Jahresbericht 2009-Japanologie - Japanologie - Goethe-Universität
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sowie einen gesellschaftlichen Zusammenhang eingeordnet. Bereits in Deutschland habe ich<br />
eine Vorauswahl der Diskutanten getroffen, sie angeschrieben und Gesprächstermine mit ihnen<br />
vereinbart. Da mir die wichtigsten Monographien von Deutschland aus zugänglich waren, ging<br />
ich mit fundiertem Hintergrundwissen in die Interviews, die mir in erster Linie Einsicht über<br />
die Selbsteinschätzung der Diskutanten, aber auch ihre aktuellen Forschungsaktivitäten boten.<br />
Mein erster Gesprächspartner war der Erziehungswissenschaftler Imai Yasuo (<strong>Universität</strong><br />
Tôkyô), der auch auf Deutsch zu japanischer Medienpädagogik publiziert. Ihm habe ich zudem<br />
den Zugang zur Zeitschriftensammlung in den Bibliotheken der Fachbereiche Pädagogik und<br />
Medienwissenschaft zu verdanken. Das zweite Gespräch führte ich mit dem<br />
Vorstandsvorsitzenden der japanischen Computer Entertainment Rating Organisation (CERO).<br />
Beide Gesprächspartner bestätigten meine Auswahl der Diskutanten.<br />
Zu dieser Auswahl zählt der Sozialpsychologe Sakamoto Akira (Ochanomizu<br />
Frauenuniversität), den ich eine Woche später treffen sollte. Er räumte mir anderthalb Stunden<br />
für das Interview ein und stellte mir Artikel zur Verfügung, die meine methodologischen<br />
Fragen beantworteten. Als nächstes bot mir der Sportwissenschaftler Mori Akio (Nihon-<br />
<strong>Universität</strong>) nicht nur die Möglichkeit für ein detailliertes Interview, er führte auch sein<br />
Verfahren zur Messung von Gehirnwellen bei Videospielkonsum vor – an mir selbst. Das letzte<br />
Gespräch, am 24. Dezember, führte ich mit der Psychiaterin Kayama Rika (Rikkyô-<br />
<strong>Universität</strong>), die erst eine Woche zuvor als psychologische Beraterin in einer Talkshow mit Itô<br />
Hiromi zu Gast war. Sie offenbarte mir ihren Standpunkt zu jüngeren Tendenzen im<br />
Videospieldesign, was ihr Standardwerk Terebigêmu to iyashi („Videospiele und Heilung“)<br />
von 1996 um eine ungeahnte Facette bereicherte. Ohne den Aufenthalt in Japan wären mir<br />
diese wichtigen Informationen verwehrt geblieben.<br />
Die übrige Zeit verbrachte ich in den Lesesälen der Sophia- und der Tôkyô-<strong>Universität</strong><br />
sowie dem Japan Education Center. Dort durchsuchte ich pädagogische und psychologische<br />
Zeitschriften, zum Teil aus der Zeit der ersten Spielkonsole für den Heimgebrauch, dem<br />
Nintendo Famirî konpyûta, kurz Famikon (1983).<br />
Der Aufenthalt in Tôkyô selbst war weniger spektakulär. Ich wohnte vergleichsweise<br />
günstig in einem kleinen, für ausländische Studenten eingerichteten Monthly Mansion, pendelte<br />
täglich mit der S-Bahn in die Innenstadt und genoss das Essen in den kleinen Läden, die rund<br />
um <strong>Universität</strong>en verteilt sind. Anfangs war ich froh, der gewohnten weihnachtlichen<br />
Zwangsbesinnlichkeit entkommen zu sein, doch in Tôkyô erwartete mich das genau<br />
entgegengesetzte Extrem. Überall blinkten und funkelten Lichterketten, Glöckchen klingelten,<br />
und aus ungezählten Lautsprechern strömte Christmas-J-Pop (bereits in Deutschland verhasst,<br />
als J-Pop auf die Spitze getrieben: „Last Christmas“). In Zeiten dieser Fest-Reizüberflutung<br />
aber kam Rettung von Seiten des DAAD: Nicht nur lud er zum weihnachtlichen<br />
Beisammensein mit Wein und Stollen in der Zentrale in Roppongi, sogar der deutsche<br />
Botschafter, übrigens ein Alumnus der Frankfurter <strong>Japanologie</strong>, hieß persönlich die DAAD-<br />
Stipendiaten in der Residenz willkommen.<br />
Die letzten Tage vor der Rückreise verbrachte ich nach einem entspannten Jahreswechsel<br />
am heimischen Schreibtisch, der Feiertage wegen. Obwohl ich wohlwissend alle Bücher und<br />
Kopien im Handgepäck untergebracht hatte, hieß es dennoch, für das Übergewicht meines<br />
Reiserucksacks zu zahlen. Ganz spurlos ist Weihnachten in Tôkyô wohl auch an mir nicht<br />
vorübergegangen.<br />
- 79 -<br />
F. Kaiser<br />
Florian Kaiser studiert <strong>Japanologie</strong> im Magister-Studiengang und schreibt derzeit an seiner<br />
Magisterarbeit.