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Kazuo KataseBildstock (dem namenlosen Gott), 1987im TALSie sprachen in der Pressekonferenz in Mainz 2 von der Verwahrlosung des öffentlichenRaumes. Sie sprachen auch von Stadtsanierungen, die nicht selten schlechte Formen annehmen.Dem setzen Sie mit Ihren Skulpturen etwas entgegen. Geht es Ihnen um Kunstfür mehr Menschlichkeit oder für eine sensiblere Wahrnehmung?Diese Frage hat eine Komplexität, die man aus meiner Sicht historisch einbinden muss.Es ist ein Wagnis zu glauben, man hätte die Kraft, irgendetwas in diesem öffentlichenRaum ändern zu können. Wer irgendwann aus weltgeschichtlichen Zusammenhängen, z.B.in der Renaissance die mittelalterliche Stadt absichtsvoll zerstört, greift ein in einen Kosmos,der bis dahin Gültigkeit hatte. Jeder, der in diesem Augenblick noch primär mittelalterlichgedacht hat, muss in allem, was in der Renaissance geschehen ist, eine Verwahrlosungsehen. Ich benenne diesen waghalsigen Vergleich, weil sowohl das Mittelalter als auch dieRenaissance eine unglaubliche Gestaltkraft haben. Und sie hat in wunderbarer Weise biszum heutigen Tage unser räumliches Sehen beeinflusst, ohne dabei zu vergessen, dass dierenaissancetypische Erfindung der Perspektive dazu beigetragen hat, dass dieses sogenannteperspektivische Sehen eine Erweiterung des Raumes mit sich gebracht hat, aber mit denmathematisch kalkulierten Raumerschließungen gleichzeitig eine Verkürzung. Wir habenz.B. in unserer Anlage [im Tal] eine wunderbare Arbeit, die das thematisiert, bewusst oderunbewusst, die Arbeit »Bildstock« von Kazuo Katase [Bildstock (dem namenlosen Gott),1987]. Wir könnten jetzt quer durch die Geschichte gehen und sehen, was sich jeweils ablöst,was bis zu diesem Augenblick den Sehgewohnheiten des Menschen entsprochen hatund müssten dann lange darüber reden: Was ist da weitergeschleppt worden in einer hohenachtungsgebietenden Referenz an das, was vorher war, was auch so geblieben ist unddann aufgehoben wurde. Wenn ich aber den großen Sprung mache in die Zeit nach 1945,die ich meinem Alter entsprechend bewusst erlebt habe, lässt sich nachvollziehen, dass dieStädte sich einerseits an der Marktwirtschaft, die man sozial nennt, und ihren Bedingungenentwickelt haben und andererseits zu oft an den alten Kanalsystemen entlang. Sicherlichauch aus der Not heraus. Wenn unsere Städte unter dem löblichen Begriff der Sanierungerneuert werden sollten, wurde einerseits festgeschrieben, was schon war. Auch wenn voneiner ‘autogerechten Stadt’ gesprochen wurde, war alles, was geschah, letztlich systemstabilisierendgedacht. Wenn ein Abenteuerspielplatz entwickelt wurde oder werden sollte,ging es nicht darum, Wohnungen zu entwickeln, wo die Kinder spielen konnten oder Behausungendrum herum zu schaffen, sondern ein Reservat zu schaffen. All dies ist Ausdruckvon Verwahrlosungen, die in den siebziger Jahren begannen. Ein Abenteuerspielplatzsuggeriert euphemistisch, was heute z.B. Industriepark heißt. Allein der Begriff Parkwird benutzt für etwas, wofür es keine Bauordnung, keine Gestaltungsvorlagen gibt. Manstülpt den klassischen Begriff des Parks über, ohne sich Gedanken zu machen: Wie ließesich das menschengerecht gestalten und nach welchen Maßstäben? Wenn ich nochmalauf das Mittelalter zurückkomme, will ich nicht über die Übel des »Jammertals« reden,sondern auf das Ordnungsgefüge des ganzen Stadtbildes zu sprechen kommen, diesesGefüge folgt grundsätzlich einem Denken von Gott zu Gott. Eine solche Orientierung anGott fällt weg. Und das Sagen haben eher die Ersatzgötter, die sich in allen Schaufensternzeigen oder sich globalisierend ausbreiten.Die Entwicklungen in den Städten tragen nicht selten die Spuren verantwortungsloserStadtplaner oder Stadtgestalter. Wenn Sie Raum gestalten, Raum auch 'besetzen' mitIhren bildhauerischen Zeichen, eine Stadt, eine Kirche oder eine Landschaft – wie gehenSie mit dieser Verantwortung um?Ich versuche im Alltag mich zu fragen, welche Strukturen in meinem Gegenüber –ob das ein Mensch oder eine Situation ist – zu erkennen sind. In den meisten Fällenjedoch sind die Strukturen weder ganzheitlich noch im Detail zu erkennen. Das giltauch für ein einzelnes Haus, das sich hinter Blendarchitektur verbirgt, also keine Strukturenzeigt, das betrifft die Türen, die als solche nur erkannt werden, wenn zu lesenist: »ziehen« oder »drücken« – achtungsgebietend ist daran nichts, weder das Gebäude,noch eine mögliche Geste dem Gast gegenüber. Türen wie Portale nahmen in ihrenProportionen am Menschen Maß und verweisen bereits an diesem kleinen Beispielgrundsätzlich auf das Problem von Körper und Raum. So ist es ein Leichtes zu fragen:In welch einem Raumgefüge leben wir? Wie fügt sich Raum zu Raum in einem Haus,wie ein Haus zum Haus? Wie geht eine Straße in die nächste über? Welche Plätze öffnensich? Alles, was ich hier aneinander füge spielt auf die Bewegungsmöglichkeitenan, die wir in unserem Umraum haben. Das sind entscheidende Fragen, weil wir längstwissen, dass die gebaute Umwelt insgesamt Einwirkungen hat, die unser Denken undTun beeinflussen. Anders gesagt: Stets gibt es die Wechselbeziehungen zwischen demprivaten und öffentlichen Raum und umgekehrt. So gibt es Räume, die uns kleinmachen und andere, in denen uns ein erhebendes Gefühl mitnimmt, z.B. in die Höheneines Kirchenraumes. Und Kirchen sind die einzigen Relikte, die wir noch als Vorstellung

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