58 <strong>WiYou</strong>: Wirtschaft und Du · <strong>04</strong>/<strong>2009</strong> Der Weg eines Gesetzes Quelle: Thüringer Landtag
<strong>WiYou</strong>Logie <strong>WiYou</strong>Logie Wie entsteht eigentlich … ein neues Gesetz in <strong>Thüringen</strong>? „Lex specialis derogat legi generali“; so lautet eine der vielen juristischen Formeln, mit denen sich Anwälte auf der ganzen Welt tagtäglich beschäftigen. Übersetzt bedeutet die lateinische Regel, dass ein spezielles Gesetz der allgemeinen Rechtssprechung vorgeht. Ein anschauliches Beispiel dafür ist Artikel 2 Satz 1 des Grundgesetzes in dem es heißt: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt“. Diese verfassungsmäßige Ordnung ist in Deutschland durch mehr als 2.200 Bundesgesetze geregelt, die weit über 45.000 Einzel paragrafen haben. Dazu kommen weitere 3.000 Bundesrechtsverordnungen und die Gesetze der 16 Bundesländer. Es kommt also ganz ordentlich etwas zusammen, im deutschen Par a - grafendschungel. Und ständig erblicken neue Gesetze das Licht der Juristenwelt. Am Anfang jedes Gesetzes steht ein Problem, das sich im Alltag auftut und von der Politik gelöst werden muss. Da die Politik aber nur nach geltendem Recht regieren darf, muss sie entweder bestehende Gesetze zum Regieren nutzen, bestehende Gesetze ändern (novellieren) oder ein neues Gesetz schaffen. Ein neues Gesetz wird geboren - Variante 1 Häufig bringt die jeweilige Regierung, ganz gleich ob Bundes- oder Landesregierung, einen Vorschlag ins Parlament ein. Diese sogenannte Regierungsvorlage wurde meist schon umfassend geprüft, bevor sie dem Parlament vorgestellt wird. Die Abgeordneten haben dann sowohl den Gesetzentwurf, der nun als Landtagsdrucksache behandelt wird, als auch eine Vielzahl von Bewertungen und Gutachten vorliegen. Sie müssen nun prüfen, ob dieses Gesetz ihre Zustimmung bekommen wird. Da aber nicht jeder Abgeordnete Spezialist auf jedem Gebiet der Politik ist, wird in der ersten Beratung (Lesung) darüber entschieden, welcher Ausschuss des Landtages sich des Gesetzes annimmt. Für jedes Minis - terium gibt es im Landtag mehrere Ausschüsse, die sich mit Bildung, Wirtschaftsförderung, Sport oder Kultur beschäftigen. Nun wird also der Entwurf an einen oder mehrere zuständige Aus - schüsse überwiesen und die Abgeordneten prüfen, ob das Gesetz im Sinne des Landes, der Bürger und der Landesverfassung ist. Es sollte auch nicht im Widerspruch zu anderen Gesetzen stehen oder aufgrund einer unpassenden Formulierung seine Wirkung verfehlen. Dazu können sie sich von Experten beraten lassen oder informieren sich, so sie diesen Fleiß an den Tag legen wollen, höchst selbst. Ist das neue Gesetz nach Meinung der Ausschussmitglieder „rund“, geht es erneut ins Parlament. In dieser zweiten Lesung stimmen die Abgeordneten nun über das Gesetz ab. Findet es hier keine Mehrheit, geht es zurück in die Ausschüsse und wird noch einmal überarbeitet. Reicht die Mehrheit in der Abstimmung aus, wird das Gesetz dem Präsidenten des Par - lamentes vorgelegt. In <strong>Thüringen</strong> ist dies Präsidentin Prof. Dr. Dagmar Schi panski, die das Gesetz ausfertigt und im Gesetz- und Verordnungs - blatt des Landtages verkündet. Nun tritt das Gesetz in Kraft. Ein neues Gesetz wird geboren - Variante 2 Es muss jedoch nicht die Landesregierung sein, die ein neues Gesetz schaffen will. Jede Fraktion des Landtages, oder aber mindestens zehn Abgeordnete, können ebenfalls einen Gesetzentwurf einreichen. Der Weg bleibt dann der gleiche. Ein neues Gesetz wird geboren - Variante 3 Die dritte Möglichkeit, die aber eher selten genutzt wird, ist ein Volksbegehren, bei dem sich mindestens zehn Prozent der Bevölkerung dafür aussprechen, einen Entwurf ins Parlament zu bringen. Auch hierbei heißt es wieder: erste Lesung, Beratung in den Ausschüssen, zweite Lesung, Abstimmung und dann auf den Schreibtisch der Landtags - präsidentin. Experten sehen aber bei zu vielen Volksabstimmungen eine Schwächung der Verantwortung der gewählten Volksvertreter. Außerdem haben Außenstehende gar nicht die Möglichkeiten der Parlamentarier, sich umfassend beraten zu lassen. Oft werden die Details stark vereinfacht, dass sie von Demagogen genutzt werden können, die dann die Meinung der Bürger manipulieren. Außerdem haben die Erfahrungen am Beispiel der Schweiz gezeigt, dass bei zu vielen Abstimmungen nur noch diejenigen zur Abstimmung gehen, die strikt dagegen sind. Die Ergebnisse entsprechen dann nicht der Meinung der ganzen Bevölkerung. Natürlich ist das nur der grob umrissene Weg einer Gesetzesgeburt. In der Realität spielen immer wieder auch parteipolitische Fragen eine Rolle. Oft wird an Gesetzen so lange herumgenörgelt, dass am Ende nur ein magerer Kompromiss ins Gesetzbuch kommt, der seine eigentliche Wirkung nicht mehr entfalten kann. Dafür entstehen dann wieder neue Gesetze, Ergänzungen und Novellierungen. So funktioniert eben Demokratie und die ist in den letzten 60 Jahren der Bundes - republik und ihrer 16 Bundesländer nicht schlecht bekommen. (su) <strong>04</strong>/<strong>2009</strong> · <strong>WiYou</strong>: Wirtschaft und Du 59