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Ablehnungen, Ressentiments oder Abwehrreaktionen. Je mehr der Mensch von etwasgetroffen wird, was ihm fremd ist, desto mehr wehrt er sich dagegen. Wenn jetzt dieKunst, wie es ja von ihr immer wieder behauptet wurde, noch Ausdruck eines Wahrnehmungsvorsprungsist oder für das Wahrgenommene eine Form findet, die noch fremd ist,dann hat sie natürlich eine Funktion in diesem eben erwähnten Gesellschaftsraum, imSinne des bis dahin Unbekannten. Ich bin der Ansicht, wenn der Mensch sich nicht nurdahingehend entwickelt, dass er irgendwann eine Addition von Implantaten ist und wirvon einem Menschenbild ausgehen, was verallgemeinert 2000 Jahre eine Gültigkeit hatte,bleibt es bei den wenigen Themen, die wir als Menschen überhaupt realisieren. Die sindmit unserem Beginn und unserem Ende, der Geburt und dem Tod zeitlich bestimmt undzwischendrin suchen wir unsere Lebensformen. Aber wenn eine bestimmte Skala derWahrnehmungen bleibt, kann ich mich z.B. in den unterschiedlichen Zeiten fragen, wannwurde der Mensch durch was glücklich oder unglücklich, oder wie hat sich mein jeweiligesVerhalten auf mich und andere ausgewirkt?Kopflos, Friedensskulptur, 1995Holz, 538 x 100 x 60 cmBunkerlinie, JütlandUnten: nach der ZerstörungWenn ich fragte, ob Ihre Kunst politisch sei, dachte ich auch an Werke wie die Friedensskulpturin Thyborøn (1995) und »Vernichtet am 9. November 38« (1978). Werke, die sichmit verschiedenen Aspekten auseinander setzen.Die zweiteilige Skulptur »Kopflos« erinnerte nach 50 Jahren an das Ende des 2. Weltkrieges.Die über 5 m hohe Skulptur erhob sich im dominanten Wirkungsraum der Bunkeram Strand von Thyborøn. Das herausgenommene Stück war als Teil »aus einem Ganzen« der»Friedensskulptur« auf einem 50 km entfernten Schiff zu sehen. Etwa 20 Künstler aus verschiedenenLändern waren eingeladen sich an der Bunkerlinie in Jütland einzulassen aufZeichen von Gewalt. Das ist eine Arbeit, die in der Skulptur »Osterinsel« einen direkten Vorläuferaus dem Jahre 1992 hatte und ebenso in meinem Beitrag für die Geschwister Scholl-Schule in Betzdorf an der Sieg ihre Fortsetzung fand. Während das Atelier-Stück von 1992mehrere Standproben an verschiedenen Orten bewältigt hat, sind die zweiteiligen Arbeitenfür Betzdorf und Thyborøn eigens für die jeweilige Situation gemacht. Dennoch sind beide einBeispiel dafür, sich zu fragen, wie offen und bestimmt ist ein Werk in den unterschiedlichenKontexten. Mir ist diese Vielschichtigkeit und die Tatsache, wie sich eine eigenwertige Arbeitbehauptet, sehr wichtig. – Als ich 1978 die Plastiken für den Synagogenplatz in meinem HeimatortHamm/Sieg und für die Kreisstadt Altenkirchen (vgl. Abb. S. 98) machte, öffneten sichim Atelier die Eisenarbeiten so zu Halbschalen, konkaven Formen, dass man in diese eintretenkonnte. Begleitend und störend bildeten ausgeschnittene Streifen die erwähnten Grundformen.Ich erwähne dies, um wiederum aufzuzeigen, dass meine Beiträge für den öffentlichen Raumjeweils den Gestaltungskriterien im Atelier entsprechen. In beiden Beiträgen zur Erinnerungan die Vernichtung der Synagogen setzte ich auf das Motiv der Flamme. In Hamm entwickeltendie additiv gefügten dünnen Bleche assoziativ eine zerstörende Kraft, die sich einer fastnoch geschlossenen Form bemächtigte, für die ich gedanklich die Kuppel der einst stattlichenSynagogen-Architektur nutzte. Heute leistet sich der Ort dort einen Busbahnhof und mandenkt sogar im direkten Umfeld des ehemaligen Synagogenplatzes an Investorengebäude. InAltenkirchen verweigerte damals ein Unternehmer, einen Quadratmeter am Rande des ehemaligenGrundstücks, auf dem die Synagoge stand, zur Verfügung zu stellen. Im Stadtrat wollteman die Arbeit außerhalb der Stadt und stieß sich an meinem Arbeitstitel: »Die Synagogewurde vernichtet.« Man wollte an der Arbeit ‘zerstört’ lesen. In meinem Heimatort Hamm/Siegmieden die Gäste lange das elterliche Wirtshaus. Man fühlte sich durch den ‘Schrott’ beleidigt.In Ihrem Band »Skulpturen finden ihren Ort« 5 schreibt Bernd Goldmann »Kunst kannnicht demokratisch sein.« Er sagt auch, Kunst entspräche nicht dem allgemeinen Zeitgeschmack,wenn sie auch der Spiegel der Zeit, des Denkens unserer Zeit sei. Sonstverkomme die Kunst zur Dekoration. Soll Kunst Anstoß erregen, provozieren?Kunst ist und kann nicht demokratisch sein, weil sie ein Einzelner macht. Entsteht sie ineiner Gruppe, so werden die jeweiligen Gestaltungsmittel auch in der gewünschten Eigengesetzlichkeitgesucht. Diese Entscheidung ist aber gewiss keine Mehrheitsentscheidung, wiewir sie aus unserer Alltagsdemokratie kennen. Das tradierte Spiegelbild hängt die Kunst undihre Bedeutung weiterhin sehr hoch. Gewiss aber ist, dass sie von Zeitgenossen gemacht wird, dienicht auf einem anderen Planeten leben. Dazu äußern sich eben Künstler mehr als andereund oft so, dass man daran Anstoß nimmt. Dabei geschieht es meist, dass eine kleine odergrößere Mehrheit der Demokraten vergisst, wie weit Meinungsfreiheit garantiert ist. Ichsehe aber die Verweigerungsgründe in der Gegebenheit, dass die Kunst nicht lesbar erscheint.Die Maxime zu erkennen, was dies oder jenes ‚darstellt‘, verkennt die Bedeutung eines Vorwissens,einer Wiedererkennung auf der Grundlage gemeinsamer Erfahrungen. Ein Bild biblischen Inhaltswird zunehmend weniger lesbar, unverständlich, trotz seiner Gegenständlichkeit. Beim üblichenVorwurf des Abstrakten wird übersehen, wie gering die Welten geworden sind, in diewir differenzierten Einblick zu nehmen wissen.

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