43Knochenreifung als Massstab für das biologische AlterNicht nur die Endgrösse, son<strong>der</strong>n auch die Geschw<strong>in</strong>digkeit, mit welcher diese erreicht wird, wirdvererbt. Man spricht von Frühentwicklern o<strong>der</strong> Spätentwicklern – o<strong>der</strong> von konstitutionellerVerzögerung, resp. Beschleunigung von Wachstum und Pubertätsentwicklung.Die Tatsache zum Beispiel, dass e<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong><strong>der</strong> während <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit kle<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d, die Pubertät späterbeg<strong>in</strong>nen und länger wachsen als die durchschnittlichen Gleichaltrigen, um dann schlussendlicheventuell sogar e<strong>in</strong>e überdurchschnittliche Körpergrösse zu erreichen, führte zum Konzept desbiologischen Alters. Es ist offensichtlich, dass das biologische Alter bei e<strong>in</strong>igen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n verzögert undbei an<strong>der</strong>en wie<strong>der</strong>um beschleunigt verläuft, ohne dass e<strong>in</strong>e krankhafte Störung vorliegt.Als Mass für das biologische Alter bestimmen wir aus dem Handröntgenbild das Knochenalter. ZweiMethoden stehen zur Verfügung, Greulich-Pyle und Tanner (TW3). Im Atlas von Greulich-Pyle f<strong>in</strong>detman für jedes Alter e<strong>in</strong> typisches Handröntgenbild. Diese Methode ersche<strong>in</strong>t schnell und e<strong>in</strong>fach.Allerd<strong>in</strong>gs ist die Fehlerquelle bei diesem Vorgehen vor allem für den Ungeübten recht gross. DieBestimmung des Knochenalters nach Tanner ersche<strong>in</strong>t schwieriger und aufwendiger, da jedeme<strong>in</strong>zelnen Knochen e<strong>in</strong> Reifestadium zugeordnet werden muss. Bei dieser Methode werden aber <strong>in</strong><strong>der</strong> Regel weniger Fehler gemacht. Das Knochenalter und damit das biologische Alter kann bezogenauf das chronologische Alter normal, verzögert o<strong>der</strong> akzeleriert se<strong>in</strong>. Da das Knochenalter den biologischenStandort besser reflektiert als das chronologische Alter, können aufgrund des KnochenaltersPrognosen über die zukünftige Erwachsenengrösse berechnet werden. Wichtig ist bei <strong>der</strong>Bestimmung des Knochenalters nach Greulich-Pyle noch zu wissen, dass Schweizer K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>e imDurchschnitt um knapp e<strong>in</strong> Jahr verzögerte Knochenreifung haben.Kle<strong>in</strong>wuchs als NormvarianteDie Wichtigkeit <strong>der</strong> Knochenalterbestimmung zeigt sich beispielsweise beim Kle<strong>in</strong>wuchs, wogrundsätzlich zwei verschiedene Muster unterschieden werden:- Kle<strong>in</strong>wuchs mit Verzögerung <strong>der</strong> Knochenreifung- Kle<strong>in</strong>wuchs ohne Verzögerung <strong>der</strong> KnochenreifungBeide Formen kommen als Normvariante o<strong>der</strong> auch als Ausdruck e<strong>in</strong>er Störung vor.Der Kle<strong>in</strong>wuchs mit Knochenalterverzögerung ist e<strong>in</strong> vorübergehen<strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>wuchs. Als Normvariantespricht man von e<strong>in</strong>er konstitutionellen Verzögerung von Wachstum und Pubertät. Die Betroffenenwerden auch als Spätentwickler bezeichnet. Bei diesen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n setzt die Pubertätsentwicklungverspätet e<strong>in</strong>, endet später und verzögert dadurch auch den Abschluss des Wachstums. DieseJugendlichen wachsen also länger als <strong>der</strong> Durchschnitt ihrer gleichaltrigen