01.12.2012 Aufrufe

25 Jahre Psychiatrie-Enqute - Aktion Psychisch Kranke e.V.

25 Jahre Psychiatrie-Enqute - Aktion Psychisch Kranke e.V.

25 Jahre Psychiatrie-Enqute - Aktion Psychisch Kranke e.V.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Heinz Häfner<br />

Abb. 3: Manische Patientin, 1838, A-Tardien. Quelle: [4, S. <strong>25</strong>1]<br />

anstalt« in idealer Landschaft und von einem idealen Psychiater geleitet.<br />

Maximilian Jacobi, Direktor der Heilanstalt Siegburg, forderte<br />

1834 beispielsweise, sie müsse unter einem milden Himmel, in einer<br />

anmutigen Fluchtbahn liegen, in welcher Berg und Tal, Wiese,<br />

Wald und Feld eine freundliche Umgebung bildeten, denn eine<br />

anmutige Lage wirke wohltätig auf das Seelenleben ein und trage<br />

zur Wiederherstellung bei (6). Die großherzoglich badische Heil- und<br />

Pflegeanstalt Illenau, gebaut nach den Plänen, eingeweiht 1840 und<br />

geleitet von C.F.W. Roller, wurde zum Modell und Vorbild zahlreicher<br />

psychiatrischer Anstalten in vielen Ländern der Erde (Abb. 4).<br />

Das Persönlichkeitsprofil des leitenden Irrenarztes entwarf der Münchner<br />

Ordinarius Solbrig 1841: »Der Arzt ist der Gott des <strong>Kranke</strong>n,<br />

allgegenwärtig... mit dem Schatz seines materiellen Wissens und Erfahrenseins,<br />

... mit der Macht seiner Phantasie, mit der Schärfe des<br />

historischen Weltverstandes, mit dem Seherblick des religiösen Glaubens.«<br />

(7)<br />

Die <strong>Psychiatrie</strong>-Enquete – historische Aspekte und Perspektiven<br />

Abb. 4: Die Illenau. Quelle: [15]<br />

76 77<br />

Für das Verständnis des psychiatrischen Versorgungssystems bis<br />

zur Ankunft der Enquete und seines Umgangs mit den <strong>Kranke</strong>n ist<br />

diese historische Skizze hilfreich. Sie macht den bodenlosen Idealismus<br />

vieler Psychiater des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts<br />

ebenso wie die Auswanderung der psychiatrischen <strong>Kranke</strong>nhäuser<br />

aus der bürgerlichen Kultur der Städte und aus den Zentren des medizinischen<br />

Fortschritts deutlich. Sie macht den patriarchalisch-fürsorglichen<br />

Stil der <strong>Kranke</strong>nbehandlung und die rigide, hierarchische<br />

Organisation der psychiatrischen <strong>Kranke</strong>nhäuser verständlich.<br />

Sie lässt auch begreifen, weshalb dieses System, je nach Persönlichkeit<br />

der Ärzte, einerseits zu harten, mitunter grausamen Methoden<br />

der Disziplinierung, andererseits zur liebevoll väterlichen Fürsorge<br />

fähig war. Die Tragik dieses Systems und seiner tragenden<br />

Ideen war das Scheitern an der Wirkungsarmut seiner Methoden<br />

und an der damaligen Unheilbarkeit der meisten schweren Erkrankungen.<br />

Das musste zum Rückfall aus optimistischen Visionen in<br />

Resignation und therapeutische Untätigkeit führen. Die <strong>Kranke</strong>n<br />

aber wurden, ausgegrenzt aus der Gesellschaft, in zunehmend vernachlässigten<br />

Anstalten, meist viele <strong>Jahre</strong> oder lebenslang in Unfreiheit<br />

gehalten (Abb. 5). Nur ein paar aktive und meist auch religiöskaritativ<br />

motivierte Anstaltsdirektoren und Ärzte wie Hermann<br />

Simon (Gütersloh), Gustav Kolb (Erlangen) und Hans Roemer<br />

(Konstanz) bewahrten sie mit einem System aktiver Tagesgestaltung,<br />

Arbeitstherapie, Entlassprogrammen und organisierter Nachsorge

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!