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Ausgabe online lesen.... - beim AWO Ortsverein Herborn eV

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12 TITEL<br />

<strong>AWO</strong>magazin 5/2009<br />

„Ein Großteil der Wähler ist<br />

auf Verteilungsgerechtigkeit<br />

ausgerichtet“<br />

Der Mainzer Politikwissenschaftler Gerd Mielke im Gespräch mit dem<br />

<strong>AWO</strong>magazin zu den Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise,<br />

fehlenden Debatten in der Öffentlichkeit und Dilemmata der Parteien<br />

vor der Wahl<br />

Herr Mielke, die Wirtschafts- und<br />

Finanzkrise ist wohl immer noch<br />

nicht in alle Bereiche unseres Alltags<br />

negativ durchgeschlagen, aber<br />

es drängt sich der Eindruck auf,<br />

dass alles wieder seinen gewohnten<br />

Gang nimmt bei den Verantwortlichen<br />

in 'Wirtschaft' und 'Politik'.<br />

Nach dem Motto: Tat ja alles<br />

nur ein bisschen weh, aber weiter<br />

gehts. Täuscht der Eindruck?<br />

In der Tat erleben wir in der Bundesrepublik<br />

eine eigentümlich gedämpfte<br />

Diskussion über die Ursachen<br />

und Folgen der Wirtschaftsund<br />

Finanzkrise, gerade so, als ob<br />

es sich dabei um eine unangenehme<br />

Panne handelte, die man am<br />

besten schnell vergessen sollte.<br />

Diese 'Schwamm drüber'-Mentalität<br />

hängt im Wesentlichen damit<br />

zusammen, dass im Verlauf des<br />

letzten Jahrzehnts in der Öffentlichkeit<br />

die Apostel eines möglichst<br />

freien und ungebremsten Marktgeschehens<br />

das Sagen hatten, die<br />

politische und staatliche Kontrollen<br />

immer nur als lästige Reglementierungen<br />

empfinden. Von daher würde<br />

eine ernsthafte und systematische<br />

Diskussion über die Krise immer<br />

auch die zweifelhafte Rolle<br />

dieser Marktapostel beleuchten<br />

müssen, und daran besteht aus deren<br />

Sicht natürlich kein besonderes<br />

Interesse. Sie beherrschen ja nach<br />

wie vor die öffentliche Bühne und<br />

wollen sich auch nicht als die wirtschafts-<br />

und gesellschaftpolitischen<br />

Stichwortgeber vertreiben lassen.<br />

Dabei ist angesichts der gigantischen<br />

Summen, mit denen die öffentlichen<br />

Haushalte zur Rettung<br />

des angeschlagenen Finanzsektors<br />

in die Bresche gesprungen sind,<br />

überhaupt noch nicht abzusehen,<br />

welche Haushaltsengpässe und<br />

Einschränkungen im sozialstaatlichen<br />

Bereich sich zukünftig aus<br />

diesen Rettungsmaßnahmen ergeben<br />

werden. Es kann also durchaus<br />

zu der paradoxen Situation<br />

kommen, dass die staatlichen Hilfsmaßnahmen<br />

für den Finanzsektor,<br />

der in guten Zeiten staatliche Eingriffe<br />

stets kritisiert hat, ausgerechnet<br />

die dringenden gesellschaftspolitischen<br />

Projekte wie Bildung<br />

oder Integration gefährdet, die elementar<br />

auf ein starkes und dauerhaftes<br />

Engagement angewiesen<br />

sind.<br />

Ein falsch verstandener Liberalismus,<br />

in dem am besten alles im<br />

Leben über den Markt geregelt<br />

werden kann und soll ist zwar<br />

weitesgehend gescheitert, aber es<br />

gibt kaum grundlegende Debatten<br />

darüber? Woran liegt das? Wollen<br />

wir in der breiteren Öffentlichkeit<br />

nicht mehr grundsätzlicher diskutieren?<br />

Für die Debatte in der Bundesrepublik<br />

ist entscheidend, dass der<br />

marktradikale Liberalismus in völligem<br />

Gegensatz zu dem von den<br />

Deutschen gewünschten und ange-<br />

strebten Ordnungsmodell steht. Es<br />

gibt mittlerweile zahlreiche Studien<br />

über die politischen und gesellschaftlichenOrdnungsvorstellungen<br />

in der Bundesrepublik, und<br />

alle kommen zu demselben Ergebnis.<br />

Die Deutschen sind mit großer<br />

Mehrheit auf eine verteilungsgerechte<br />

gesellschaftliche Ordnung<br />

ohne große Gegensätze und auf<br />

einen aktiven Staat ausgerichtet,<br />

der diese Gerechtigkeit schützt<br />

und befördert. Eine große Mehrheit,<br />

das bedeutet, dass die einschlägigen<br />

Orientierungen im<br />

Durchschnitt eine Zustimmung zwischen<br />

75 und 85 Prozent geniessen.<br />

Dabei ist diese egalitäre Ausrichtung<br />

in den Gesellschaftsbildern<br />

in Ostdeutschland noch etwas<br />

stärker ausgeprägt, als im<br />

Westen. Kurzum, von ihren gesellschafts-<br />

und ordnungspolitischen<br />

Grundorientierungen ist die Bundesrepublik<br />

eindeutig am Ideal eines<br />

traditionellen sozialdemokratischen<br />

Gesellschaftsmodells ausgerichtet<br />

und eben nicht am leistungsorientierten<br />

Markt- und Wettbewerbsmodell.<br />

Die öffentliche Diskussion in<br />

den Medien geht jedoch in einer<br />

wirklich skandalösen Verzerrung<br />

über diesen Tatbestand hinweg<br />

und vermittelt den Eindruck einer<br />

förmlichen Leistungs- und Marktbesessenheit<br />

der Deutschen. Seit<br />

über einem Jahrzehnt gibt es<br />

diesen dramatischen Gegensatz

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