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Ausgabe 1/2004 - Lagergemeinschaft Auschwitz

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34 <strong>Lagergemeinschaft</strong> <strong>Auschwitz</strong> - Freundeskreis der <strong>Auschwitz</strong>erHeinrich Senfft zum Jahrestag des 20. Juli: taz vom 19. 7. <strong>2004</strong>Es war lange tabu, mit dem Widerstandgegen das Naziregime kritischumzugehen. Wir hatten so wenige Helden,soviele „willige Vollstrecker“,dassan diesem spät geschaffenen Mythosnicht gerührt und nicht gefragt werdendurfte, was die Offiziere des Widerstandesdenn im täglichen Kriegsgeschehenvor allem im Vernichtungskrieg gegendie Sowjetunion so alles gemacht hatten,ob sie sich gar an dem einen oderanderen Kriegsverbrechen beteiligthatten, um nicht enttarnt zu werden.Der 20. Juli, der sich jetzt zum sechzigstenMale jährt, kam spät, zu spät.Wäreer gelungen, welch neue, diesmal allesüberwältigende, nicht mehr aussterbendeDolchstoßlegende würde sich gebildethaben - aber wie viele Menschenwären am Leben geblieben?Jahrzehntelang wurde in Westdeutschlandder Eindruck gepflegt, alshabe der Widerstand der Wenigen nurin Offizierskasinos,Herrenhäusern undSalons stattgefunden. Um den Widerstandder „kleinen Leute“,der Arbeiter,der Kommunisten, gar um den einesEinzelgänger wie Georg Elser, kümmertesich kaum einer,wenn er nicht alslinker Außenseiter und Kommunistenfreunddenunziert werden wollte. Undwer sagte schon, es habe in den Mannschaftsrängenmehr als 100.000 Deserteureund sonstige „Wehrkraftzersetzer“gegeben, von denen 30.000exekutiert wurden? Die DDR, unterantifaschistischen Vorzeichen gegründet,erkanntenur den kommunistischenWiderstand an, der tatsächlich die meistenOpfer gebracht hatte (...)Immerhin hatte BundespräsidentRichard von Weizsäcker in seiner RedeUnglückliche Heldenzum 40.Jahrestag des Kriegsendes am 8.Mai 1985 der „Opfer des deutschen Widerstandes,des bürgerlichen, militärischenund glaubensbegründeten, desWiderstands in der Arbeiterschaft undbei den Gewerkschaften, des Widerstandsder Kommunisten“ gedacht.Neun Jahre später drohte der Stauffenberg-SohnFranz Ludwig,die „GedenkstätteDeutscher Widerstand“ und dieFeiern zum 20.Juli zu boykottieren,fallsdort die Ausstellungsstücke zur Würdigungkommunistischer Widerständlernicht entfernt würden. (...) Es war undist für viele noch immer nicht zu begreifen,dass das Nationalkomitee „FreiesDeutschland“, Ulbricht und Pieckebenso zum Widerstand gehören wiedie Verschwörer, die nach dem 20. Juli1944 umgebracht wurden.Der Widerstand war vielfältig undbrüchig organisiert:Kaum einer wurdegefragt,woher er komme und wohin erwolle, wenn er nur bereit war, das Naziregimeund Hitler zu beseitigen.Deshalb ist es auch eine sehr fragwürdigeVereinfachung, vom „20. Juli“ zusprechen, wenn mehr gemeint ist, alsdass Claus Graf Stauffenberg an diesemTag versucht hatte, Hitler in seinemHauptquartier umzubringen.Tatsächlich lässt man sich da denStempel der Gestapo aufdrücken. (...)Einiges hatten die meist konservativenWiderständler alle gemeinsam: Sietrugen schwer an ihrem Eid, sie warendeutsche Nationalisten, antidemokratisch,also gegen die Weimarer Republik,die, davon waren sie überzeugt,nicht an ihnen, sondern an den Folgendes Versailler Friedensvertrages zugrundegegangen war. Sie waren über

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