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Wege ins Unsichtbare

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Flaach, im Sommer<br />

Das Heu ist eingetan, der Weizen steht in Garben. Johann kann<br />

sich endlich Ruhe gönnen. Er setzt sich im Garten in den Schatten<br />

des Birnbaumes mit der ‚Neuen Zürcher Zeitung’ und vertieft sich<br />

in die Lektüre. Es gefällt ihm, Neues aus dem Kanton und der Stadt<br />

zu vernehmen, das Leben in der Abgeschiedenheit des Weinlands<br />

war nie nach seinem Geschmack. Landarzt. Hier in Flaach, einem<br />

kleinen Weinbauerndorf, hinter Hügeln versteckt.<br />

Er hatte keine Wahl. Als mittelloser Mediz<strong>ins</strong>tudent war er<br />

auf die finanzielle Unterstützung seines Paten, eines Zürcher<br />

Adeligen, angewiesen. Und nach dessen Pfeife wurde dann<br />

auch getanzt. Früher hat ihn dies verärgert und gekränkt, aber<br />

mit den Jahren ist der Widerstand einer gewissen Zufriedenheit<br />

gewichen. Und heute? Jean, der Älteste, ist in Wien, ach ja. Der<br />

Sohn kann sich im Ausland weiterbilden. Dies und anderes sind<br />

ganz in seinem Sinn.<br />

Er hat wahrgenommen, dass Christine, die Magd, zweimal an<br />

ihm vorbeikam mit Wäschezeinen. Drüben, bei Hürzelers, veranstalten<br />

die Gänse ein Riesengeschrei. Der Bub hat wohl vergessen,<br />

das Gatter zu schliessen.<br />

Flaach, Zürich, Wien. Seltsam, dass gleichzeitig in so ganz<br />

verschiedenen Welten Dinge passieren. Seitdem sie die Poststelle<br />

eröffnen konnten, ist der Blick auf die Welt offener geworden. Alles<br />

ändert sich, neue <strong>Wege</strong> sind eröffnet, die Ferne ist näher gerückt,<br />

aber damit auch das Fremde. Seltsam, vielleicht liegt darin ein<br />

Grund für die Zunahme geistiger Verwirrung?<br />

Eine Bachstelze hat sich auf dem Brunnenrand niedergelassen.<br />

Hinter dem Obstgarten verf<strong>ins</strong>tert sich der Himmel. Johann klemmt<br />

sich wieder die Brille auf den Nasenrücken.<br />

Jetzt bleibt er an einem Artikel über die Eisenbahn hängen. Tatsächlich!<br />

Die Linie Zürich-Schaffhausen wird nun doch noch fertig.<br />

Ob es ihm gelingt, mit der Familie an der Eröffnung teilzunehmen?<br />

Eine Fahrt mit der Eisenbahn. Die Kinder werden begeistert sein,<br />

aber die Frauen? Sie bleiben wohl zäh bei ihren Bedenken! Aber man<br />

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