PeruDer Traum vom ZauberstabSchule für arbeitende Kinder in Jaén22Wenn <strong>kein</strong>e Gästein der Bar sind,bleibt Zeit für dieSchulaufgabenFoto: Peter Strack /<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong>PeruNein, gut laufen die Geschäfte nicht. Eigentlich hattensich Lucho und seine Schwester Marlene mehrversprochen. Ganze 20 Soles haben sie in der letztenWoche verdient. Das sind umgerechnet sechs Euro.Trotzdem zahlen sie einen Sol pro Tag in die Gemeinschaftskasseder »Bewegung« ein. Wenn dieKinder auf den Straßen von »der Bewegung« sprechen,meinen siedie »Bewegungder arbeitendenKinder« in ihrerStadt Jaén. Die65.000 Einwohnerzählende Stadtliegt im nordöstlichenTieflandvon Peru, naheder Grenze zuEcuador. In vielenStädten Perus gibtes solche Gruppen,die auch auf nationaler Ebene zusammenarbeiten.Lucho ist Sprecher der Gruppe in Jaén. Dort habensich bereits 540 Kinder der Bewegung angeschlossen.Bei den regelmäßigen Treffen sprechen sie über ihreProbleme: die Arbeitsbedingungen, die Gewalt aufder Straße, Drogen und darüber, wie sie ihre Rechteals Kinder durchsetzen können.Etwa 2.000 arbeitende Kinder gibt es in Jaén. Vielevon ihnen müssen arbeiten, weil sie <strong>kein</strong>e Familiehaben oder ihre Eltern nicht für sie sorgen können.Zum Beispiel die elfjährige Carmen Liliana. Ihre Mutterist geistesgestört und kümmert sich nicht um dieKinder. Der Vater ließ die Kinder einfach sitzen undverschwand. Wohin, weiß Carmen nicht.Seitdem lebt sie bei ihrem großen Bruder undder Schwägerin. »Ich muss arbeiten, seit ich neunJahre alt bin«, erklärt sie. Einen Teil <strong>des</strong> Gel<strong>des</strong>,In Peru leben 15 Prozent der Bevölkerung mit wenigerals einem US-Dollar am Tag. Alle Kinder <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>werden eingeschult, zwölf Prozent brechen die Schulevor dem fünften Schuljahr ab. Bei den Erwachsenenliegt die Analphabetenrate bei zehn Prozent. 3,6 MillionenKinder unter 15 Jahren arbeiten als Hausangestellte,Lastenträger, Schuhputzer oder in der Landwirtschaft.Der Bewegung arbeitender Kinder Perusgehören 10.000 Kinder und Jugendliche an. Sie kämpfen für bessereArbeitsbedingungen und gegen Ausbeutung. Ein generelles Verbot von <strong>Kinderarbeit</strong>lehnt die Bewegung ab, die Kinder sehen ihre Arbeit als notwendigenBeitrag zum Überleben der Familien. <strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> unterstütztin Peru Projekte für arbeitende Kinder mit insgesamt 80.000 Euro im Jahr.das sie verdient, liefert sie bei ihrer Schwägerin ab.Gern wäre Carmen eine Zauberin. »Dann würdeich ein Haus für die Obdachlosen herzaubern, sowie der Weihnachtsmann im Fernsehen. Es gibt soviele Kinder auf der Straße, die Kleister schnüffeln,und noch andere hässliche Drogen.« Andere <strong>Kinderarbeit</strong>en, weil das Einkommen der Eltern nicht zumÜberleben reicht. Edita zum Beispiel. Die Zwölfjährigearbeitet in der Ziegelsteinfabrik. Umgerechnetknapp 15 Euro bekommt sie vom Besitzer für1.000 Steine. Dafür rackert sie eine Woche langjeden Tag sechs Stunden.Viele Kinder würden gern zur Schule gehen.Ungünstige Unterrichtszeiten, Schläge von Lehrernsowie die hohen Kosten für Schuluniformen, Schuheund Schulmaterial stellen jedoch oft unüberwindbareHürden dar. Um Kinder wie Lucho, Marlene,Carmen und Edita kümmern sich <strong>des</strong>halb die Mitarbeitervon CEPRONAM. Das »Zentrum zur Förderungder Rechte der Kinder, Jugendlichen undFrauen« wird von <strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> unterstützt.Dank CEPRONAM können 260 arbeitende Kinderregelmäßig die unabhängige »Alejandro Cussianovich-Schule«besuchen. Der Unterricht findet amNachmittag statt, wenn die Kinder nicht arbeitenmüssen. Im Lehrplan wird dem Thema <strong>Kinderarbeit</strong>große Bedeutung beigemessen. Im Rechenunterrichtlernen die Kinder zum Beispiel, wie sie Verkaufspreisekalkulieren müssen. In der angeschlossenenSchneiderei und Konditorei werden die Kinder inihren handwerklichen Fertigkeiten geschult, umlangfristig in bessere Tätigkeiten wechseln zu können.Damit auch das Spielen nicht zu kurz kommt,werden Tanz- und Musikworkshops angeboten.Für das leibliche Wohl sorgt die projekteigeneKüche, in der die Kinder vor dem Unterricht einekostenlose Mahlzeit bekommen. In der Beratungsstellevon CEPRONAM finden sie Hilfe und Unterstützung,wenn sie mit ihren Problemen nicht zurechtkommen.Auch die Eltern, vor allem dieMütter, werden in die Arbeit mit einbezogen. Dochvor allem die Schulausbildung soll durch CEPRO-NAM gefördert werden. Weil die Kinder der Ziegelsteinfabri<strong>kein</strong>en zu langen Weg zur Schule hatten,kommt die Schule jetzt zu ihnen: 25 Kinder werdenin einem kleinen Gebäude auf dem Gelände vonMitarbeitern von CEPRONAM unterrichtet.Michael Heuer/Peter Strack<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> unterstützt CEPRONAM mit16.000 Euro im Jahr. Im Jahr 2002 konnte dan<strong>kein</strong>er Spende <strong>des</strong> Handelshaus Gollnest & Kieselin Höhe von 31.000 Euro die Schule gebaut undeine Bäckerei eingerichtet werden.
