Ärzteblatt Oktober 2010 - Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern
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AUSGABE 10/<strong>2010</strong> 20. JAHRGANG<br />
WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG<br />
Die operierte Schußverletzung – eine Kasuistik<br />
und Empfehlungen zur Schußspurensicherung<br />
im klinischen Bereich<br />
F. Zack, J. Manhart, J. Rummel, A. Büttner<br />
Vor dem Hintergrund einer Begutachtung eines Jagdunfalls<br />
aus <strong>Mecklenburg</strong>-<strong>Vorpommern</strong> vor dem zuständigen Amtsgericht,<br />
bei dem das Opfer trotz Notoperationen aufgrund<br />
der Schußverletzungen gestorben ist, stellt sich aus medizinischer<br />
Sicht die Frage, was zu asservieren ist und wie man<br />
am sachdienlichsten mit Asservaten von operierten Schußverletzungen<br />
umgehen sollte.<br />
Sachverhalt<br />
Bei einer Jagd auf Schwarzwild, bei der vier beteiligte Jäger<br />
um ein Maisfeld herum gestanden und geschossen haben,<br />
wird ein 50jähriger Mann durch einen Rumpfdurchschuß<br />
verletzt, an dessen Folgen er 14 Stunden später trotz zweier<br />
Notoperationen und Intensivtherapie verstarb. Todesursache:<br />
hämorrhagischer Schock. Das entsprechende Projektil<br />
sei nicht aufgefunden worden, so daß bei der Beantwortung<br />
der Frage nach dem schuldigen Schützen die Rekonstruktion<br />
der Schußrichtung von entscheidender Bedeutung<br />
wurde. Der Operateur beschrieb den „Einschuß rechts infrascapulär<br />
1 cm Durchmesser“ und den „Ausschuß rechtslateral<br />
Xyphoid ca. 4 cm“. Fotoaufnahmen wurden von den Verletzungen<br />
in der Klinik nicht gefertigt. Beide Schußverletzungen<br />
der Haut wurden nach Exzision an ein Institut für<br />
Pathologie ohne Fragestellung übersandt. Die Diagnose des<br />
untersuchenden Pathologen: „Haut- und Subkutangewebe<br />
aus dem Bereich eines Schußkanals (nach klinischer Angabe)<br />
mit kleinherdiger Nekrose, stärkerer Erythrozytenextravasation<br />
und beginnender entzündlicher Reaktion“. Mit der<br />
gerichtlichen Sektion konnte die Schußrichtung nicht zweifelsfrei<br />
geklärt werden. Das Amtsgericht wertete die klinisch<br />
angegebene Schußrichtung als nicht sicher rekonstruiert,<br />
verurteilte aber den in Frage kommenden Schützen als<br />
verantwortlichen Jagdleiter wegen fahrlässiger Tötung<br />
(„Jahrmarktgeballer“) zu einem Jahr Haft auf Bewährung.<br />
Unseres Erachtens und nach Auffassung des Gerichtes hätte<br />
eine Übersendung der unfixierten Exzisate an ein rechtsmedizinisches<br />
Institut viel eher zur Aufklärung des Tatgeschehens<br />
beitragen können. Um einen Einblick in die Praxis der<br />
Chirurgen in <strong>Mecklenburg</strong>-<strong>Vorpommern</strong> bei derartigen Fällen<br />
zu bekommen, entwarfen und verschickten wir folgenden<br />
Fragebogen, der anonymisiert ausgewertet wurde.<br />
Fragebogen<br />
1. Haben Sie Schußverletzte in Ihrer Abteilung operativ<br />
versorgt (seit 1990)?<br />
2. Anzahl der Fälle (geschätzt:………./ gezählt:………..)?<br />
3. Gibt es in Ihrem Haus eine Weisung (Dienstanweisung/<br />
interne Anweisung/Verfahrensanweisung), was bei<br />
Schußverletzungen über die indizierte notfallmedizinische<br />
Behandlung hinaus zu beachten ist (Hautexzisate/<br />
Bekleidung/sachgerechte Asservierung des Projektils<br />
etc.)?<br />
4. Wohin werden entnommene biologische Materialien (z.<br />
B. Hautexzisat) gesandt?<br />
5. Wird das versandte biologische Material mit einer Fragestellung<br />
verschickt?<br />
6. Werden aufgefundene Munitionsteile asserviert und<br />
übergeben?<br />
7. Werden Schußwunden vor Exzision fotografisch dokumentiert?<br />
8. Anmerkungen/Anregungen: ………………....…................<br />
Auswertung<br />
Von 29 angeschriebenen Kliniken mit chirurgischen Einrichtungen<br />
antworteten 26 (90 %). Insgesamt wurden in den<br />
letzten 20 Jahren in diesen Einrichtungen etwa 98 (Anzahl<br />
teilweise geschätzt) Schußverletzte operativ behandelt. In<br />
nur zwei Einrichtungen existiert eine Dienstanweisung. Die<br />
entnommenen Exzisate wurden in etwa 80 % der Fälle in<br />
ein Institut für Pathologie gesandt, zum Teil ohne Fragestellung,<br />
zum Teil mit kaum zielgerichteten Fragestellungen<br />
(z. B. „Schußverletzung?“, „Schußkanal?“). Die aufgefundenen<br />
Projektile wurden in allen Einrichtungen asserviert<br />
und überwiegend (ca. 80 %) an die Kriminalpolizei übergeben.<br />
In etwa 60 % der Kliniken wurden Fotoaufnahmen<br />
von den Verletzungen angefertigt. Nimmt man die Einrichtungen<br />
hinzu, die teilweise fotografierten, erhöht sich der<br />
Prozentsatz auf 86. Unter Anmerkungen wurde zweimal<br />
erwähnt, daß eine Empfehlung für die Dokumentation, Beweissicherung<br />
und Asservierung wünschenswert wäre.<br />
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