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Wege ins Unsichtbare

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Vorwort<br />

In seinen autobiographischen Notizen vermittelt der Arzt Jean<br />

Sigg (1831-1912) ein bewegendes Bild seines Lebens und Wirkens.<br />

Sie liegen diesem Roman, dem Folgeband von ‚Jahre der Befreiung’,<br />

zugrunde.<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts wandert Jean nach Wien, Leipzig und<br />

Berlin, um seine Ausbildung als Arzt zu vervollkommnen. Wandert,<br />

denn das Zeitalter der Eisenbahn hat eben erst begonnen, und mit<br />

ihm beginnt sich der technische Fortschritt Bahn zu brechen, dem<br />

auch die Medizin viele Impulse und technische Mittel verdankt.<br />

Zurück in der Schweiz, die ihm klein und rückständig erscheint,<br />

möchte sich der junge Arzt für den wissenschaftlichen Fortschritt<br />

e<strong>ins</strong>etzen und stösst, wie schon sein Vater, auf politisches Desinteresse<br />

und, wie er es nennt, ‚ärztlichen Schlenderian’.<br />

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ist eine Zeit der kalten,<br />

schneereichen Winter, die das Leben unseres Protagonisten ebenso<br />

zeichnen wie die wiederkehrenden grossen Seuchen: Cholera, Masern,<br />

Typhus, Tuberkulose. Ihnen gilt Jeans unermüdlicher Kampf,<br />

der ihn in die Welt der Mikroorganismen führt, aber auch in das<br />

Elend städtischer Verwahrlosung, die Folgeerscheinung der Industrialisierung<br />

und der Landflucht: Armut, Verelendung, desolate<br />

hygienische Bedingungen.<br />

Die Entdeckung der Bakterien und Viren und ihr Einfluss auf<br />

den Organismus sind Forschungsgegenstand auch im Stübchen<br />

unseres Landarztes, und mit der Evolutionstheorie Darw<strong>ins</strong> verliert<br />

die Theologie im ärztlichen Alltag endgültig an Einfluss.<br />

Der Tod, dieser ‚grausame Würger der Menschheit’, wie Georg<br />

Büchner ihn um 1850 nannte, begleitet unseren Protagonisten im<br />

persönlichen Leben und im beruflichen Alltag. Jean ist genötigt,<br />

mit ihm zu leben. Doch der Verlust an religiöser Verankerung, die<br />

seine Zeit kennzeichnet, lässt ihn den Tod als das noch zu erlegende<br />

Raubtier wahrnehmen. Noch ist der Arzt nicht ein Gott in Weiss,<br />

aber der Wunsch, dank Naturwissenschaft auch ‚dieses Problem’<br />

dere<strong>ins</strong>t lösen zu können, ist ihm nicht fremd.<br />

War damals der Traum vom grenzenlosen Fortschritt Männersache?<br />

Wo standen die Frauen? Neben, sehr oft hinter ihnen. Als<br />

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