22 <strong>Lagergemeinschaft</strong> <strong>Auschwitz</strong> - Freundeskreis der <strong>Auschwitz</strong>erda hab ich mir gedacht - na ja ...Anni Reineck: Ja, und dann kamhalt noch ne Verabredung. Die sindnatürlich wieder nach Österreichzurück. Na ja, und dann der eine oderandere Anruf,Briefe und ein Besuch...na ja...Hermann Reineck: Wir waren alsoauch per Du dann schon.Und na ja,so’nbisschen in den Arm genommen auch.Aber das war’s schon, möcht ich sagen.Vielleicht einmal ein Kuss auch... aberdas war’s. Und wir haben uns dann regelmäßiggeschrieben, also täglichmöcht ich sagen.Täglich sind Briefe vonFrankfurt nach Wien und von Wiennach Frankfurt gegangen. Und langeBriefe! Sie sind alle noch vorhanden.Anni Reineck: Na ja, und dann einesTages war er halt wieder in Frankfurt.Und so ist aus dieser Begegnung,aus diesen Gesprächen in Frankfurtein bisschen mehr geworden. Und der<strong>Auschwitz</strong>-Prozess hat also - wie mandas so schön sagt - Folgen gehabt. Folgenin dem Sinne, dass mein jetzigerMann - damals Zeuge im <strong>Auschwitz</strong>-Prozess - heute hier mit mir lebt.Hermann Reineck: <strong>Auschwitz</strong> - daskann man nicht aus dem Kopf streichen.Auchheute nicht - ich lebe jedenTag mit <strong>Auschwitz</strong>. Und man muss dasmit dem Herz oder mit dem Bauch verarbeiten.„Und das kann Anni. Anniweiß genau,dass ich manchen Tag,dassich dann nicht ansprechbar bin. Da ist<strong>Auschwitz</strong> wiederum da. Und sie versuchtdann ganz langsam, also nach einergewissen Zeit, nachdem sie das bemerkthat, langsam darauf einzugehenund mir darüber hinwegzuhelfen.Anni Reineck: Es ist so, dass maneigentlich einen großen Teil von sichselbst aufgeben muss und aufgibt,wenn man mit jemandem zusammenist, der in <strong>Auschwitz</strong> war. Denn mankann nicht einfach sagen: Schwammdrüber, das Leben geht auch so weiter.Die erste Zeit, die möchte ich vielleichtnicht so hundertprozentigzurück haben, denn die war schlimm.Hermann Reineck: Ja, <strong>Auschwitz</strong>war in meinem Leben ein Trauma.Und ich hab also nach dem Krieg,nach‘45 jede Nacht von <strong>Auschwitz</strong> geträumt.Es war ganz schlimm. Ich hatteAlbträume. All das hat mich alsojede Nacht gequält, und ich hab jedeNacht zu schreien angefangen.Ich habdie Krematorien brennen gesehen,und ich hab die Leichen, die Toten gesehen.In der Nacht - ich hab den Geruchvon diesen Krematorien in derNase gehabt und hab das gerochen imTraum. Jede Nacht - es gab keineNacht ohne diese Träume, keine.Anni Reineck: Gut, ich hätte mirschließlich mein Leben anders einrichtenkönnen - oder sagen wir’s malso: ich hatt mir das etwas ruhiger vorgestellt.Ruhiger nicht von der Arbeither gesehen, aber ruhiger von der seelischenBelastung her. Aber nun warmal der <strong>Auschwitz</strong>-Prozess, und mitdem <strong>Auschwitz</strong>-Prozess eben einer derZeugen. Und wenn ich heute so überdiese Zeit nachdenke, seit dem <strong>Auschwitz</strong>-Prozess,dann würd ich’s wahrscheinlichgenau wieder so machen.
<strong>Lagergemeinschaft</strong> <strong>Auschwitz</strong> - Freundeskreis der <strong>Auschwitz</strong>er 23Ein zeitgeschichtliches Dokument ersten Ranges. Erstmals für einbreites Publikum zugänglich.Der 1. Frankfurter <strong>Auschwitz</strong>-Prozess(1963–1965) ist eines der bedeutendstenBeispiele für den justiziellenUmgang mit NS-Gewaltverbrechenin der Bundesrepublik Deutschland.Der 430-stündige Tonbandmitschnittder Hauptverhandlung - ursprünglichangefertigt als Gedächtnisstützefür das Gericht und heute eineinzigartiges historisches Dokument -bildet das Kernstück der Dokumentation.Diese mündlichen Zeugnisse wurdenverschriftet, inhaltlich detaillierterschlossen und mit einem Anmerkungsapparatversehen. Nebenden Aussagen von über 300 Zeugen, inelf unterschiedlichenSprachen, enthaltendie TonbandaufzeichnungendieSchlussworte derAngeklagten, Plädoyersvon Staatsanwaltschaft,Verteidigernund Nebenklagevertretungsowiedie mündlicheUrteilsbegründung.Ausgewähltes Quellenmaterialaus denHauptakten sowiedie Prozess-Mitschriftdes protokollführendenRichtersergänzen dieDokumentation der183 Verhandlungstage.DVD-ROM: Der <strong>Auschwitz</strong>-ProzessHermann Reineck am 5. Juni 1964 vordem Haus Gallus während einer Verhandlungspause.Eine Fülle von Begleitmaterialienerzählt die Vor- und Nachgeschichtedes Prozesses und macht einen Teil derschriftlichen Beweisstücke zugänglich.Die DVD enthält ferner einegroße Anzahl von Fotos, Hörbeispieleaus dem Tonbandmitschnitt, einenFilmausschnitt, Lagerpläne und Karten.Einführende Texte sowohl zumProzessverlauf als auch zur Geschichtedes Lagers <strong>Auschwitz</strong> ermöglicheneinen intensiven Einstieg in die Materie.Die umfassende Darstellung desProzesses bietet sich sowohl zu einerAuseinandersetzung mit dem Geschehenin <strong>Auschwitz</strong> als auch mitdem justiziellenUmgang mit NS-Verbrechen an.DVD-ROM„Der <strong>Auschwitz</strong>-Prozess“, Protokolleund DokumenteHerausgegebenvom Fritz Bauer InstitutFrankfurt unddem StaatlichenMuseum <strong>Auschwitz</strong>-Birkenau;Berlin: DirectmediaVerlag, <strong>2004</strong>,Die Digitale Bibliothek101, DVD-ROM, ca. 80.000 Seiten.ISBN 3-89853-201-1, Preis 49,90Euro.