SPORTS »ES IST WICHTIG, SICH ZIELE ZU SETZEN UND IM RICHTIGEN MOMENT RICHTIGE ENTSCHEIDUNGEN ZU TREFFEN.«
GIPFELSTÜRMER SPORTS AUCH WER MIT BERGSTEIGEN NICHT VIEL AM HUT HAT, HAT VERMUTLICH SCHON VON IHM GEHÖRT: HANS KAMMERLANDER. UND WER IHN EINMAL LIVE ERLEBT HAT, DER VERSPÜRT DEN UNVERMITTELTEN WUNSCH, IN DIE BERGE ZU GEHEN. DENN DER EXTREMBERGSTEIGER IST NICHT NUR FASZINIERT VON DEM, WAS ER TUT – ER VERMAG AUCH ZU FASZINIEREN. text Kathrin Marie Arlt foto Kammerlander HANS KAMMERLANDER zählt zu den erfolgreichsten Alpinisten aller Zeiten und wird in einem Atemzug mit seinem zeitweiligen Wegbegleiter Reinhold Messner genannt. Den Begriff „Bergsteigerikone“ schätzt er jedoch nicht so sehr: „Bergsteigen ist einfach ein wunderschöner Sport. Und mein Beruf. Das passt schon.“ Unaufdringlich, bescheiden und ausgesprochen ruhig wirkt der Mann, der weit über 2.000 schwierige Bergtouren hinter sich hat – darunter 50 Erstbegehungen. 13 der 14 Achttausender hat Hans Kammerlander bestiegen, mit Reinhold Messner hat er unter anderem den Gipfel des Annapurna (8091 Meter) erreicht und 1996 bestieg er den Mount Everest (8848 Meter) ohne zusätzlichen Sauerstoff, um von dort – als sei es nicht genug – auf Skiern den Weg ins Tal zu wagen. Mit charmant weichem Dialekt erzählt der 53-jährige Südtiroler von seinen Erlebnissen, die für urbane Zeitgenossen allesamt wie Abenteuer klingen. „Die Berge sind wie ein Magnet. Als ich acht Jahre alt war, habe ich in meinem Südtiroler Heimatort Sand in Taufers auf dem Schulweg ein Ehepaar getroffen, das auf den Großen Moosstock wollte. Ich war einfach neugierig. Was wollten die da oben? Also bin ich ihnen heimlich nachgeschlichen. Das war’s. Wie ein Virus.“ Die Erinnerung an seinen ersten Berg ist lebendig. Aber auch andere Erinnerungen sind tief verankert. 1991, beim Aufstieg auf den 8163 Meter hohen Manaslu im Himalaja, hat er zwei Freunde verloren. Einer, Friedl Mutschlechner, wurde vom Blitz getroffen. Er war sofort tot. Kammerlander stand nur wenige Meter neben ihm. „Das sind Erfahrungen, die werden dir einfach entgegengeschleudert. Damit musst du umgehen. Ich habe in den Jahren zehn enge Freunde in den Bergen verloren. Aber es ist auch der Berg, der dir dann weiterhilft.“ Für den ausgebildeten Berg- und Skiführer ist das, was er die meiste Zeit im Jahr tut, Beruf und Berufung. „Allein dieses Gefühl, wenn du ganz oben stehst. Du blickst hinab. Dir wird bewusst, was für einen Weg du hinter dich gebracht hast.“ Allerdings: „Du musst die Bewegungen beherrschen, jeden Schritt, jeden Handgriff.“ Nur dann sei das Risiko beherrschbar. „Es wäre reine Dummheit, wenn man eine Tour falsch einschätzten oder gar andere gefährden würde.“ RUHE UND SELBSTVERTRAUEN Der Grat zwischen Mut und Übermut ist extrem schmal, weiß Kammerlander. Er aber ist sich seiner selbst – und seines Könnens – sicher. Und dieses Selbstvertrauen verleiht ihm auch die Ruhe, einfach mal umzudrehen oder ein Vorhaben abzubrechen, wenn er weiß: Ab hier wird es zu brenzlig. „Ich habe Jahre gebraucht, das zu lernen. Früher war da für mich immer nur die Wand oder der Gipfel. Jetzt weiß ich auch den Weg zu schätzen, meine Beobachtungen unterwegs. Selbst wenn ich den Gipfel nicht erreicht habe, kann ich die Reise genießen. Der Gipfel ist ja lediglich das i-Tüpfelchen. Aber kein Muss“, erzählt Hans Kammerlander. Erfahrungen, die er nicht nur in Bergsteiger-Lektüre, sondern gemeinsam mit Rainer Kurek auch in dem Buch „Direttissima zum Erfolg. Was (Automobil-) Manager vom Höhenbergsteigen lernen können.“ verarbeitet hat. „Es ist wichtig, sich Ziele zu setzen und im richtigen Moment richtige Entscheidungen zu treffen. Das ist existenziell – im Bergsteigen und auch im Management.“ Ein gehöriger Stolperstein auf dem Weg sei die eigene Angst. Die gelte es zu überwinden oder zu beherrschen. Kein Talisman, keine Rituale, kein Stoßgebet – die Beherrschung des eigenen Körpers und der Glaube an sich selbst. Das sei entscheidend. Diese Erkenntnis zu vermitteln, ob in Büchern oder NAME Hans Kammerlander WAS MIR WICHTIG IST Die Freiheit, aufzubrechen, wohin ich will MUSIK Hubert von Goisern BUCH FÜR DIE INSEL Etwas vom Dalai Lama DER FILM DER FILME Ich sehe nicht viele Filme WORAUF ICH VERZICHTEN KÖNNTE Auf das oft nichtssagende Geplapper vieler Politiker GRÖSSTER WUNSCH Der erste Tag auf Skiern mit meiner Tochter MEIN TIPP FÜR DAS NETZ Seiten über Oldtimer MEIN MOTTO Leben und leben lassen MEINE LIEBLINGSBERGE Die Dolomiten alsecco aface 25