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25 Jahre Psychiatrie-Enqute - Aktion Psychisch Kranke e.V.

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Erwin Jordan<br />

glaube ich sagen zu können, dass die Bilanz, die Zwischenbilanz der<br />

<strong>Psychiatrie</strong>-Reform positiv ist. Die Erfolge der <strong>Psychiatrie</strong>-Reform<br />

sind unbestritten und trotzdem stellen wir immer wieder fest, dass<br />

die Ziele noch nicht alle erreicht sind. Das betrifft einmal die flächendeckende<br />

Umsetzung dessen, was nötig, aber auch was möglich<br />

ist und ich mache keinen Hehl daraus, dass ich davon ausgehe,<br />

dass vielerorts die Umsetzung viel weiter fortgeschritten sein könnte,<br />

wenn sie denn gewollt wäre. Ich leugne aber auch keinesfalls, dass<br />

es der Verbesserung von politischen Rahmenbedingungen bedarf,<br />

um den Umsetzungsprozess zu erleichtern. Die Rahmenbedingungen<br />

machen es dem Versorgungssystem aufgrund mangelnder Verbindlichkeit<br />

noch immer zu leicht, sich an den eigenen Interessen<br />

zu orientieren und institutionenorientiert statt patientenorientiert<br />

zu arbeiten und sich den Patienten, der in die jeweilige Institution<br />

passt und bezahlt wird, zu holen und zu halten.<br />

Und wir entdecken auch immer neue Spannungsbögen bei den<br />

Reformen, wenn wir sehen, wer von den Reformern an welchen Stellen<br />

des Systemes mittlerweile sitzt. Es sind spannende Diskussionen<br />

– ich sage das ohne Wertung – wenn ich so die Liste derer, die<br />

große Institutionen mittlerweile leiten, anschaue – schließlich ist das<br />

die Liste des »Who is Who« der <strong>Psychiatrie</strong>-Reformer und Reformerinnen.<br />

Auch dies spielt eine Rolle bei der Fortführung der Reform<br />

und der Frage, wie sich auch Institutionen weiterzuentwickeln haben<br />

und vielleicht auch selbst in Frage stellen können. Inwieweit wir<br />

unser Ziel erreichen, Menschen mit längerfristigen psychischen Störungen<br />

ein ihren Fähigkeiten angemessenes und selbstbestimmtes<br />

Leben im eigenen Lebensumfeld zu ermöglichen, wird entscheidend<br />

davon abhängen, ob es gelingt multiprofessionelle Hilfen in den Leistungsbereichen<br />

Behandlung, Rehabilitation, Eingliederung und auch<br />

in dem Bereich der Pflegeversicherung zu realisieren. Ich glaube,<br />

dabei steht die Frage der Finanzierung der Leistungen gar nicht<br />

immer im Vordergrund. Es geht vielmehr in erster Linie darum, die<br />

Hilfen in einer koordinierten, integrierten und aufeinander abgestimmten,<br />

am individuellen Hilfebedarf orientierten Form möglich<br />

zu machen. Aus meiner Sicht ist primär die Verbesserung von systemübergreifender<br />

Kooperation und Koordination zu fördern. Ich will<br />

damit nicht von der politischen Verantwortung, da wo sie gefordert<br />

ist, ablenken. Aber ich sage eindeutig, dass hier primär die Bereitschaft<br />

der Leistungserbringer und Leistungsträger gefordert ist, sich<br />

Grußwort des Bundesministeriums für Gesundheit<br />

66 67<br />

auch über eigene institutionelle Interessen hinwegzusetzen und<br />

bereit zu sein, gemeinsam über sinnvolle Weiterentwicklungen nachzudenken.<br />

Die immer wieder beklagte Ressourcenknappheit könnte<br />

sich in diesem Sinne auch als Chance erweisen, wenn sie denn zu<br />

der Erkenntnis führen würde, dass eigene Interessen, die zu vertreten<br />

durchaus legitim ist, oft jedoch dazu verleiten, gewohnte Bahnen<br />

nicht zu verlassen. Denn gerade dieses Beharren erweist sich bei<br />

genauem Hinsehen nicht immer als erstrebenswert für die Verwirklichung<br />

der eigenen Interessen.<br />

Und, lassen Sie mich es so sagen, auch aus eigenen politischen<br />

Erfahrungen heraus: bei dem Versuch, in der <strong>Psychiatrie</strong> etwas zu<br />

verändern, ist mein Eindruck allzu oft gewesen, dass es nicht am Geld<br />

an sich liegt, sondern eher daran, wie wir es denn verwenden, gemeinsam<br />

ausgeben und die Geldflüsse steuern. Es kann sehr wohl<br />

auch im Interesse für Leistungserbringer und -träger sein, neue Wege<br />

zu beschreiten. Und für die Weiterentwicklung zu einem komplexen<br />

Behandlungs- und Rehabilitationssystem ist von entscheidender<br />

Bedeutung, dass die verschiedenen Leistungsträger, wie die<br />

gesetzliche <strong>Kranke</strong>nversicherung, die Rentenversicherung als vorrangige<br />

Sozialleistungsträger, die Bundesanstalt für Arbeit und die<br />

Sozialhilfeträger möglichst unter Einschluss der Pflegekassen endlich<br />

gemeinsame Positionen vertreten und gemeinsame Verantwortung<br />

übernehmen. Nur auf dieser Grundlage wird die gemeinsame<br />

Planung und eine trägerübergreifende Zusammenarbeit möglich und<br />

werden Fehlentwicklungen vermieden. Das ist, glaube ich, einer der<br />

Blickwinkel, unter dem die Weiterentwicklung der psychiatrischen<br />

Versorgung gesehen werden sollte. Ich weise auch bewusst darauf<br />

hin, dass unter den gegebenen Rahmenbedingungen die Selbstverwaltung<br />

der Sozialleistungsträger die Möglichkeit hat, Richtlinien<br />

für die Ausgestaltung eines integrierten Komplexleistungsprogramms<br />

zu erstellen und durch Verzahnung auch Umschichtungen<br />

von Ressourcen, z.B. aus dem <strong>Kranke</strong>nhausbereich in den ambulanten<br />

Bereich, zu bewirken. Es war schließlich die Selbstverwaltung,<br />

die durch eine gemeinsame Empfehlungsvereinbarung das Modell der<br />

Rehabilitationseinrichtung für psychisch <strong>Kranke</strong> möglich gemacht<br />

hat und so kann auch die Weiterentwicklung zu einem ambulanten<br />

integrierten Rehabilitationskonzept auf Bundesebene sichergestellt<br />

werden. Die Länder haben die Möglichkeit, ihre Verantwortung für<br />

eine umfassende und sinnvolle <strong>Psychiatrie</strong>planung durch Ausgestal-

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