Kameraden und erreichendeshalb später als die an<strong>der</strong>en e<strong>in</strong>e normale Erwachsenengrösse. Sie s<strong>in</strong>d also während <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheitund Adoleszenz kle<strong>in</strong>wüchsig und wirken jünger als sie s<strong>in</strong>d. Als Erwachsene s<strong>in</strong>d sie jedoch vonnormaler Körpergrösse. Die <strong>in</strong>tellektuelle Entwicklung verläuft altersgemäss. Solche K<strong>in</strong><strong>der</strong> werdendeshalb mit Recht ihrem chronologischen Alter entsprechend e<strong>in</strong>geschult.Im Gegensatz dazu ergibt <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>wuchs ohne Knochenalterverzögerung e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Erwachsenengrösse.Die Pubertätsentwicklung verläuft dabei altersgemäss. Als Normvariante handelt es sichmeistens um e<strong>in</strong>en familiären Kle<strong>in</strong>wuchs. Typische Vertreter dafür s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong><strong>der</strong> süditalienischer Eltern.Zusammengefasst entspricht also <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>wuchs mit Knochenalterverzögerung <strong>der</strong> NormvarianteVerzögerung von Wachstum und Pubertät, <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>wuchs ohne Knochenalterverzögerung <strong>der</strong>Normvariante familiärer Kle<strong>in</strong>wuchs. Dabei sche<strong>in</strong>en sowohl die Erwachsenengrösse als auch <strong>der</strong>"Fahrplan" (Früh- beziehungsweise Spätentwickler) genetisch fixiert. Früh- und Spätentwickler haben<strong>in</strong> den meisten Fällen e<strong>in</strong>en Elternteil, welcher sich ebenfalls früh, respektive spät entwickelt hat.
44Natürlich gibt es auch Komb<strong>in</strong>ationen von beiden Phänomenen. So kann <strong>der</strong> familiäre Kle<strong>in</strong>wuchskomb<strong>in</strong>iert mit e<strong>in</strong>er Verzögerung von Wachstum und Pubertät auftreten.Wichtigkeit <strong>der</strong> Wachstumsgeschw<strong>in</strong>digkeitDie Kenntnisse <strong>der</strong> Elterngrösse, des ungefähren Zeitpunktes <strong>der</strong> Pubertät <strong>der</strong> Eltern und dieKnochenreifung ergeben e<strong>in</strong>en ersten E<strong>in</strong>druck, ob es sich um e<strong>in</strong>e Normvariante (konstitutionelleVerzögerung, familiärer Kle<strong>in</strong>wuchs, konstitutionelle Akzeleration, familiärer Grosswuchs ) handelnkönnte. Falls das Wachstum des K<strong>in</strong>des nicht <strong>in</strong> den Rahmen <strong>der</strong> Familie passt, müssen weitereAbklärungen durchgeführt werden. E<strong>in</strong>e zentrale Grösse bei <strong>der</strong> Frage, ob e<strong>in</strong>e Normvariante o<strong>der</strong>e<strong>in</strong>e Störung mit Krankheitswert vorliegt, ist die Wachstumsgeschw<strong>in</strong>digkeit.Die Wachstumsgeschw<strong>in</strong>digkeit geht normalerweise aus <strong>der</strong> Wachstumskurve hervor. Solange e<strong>in</strong>K<strong>in</strong>d regelmässig entlang o<strong>der</strong> parallel zu e<strong>in</strong>er Perzentilenkurve wächst, ist die Wachstumsgeschw<strong>in</strong>digkeitnormal. Anzumerken für den Interessierten ist vielleicht noch, dass es e<strong>in</strong>e etwas höhereWachstumsgeschw<strong>in</strong>digkeit braucht, um auf <strong>der</strong> 90. Perzentile zu bleiben als bei e<strong>in</strong>em Wachstumentlang <strong>der</strong> 10. Perzentile. Wenn <strong>der</strong> Wachstumsverlauf nicht schon seit mehreren Jahren bekanntund dokumentiert ist, son<strong>der</strong>n vielleicht nur zwei Werte