Mosambik und SimbabweWas wird, wenn das Haus zusammenbricht?Das Schicksal eine Familie in MosambikCharles ist 62 Jahre alt und fast blind. Er lebt ineiner kleinen Hütte aus Lehm, das Dach ist notdürftigmit Gras gedeckt. Beim letzten Sturm wurdedie Hütte so vom Wind gebeutelt, dass die Wän<strong>des</strong>chief sind. Es wird bald zusammenbrechen. Charlesbekommt eine Pension von 30.000 Meticais, dassind etwa 1,25 Euro – im Monat. Eigentlich hat erdamit gerechnet, dass seine Tochter ihn unterstützenwird, wenn er einmal nicht mehr kann. Aber dannkam AIDS. Zuerst erkrankte der Schwiegersohn.Als er starb, zog die Tochter mit ihren vier Kindernzu Charles. Und dann wurde die Tochter krank undstarb. Charles lebt mit seinen vier Enkelkindern seitsechs Jahren alleine. Damals war die Jüngste, Pita,noch ein Baby – jetzt wird sie eingeschult. Das istCharles’ ganzer Stolz, dass die Kinder zur Schulegehen. Orácio, 13, Amélia, elf, Evalina, neun, unddie kleine Pita sollen wenigstens lernen können.Nachmittags gehen sie alle zusammen betteln,manchmal gibt es kleine Jobs für die älteren Kinder,die Besorgungen für Nachbarn machen oder beider Ernte helfen. Oft aber schlafen alle hungrig ein.Für Medizin ist <strong>kein</strong> Geld da, weder für Charlesnoch für die Kinder. Kleidung, Schuhe, eine neueSchüssel oder Decken für die Nacht – das alleskann sich die Familie nicht leisten. Was passiert,wenn das Haus zusammenbricht? Was wird,wenn Charles stirbt?Aus einer Studie über die Situation von AIDS-Waisen in der Stadt Maniça, Mosambik, durchgeführtvon der Nationalvereinigung für eigenständigeEntwicklung, ANDA, Übersetzung:Mechthild PapeCharles, 62 Jahremit seinen vierEnkelkindernFoto: ANDA23AIDS und <strong>Kinderarbeit</strong>42 Millionen Menschen leben weltweit mit demHIV-Virus, 29,4 Millionen davon in Afrika südlichder Sahara, von ihnen sind drei Millionen Kinderunter 15 Jahren. Am schlimmsten wütet die Krankheitim südlichen Afrika: 15 Millionen Menschensind mit den Virus infiziert, allein im Jahr 2002 starben1,1 Millionen Menschen. In Simbabwe sind einDrittel aller Erwachsenen infiziert. (Angaben vonUNAIDS, AIDS Epidemic Update, Dezember 2002)Durchschnittlich werden in Entwicklungsländernetwa zwei Prozent aller Kinder Waisen – heute sin<strong>des</strong> auf Grund von AIDS in einigen Ländern zehnProzent der Kinder (Bill Rau, HIV/AIDS and ChildLabour, ILO Arbeitspapier, Genf 2002).UNAIDS macht auf den Zusammenhang derAIDS-Krise mit der Hungerkrise im südlichenAfrika aufmerksam: »AIDS verringert die Möglichkeiteines Haushaltes, Nahrungsmittel für sich undfür den Markt zu produzieren, es verringert denBesitz und erschöpft die sozialen Sicherheitsnetze.«Kinder und Jugendliche, die einen oder beideElternteile verlieren, sind extrem gefährdet, missbrauchtund ausgebeutet zu werden.– Bereits wenn ein Elternteil erkrankt, müssenKinder mitarbeiten, um Verdienstausfälle wettzumachenoder die Kosten für Ärzte und Medi-kamente zu zahlen. Oft können Familien dasSchulgeld nicht mehr aufbringen und Kindermüssen die Schule abbrechen.– Schulen werden geschlossen, Unterricht fällt aus:Lehrer gehören im südlichen Afrika zu der Berufsgruppe,die am stärksten mit dem Virus infiziert ist.– Stirbt ein Elternteil oder beide Elternteile, bestehtdie Gefahr, dass Verwandte oder Nachbarn denKindern ihre wenigen Habseligkeiten oder Landwegnehmen.– Ältere Geschwister verlassen die Schule undarbeiten. Weil sie schutzlos und auf jeden Verdienstangewiesen sind, können Arbeitgeber oder Kundensie betrügen.– Mädchen und Jungen prostituieren sich, weiles <strong>kein</strong>e andere Möglichkeit gibt, Geld zu verdienen,oder weil Erwachsene sie zwingen – undinfizieren sich so selbst mit dem HIV-Virus. EinTeufelskreis.Barbara Küppers<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> unterstützt Projekte zur AIDS-AufklärungJugendlicher, zur Unterstützung Kranker undVersorgung von Waisen in Südafrika, Simbabwe undMosambik.