auf welche Einheiten bzw. Fachkräfte hättenSie in diesem Einsatz in keinem Fallverzichten wollen und warum?Keine Einsatzkraft und auch keine Spezialeinheitwar in diesem Einsatz verzichtbar.Sicherlich optimal für die Einsatzbewältigungist die Möglichkeit auf spezialisierteKräfte wie <strong>de</strong>r WSP, <strong>de</strong>r VE o<strong>de</strong>rTEE zurückgreifen zu können. Aber auchdie Kolleginnen und Kollegen, die <strong>bei</strong>spielsweiseauf <strong>de</strong>n Polizeistationen inDannenberg, Blecke<strong>de</strong> und Scharnebeckrund-um-die-Uhr-Dienst leisteten, sind indiesem Einsatz ebenfalls wichtig gewesen.Denn sie führen und pflegen <strong>de</strong>n engenKontakt zum Bürger auf örtlicher Ebene.Und dankbar bin ich auch für die souveränund professionell geleistete Ar<strong>bei</strong>t in <strong>de</strong>neingerichteten Führungsgruppen in Lüneburgund Lüchow, ohne dass <strong>de</strong>r Humorauch in zeitweise angespannten Situationenverloren ging. Die mehr als eineWoche andauern<strong>de</strong>n Nachtdienste in Folgevon jeweils 12 Stun<strong>de</strong>n waren einebeson<strong>de</strong>re Belastung. Die Kolleginnen undKollegen fast <strong>de</strong>r gesamten Bereitschaftspolizei<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Nie<strong>de</strong>rsachsen glänztenmit einer <strong>de</strong>n vielfältigen Anlässengezielten Kommunikation gepaart mitAugenmaß und notwendiger Kongruenz.„Jahrhun<strong>de</strong>rthochwasser“rückblick <strong>de</strong>s polizeipräsi<strong>de</strong>nten Friedrich niehörsterauf das elbehochwasser 2013Wir haben uns an Superlative gewöhnt. Aber können wir zu einemsolchen Ausdruck greifen, wenn ein Ereignis in elf Jahren vier Maleintritt und je<strong>de</strong>s Hochwasser jeweils höher aufläuft als das vorherige?Die Polizeidirektion Lüneburg hat seit ihrem Bestehen nach2006 und 2011 zum dritten Mal ihrer Aufgabe im Katastrophenschutzgerecht wer<strong>de</strong>n müssen.Bei <strong>de</strong>r Juni-Flut an <strong>de</strong>r Elbe konnte wie<strong>de</strong>r beobachtet wer<strong>de</strong>n, wie wichtig die zweckmäßigeAufstellung <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sverwaltung oberhalb <strong>de</strong>r Katastrophenschutzbehör<strong>de</strong>n ist. Die PDLüneburg hat diese Lage vom 05. - 16.06.2013 mit einem integrierten Stab geführt, <strong>de</strong>rneben <strong>de</strong>m Lagezentrum und <strong>de</strong>n Stabsbereichen 2 - 4 mit <strong>de</strong>n StB 1 und 5 zwei taktischeBereiche aufweist. Immerhin waren neben <strong>de</strong>n Katastrophenhelfern auch ca. 500 Polizeibeamte/-innenu. a. für Verkehrsmaßnahmen, Durchsetzen von Deichbetretungsverbotenund Raumschutz für evakuierte Bereiche eingesetzt.Die BAO „Hochwasser“ war an<strong>de</strong>rerseits in zwei Schichten mit hohem Personalaufwandaktiv, um Informationen für die Lan<strong>de</strong>sregierung zu gewinnen und regelmäßige Berichtevorzulegen. Bei seinem Besuch <strong>de</strong>s Einsatzgebietes hat sich Ministerpräsi<strong>de</strong>nt Weil inunserem Befehlsraum die Lage erläutern lassen.Ein beson<strong>de</strong>res Problem waren stark voneinan<strong>de</strong>r abweichen<strong>de</strong> Prognosen <strong>de</strong>r Wasserwirtschaft,die dazu führten, dass unterschiedliche Reaktionen <strong>de</strong>r betroffenen Landkreisekoordiniert und hinterfragt wer<strong>de</strong>n mussten. Eine ständige eigene Lageermittlung, auchmit Hilfe <strong>de</strong>r Polizeihubschrauberstaffel, war daher unabdingbar.Als sehr effektiv hat sich <strong>de</strong>r Einsatz unserer Regierungsbrandmeister erwiesen. Ihre Fachkompetenzund „Herkunft“ ermöglichten beson<strong>de</strong>rs eine unaufgeregte, vertrauensvolleZusammenar<strong>bei</strong>t mit <strong>de</strong>n Katastrophenschutzbehör<strong>de</strong>n und führten zur Gewinnung soli<strong>de</strong>reigener Erkenntnisse.Neben <strong>de</strong>r Lageermittlung und <strong>de</strong>n regelmäßigen Berichten stand die Bear<strong>bei</strong>tung <strong>de</strong>rAnfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Landkreise im Mittelpunkt. Die Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>r Lage, <strong>bei</strong> <strong>de</strong>r diegesamte Stromlänge von gut 70 km im Bezirk einen durchgehen<strong>de</strong>n Brennpunkt darstellte,führte zu einem starken Anfor<strong>de</strong>rungsvolumen. Insgesamt wur<strong>de</strong>n im Einsatzraum rd.12.000 Kräfte eingesetzt. Das klassische Han<strong>de</strong>lsgut waren natürlich Sandsäcke: Über6 Mio. Stück mussten beschafft wer<strong>de</strong>n, wo<strong>bei</strong> die PD Lüneburg wohl zum ersten Mal in<strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik ausländische Hilfe über das GMLZ in Bonn anfor<strong>de</strong>rte.Glücklicherweise halfen unsere Nachbarn in Dänemark, <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n, Belgien undLuxemburg sehr kurzfristig mit rund 1,5 Mio. Sandsäcken aus.Nie<strong>de</strong>rsachsen ist auch <strong>bei</strong> dieser Elbeflut „mit einem blauen Auge davongekommen“.Die Ereignisse beweisen, dass ein erfolgreicher Katastrophenschutz nur ein dynamischerund zukunftsorientierter Prozess sein kann. Die Polizeidirektionen können hier<strong>bei</strong> einewertvolle Hilfe sein!Ich danke allen Beteiligten für ihre Einsatzbereitschaft und ihr vorbildliches Engagement.Friedrich Niehörster, Polizeipräsi<strong>de</strong>nt PD LüneburgAuch Kolleginnen und Kollegen aus <strong>de</strong>rPolizeiinspektion Lüneburg/Lüchow-Dannenberg/Uelzen waren durch dieHochwasserkatastrophe unmittelbar14