mit e<strong>in</strong>em Intervall von 6 bis 12 Monatenvorliegen, dann sollte die aktuelle Wachstumsgeschw<strong>in</strong>digkeit berechnet werden. Auch für dieBeurteilung <strong>der</strong> Wachstumsgeschw<strong>in</strong>digkeit gibt es Perzentilenkurven. Diese wird aus zweiMessungen, welche m<strong>in</strong>destens 6 Monate (aber höchstens 18 Monate) ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>liegen sollten,berechnet:Wachstumsgeschw<strong>in</strong>digkeit (cm/Jahr) = (Grösse 2 - Grösse 1) x 12(Zeitpunkt 2 – Zeitpunkt 1 <strong>in</strong> Monaten)Entscheidend für die Relevanz <strong>der</strong> Wachstumsgeschw<strong>in</strong>digkeit ist die Genauigkeit <strong>der</strong> beidenMessungen. Wenn die normale, durchschnittliche Wachstumsgeschw<strong>in</strong>digkeit 5 cm/Jahr beträgt, soliegt das zu erwartende Wachstum über 6 Monate bei 2.5 cm. Wenn <strong>der</strong> Messfehler 1-2 cm beträgt,kann trotz normalem Wachstum die berechnete Wachstumsgeschw<strong>in</strong>digkeit beispielsweise (falsch)negativ ausfallen! Voraussetzung ist deshalb e<strong>in</strong>e exakte Längenmessung mit e<strong>in</strong>er reproduzierbarenTechnik: Fersen an <strong>der</strong> Wand, respektive am Messstab, Blick geradeaus und Messung bei sanfter,aber maximaler Extension am Kopf. Achtung: (1) 3- bis 7-jährige K<strong>in</strong><strong>der</strong> treten oft unbemerkt auf dieZehenspitzen. (2) K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Erwachsene s<strong>in</strong>d nach dem Aufstehen durchschnittlich 1 cm grösser alsvor dem <strong>in</strong>s Bett gehen. Auch die Tageszeit muss also berücksichtigt werden.E<strong>in</strong> Perzentilenwechsel (d.h. e<strong>in</strong>e abnorme Wachstumsgeschw<strong>in</strong>digkeit) ist immer verdächtig auf e<strong>in</strong>ekrankhafte Störung – ausser während <strong>der</strong> ersten beiden Lebensjahre. In dieser Zeit ist e<strong>in</strong>Perzentilenwechsel <strong>in</strong> Allgeme<strong>in</strong>en Ausdruck e<strong>in</strong>er physiologischen Anpassung. Geburtslänge und -gewicht s<strong>in</strong>d hauptsächlich Ausdruck des <strong>in</strong>trauter<strong>in</strong>en Wohlergehens. Erst im Verlaufe <strong>der</strong> beidenersten Lebensjahre, manchmal auch noch später, kommt es zu e<strong>in</strong>er Anpassung <strong>der</strong> Grösse an denererbten Perzentilenkanal.Differentialdiagnose des Kle<strong>in</strong>wuchsesDer Kle<strong>in</strong>wuchs mit Knochenalterverzögerung kann die Folge je<strong>der</strong> Art e<strong>in</strong>er chronischen Krankheitse<strong>in</strong>. Dabei steht vor allem <strong>der</strong> Ausschluss e<strong>in</strong>er Zöliakie und e<strong>in</strong>er Nieren<strong>in</strong>suffizienz im Vor<strong>der</strong>grund.An<strong>der</strong>e chronische Krankheiten wie beispielsweise die Mukoviszidose o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Herzfehler, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong>Regel diagnostiziert, bevor <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>wuchs e<strong>in</strong> manifestes Problem wird.Verschiedene endokr<strong>in</strong>e Störungen können mit dem Leitsymptom Kle<strong>in</strong>wuchs mitKnochenalterverzögerung auftreten, wobei die Ursache <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er peripheren Drüse, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hypophyseo<strong>der</strong> im Hypothalamus liegen kann. Relativ e<strong>in</strong>fach auszuschliessen ist e<strong>in</strong>e Hypothyreose.
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