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R U - beim Bistum Mainz

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RELIGIONSUNTERRICHTheute 03-04/2005<br />

bundenen Denkoperationen und Verfahren und das ihnen zuzuordnende<br />

Grundlagenwissen“ 9 . Bildungsstandards reduzieren<br />

die Stofffülle vieler Lehrpläne auf die grundlegenden Wissensbestände<br />

eines Faches und schreiben sie verbindlich fest, so dass<br />

überprüft werden kann, ob die Schülerinnen und Schüler über<br />

diese Wissensbestände auch tatsächlich verfügen.<br />

Wie die anderen Fächer steht der Religionsunterricht damit vor<br />

der Herausforderung, die zentralen Inhalte des Faches zu definieren,<br />

die in der Schule realistischerweise vermittelt werden<br />

können und sollen. Die Herausforderung ist nicht neu. Der<br />

Synodenbeschluss hatte schon 1974 gefordert, der Religionsunterricht<br />

müsse sich „entsprechend den Aussagen des Zweiten<br />

Vatikanischen Konzils über die Hierarchie der Wahrheiten (Unitatio<br />

reintegratio 11) auf das Fundament des Glaubens konzentrieren<br />

und das Gesamt des Glaubens vom Zentralen her verstehen.“<br />

(Synodenbeschluss 2.4.1) Allerdings ist die Forderung der<br />

Würzburger Synode nur unzureichend in den Lehrplänen umgesetzt<br />

worden. Insbesondere fehlt es bis heute an einer didaktischen<br />

Strukturierung der Inhalte, die zum einen im Sinne des<br />

vernetzten und kumulativen Lernens für Schülerinnen und Schüler<br />

nachvollziehbare Lernfortschritte und damit motivierende<br />

Lernerfolge ermöglicht und zum anderen den Schülerinnen und<br />

Schülern hilft, eine Vorstellung vom Ganzen des christlichen<br />

Glaubens, von seiner inneren Struktur und Logik zu entwikkeln.<br />

Denn nur in strukturierter Form ist das religiöse Grundwissen<br />

anschlussfähig an das Wissen anderer Fächer und anderer<br />

Lebensbereiche.<br />

Die Frage, welche Inhalte in welchem Umfang und auf welchem<br />

Niveau im Religionsunterricht der Sekundarstufe I realistischerweise<br />

vermittelt werden können, ist nicht leicht zu beantworten.<br />

Die Autoren der Kirchlichen Richtlinien haben in<br />

Anlehnung an die bestehenden Lehrpläne für Real- und Gesamtschulen<br />

inhaltsbezogene Kernkompetenzen definiert und<br />

diese durch Spiegelstriche konkretisiert. Aufgrund der Unterrichtserfahrung<br />

kann man davon ausgehen, dass die fettgedruckten<br />

Kernkompetenzen auch tatsächlich in der Sekundarstufe I<br />

erworben werden können, bei einzelnen Spiegelstrichen mag das<br />

hingegen fraglich sein.<br />

Kompetenz wird von den Autoren der Klieme-Expertise primär<br />

als Fähigkeit zur Problemlösung verstanden. Entsprechend sollen<br />

<strong>beim</strong> Wissenserwerb die möglichen Anwendungssituatio-<br />

22<br />

nen mitbedacht werden. 10 Im Unterschied zum Mathematikoder<br />

zum Fremdsprachenunterricht in der Spracherwerbsphase<br />

kann das Wissen im Religionsunterricht nicht einfach an Anwendungskontexte<br />

gebunden werden. Wissen ist nicht gleich<br />

Wissen. Hilfreich ist hier die Unterscheidung von Verfügungsund<br />

Orientierungswissen, die Willi Oelmüller in den 80er Jahren<br />

in die Debatte eingeführt hat. 11 Jürgen Mittelstraß definiert<br />

Verfügungswissen als „Wissen um Ursachen, Wirkungen und<br />

Mittel; es ist das Wissen, das Wissenschaft und Technik unter<br />

gegebenen Zwecken zur Verfügung stellen“ 12 . Orientierungswissen<br />

hingegen ist „ein Wissen um gerechtfertigte Zwecke und<br />

Ziele; gemeint sind Einsichten, die im Leben orientieren (zum<br />

Beispiel als Orientierung im Gelände, in einem Fach, in persönlichen<br />

Beziehungen), aber auch solche, die das Leben orientieren<br />

(und etwa den ‚Sinn‘ des eigenen Lebens ausmachen).“ 13<br />

Zum Orientierungswissen gehört auch das religiöse Wissen. Eine<br />

biblische Geschichte oder ein Gebet können nicht einfach auf<br />

eine Situation angewandt werden. Der christliche Glaube ist<br />

keine Problemlösungs- oder Lebensbewältigungsstrategie, die<br />

man funktional und effizient anwenden könnte. Der Glaube<br />

verändert vielmehr die Erkenntnis und Deutung von Lebenssituationen<br />

und Problemen, indem er sie auf ein umfassenderes<br />

Verständnis von Wirklichkeit und Wahrheit bezieht. Religiöses<br />

Wissen wird nur dann zum Orientierungswissen, wenn seine<br />

Bedeutung für das Leben der Schülerinnen und Schüler deutlich<br />

wird. 14 Ohne den Subjektbezug verliert es seine Orientie-<br />

Literatur zum Nachlesen<br />

Eckhard Klieme u.a., Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards.<br />

Eine Expertise, hg. v. Bundesministerium für<br />

Bildung und Forschung, Berlin 2003.<br />

Ulrich Hemel, Ziele religiöser Erziehung. Beiträge zu einer<br />

integrativen Theorie, Frankfurt/M. 1988.<br />

Kirchliche Richtlinien zu Bildungsstandards für den katholischen<br />

Religionsunterricht in den Jahrgangsstufen 5-10/ Sekundarstufe<br />

I (Mittlerer Schulabschluss), hg. v. Sekretariat<br />

der Deutschen Bischofskonferenz (= Die deutschen<br />

Bischöfe 78), Bonn 2004.

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