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medizin - Evangelisches Krankenhaus Mülheim

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Grüne Dame mit Bart<br />

Joachim Oberpeilsteiner, Elektroingenieur im Ruhestand, ist einer von fünf Männern<br />

in der Evangelischen <strong>Krankenhaus</strong>hilfe. Dort arbeiten 103 Ehrenamtliche mit.<br />

Fünf Männer, 98 Frauen – warum ist<br />

das starke Geschlecht so zurückhaltend?<br />

Joachim Oberpeilsteiner schmunzelt:<br />

„Männer sind feige.“ Viele, so vermutet er,<br />

haben Angst vor der körperlichen Nähe,<br />

die unweigerlich entsteht, wenn man dicht<br />

am Krankenbett sitzt. Oder davor, dass<br />

Patienten in Tränen ausbrechen. Doch er<br />

gibt zu: „Vor zehn Jahren hätte ich mir das<br />

auch nicht vorstellen können.“<br />

Er hat sich dennoch getraut. 2005, als er selbst<br />

wegen Herzbeschwerden im Ev. <strong>Krankenhaus</strong><br />

lag, erlebte er erstmals eine Grüne Dame und<br />

dachte: „Das ist eine sinnvolle Sache, das<br />

könntest Du doch auch machen, wenn Du in<br />

Rente bist.“ Als Mann der Tat nahm der<br />

Speldorfer bald darauf mit <strong>Krankenhaus</strong>seelsorgerin<br />

Klaudia Schmalenbach Kontakt auf<br />

und streifte wenig später die Dienstkleidung,<br />

den lindgrünen Kittel, über. Zuerst begleitete<br />

Joachim Oberpeilsteiner zwölf Wochen lang<br />

eine erfahrene Kollegin, dann schloss er sich<br />

einem Team der Ev. <strong>Krankenhaus</strong>hilfe an.<br />

Seit nunmehr fünf Jahren bietet er jeden<br />

Freitagvormittag den Patienten seine Hilfe an.<br />

Die anfängliche Scheu hat der allein stehende<br />

Rentner abgelegt. Fremde Menschen anzusprechen,<br />

einen Kontakt zu ihnen aufzubauen<br />

fällt ihm mittlerweile leicht. „Ich bin eine<br />

Mit seiner Kamera unternimmt der Hobbyfotograf gerne Spaziergänge an der Ruhr.<br />

punct :: Heft 2 :: Winter 2010/2011<br />

Grüne Dame mit Bart“ – mit seiner flapsigen<br />

Begrüßung schafft er meist auf Anhieb eine<br />

lockere Atmosphäre. Manche Patienten bitten<br />

ihn, eine Zeitung vom Kiosk zu besorgen,<br />

andere vertrauen ihm ihre Gefühle und Ängste<br />

an. Wenn jemand reden möchte, hört der<br />

Grüne Herr zu, unvoreingenommen und ohne<br />

Termindruck. „Wir haben Zeit, das ist das<br />

Wichtigste.“ Zeit, die den Schwestern, Ärzten<br />

und Pflegern im Stationsalltag oft fehlt.<br />

Joachim Oberpeilsteiner hat gelernt, die Verfassung<br />

eines Menschen wahrzunehmen, auf<br />

ihn einzugehen oder ihn in Ruhe zu lassen.<br />

„Man kriegt einen Blick dafür.“ Auch im Alltag.<br />

Steht er im Supermarkt in der Schlange, schaut<br />

er sich bewusst die Menschen drum herum an<br />

und muntert auch mal eine gestresste Kassiererin<br />

mit einem freundlichen Wort auf.<br />

Auch schwerkranke und sterbende Patienten<br />

begleitet der ehrenamtliche Helfer nach<br />

einer intensiven Schulung. „Ich habe sehr viel<br />

Respekt davor, wie Menschen, die wissen, dass<br />

sie bald sterben müssen, damit umgehen.“<br />

Viele, insbesondere gläubige Menschen hätten<br />

keine Angst vor dem Tod, sondern eher vor<br />

einem Sterben, das sich lange hinziehen<br />

könnte, erzählt der 67-Jährige. Auch für die<br />

Stiftung ist er im Einsatz: Jeden ersten Freitag<br />

im Monat unterstützt er im zukünftigen<br />

.porträt<br />

Der Grüne Herr begleitet auf der Station einen schwerkranken<br />

Patienten während einer Sitzwache.<br />

stationären Hospiz die Projektverantwortliche<br />

Dr. Susanne von Roehl beim Tag der offenen<br />

Tür (siehe Seite 3 unten rechts).<br />

Joachim Oberpeilsteiner ist durch die ehrenamtliche<br />

Arbeit gelassener geworden. „Es lohnt<br />

nicht, sich darüber aufzuregen, wenn einem<br />

jemand die Vorfahrt nimmt oder wenn ein<br />

Computerprogramm nicht funktioniert.“<br />

Über sein verdienstvolles Engagement sagt er:<br />

„Ich gehe einfach zufriedener nach Hause,<br />

wenn ich etwas Sinnvolles geleistet und nicht<br />

nur Zeit totgeschlagen habe.“ ●<br />

Gabriele Beautemps<br />

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