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Ärzteblatt Oktober 2010 - Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern

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Den weiteren Lebensweg von Dietrich Mücke überschatteten<br />

die schrecklichen Ereignisse des 2. Weltkriegs. Zunächst wurde<br />

er am 1. April 1939 zum Reichsarbeitsdienst eingezogen<br />

und mußte am 1. September mit der inzwischen als Baukompanie<br />

umfunktionierten Arbeitsdiensteinheit in Polen einmarschieren.<br />

Im November 1939 wurde er zum Studium entlassen<br />

und begann im Januar 1940 mit dem Medizinstudium<br />

in Göttingen. Er schwankte zunächst zwischen Medizin und<br />

Sinologie, entschied sich für Medizin, belegte aber nebenbei<br />

ein Kolleg für Chinesisch, das er mit einer kleinen mündlichen<br />

und schriftlichen Prüfung abschloß.. Das befähigte ihn später,<br />

bei der Unterhaltung mit Doktoranden aus China elementare<br />

Kenntnisse in Chinesisch anzuwenden. Nach vier<br />

Trisemestern legte er das Physikum ab und wurde am 1. April<br />

1941 zur Luftwaffe eingezogen, dort zum Funker ausgebildet.<br />

Unmittelbar vor dem Einmarsch in Rußland wurde er in<br />

den Sanitätsdienst der Luftwaffe übernommen und war den<br />

gesamten Krieg an der Ostfront. Diese Zeit war für ihn mit<br />

vielen, z. T. furchtbaren und unvorstellbaren Erlebnissen und<br />

Situationen verbunden, die er oft nur durch Zufall überlebte.<br />

Er kam auch vor das deutsche Standgericht und war Augenzeuge<br />

bei den Exhumierungen in Katyn. Diese Kriegsereignisse<br />

haben ihn bis heute nicht losgelassen und brechen in<br />

Unterhaltungen mit ihm immer wieder hervor. Der Krieg endete<br />

für ihn im Böhmer Wald am 7. Mai 1945 in amerikanischer<br />

Gefangenschaft. Anfang Juni wurde er entlassen. Da zu<br />

dieser Zeit noch keine Universität geöffnet war, arbeitete er<br />

in Meißen als Dolmetscher für Russisch und später als Famulus<br />

in der Klinik.<br />

Im Januar 1946 setzte Dietrich Mücke sein Medizinstudium<br />

in Leipzig fort, schloß es 1948 mit dem Staatsexamen ab, promovierte<br />

in der Inneren Medizin bei Professor Günther mit<br />

der Arbeit „Die numerische Variabilität der eosinophilen Leukozyten“<br />

und ging zunächst in die Pharmakologie, dann für<br />

zwei Jahre in die Mikrobiologie (damals Hygiene-Institut) zu<br />

Professor Wildführ und schließlich zu Prof. Dr. Dr. Strack in<br />

die Physiologische Chemie.<br />

Ende 1955 habilitierte er in diesem Fach, wurde 1956 zum<br />

Dozenten ernannt und am 1. September 1959 an die Universität<br />

Rostock als Professor und Direktor des Instituts für Physiologische<br />

Chemie berufen. Damit verbunden war auch der<br />

Umzug des Instituts aus der Gertrudenstraße in die Schillingallee<br />

70. Prof. Mücke ging der Ruf voraus, ein strenger Hochschullehrer<br />

zu sein, was sich später relativierte. Am 1. September<br />

1986 wurde er emeritiert.<br />

Prof. Mücke hat in fast drei Jahrzehnten während seines Wirkens<br />

gemeinsam mit dem Anatom Prof. G.-H. Schumacher<br />

und dem Physiologen Prof. A. Beckmann die vorklinische<br />

AUSGABE 10/<strong>2010</strong> 20. JAHRGANG<br />

PeRSONALieN<br />

Ausbildung der Medizin- und Zahnmedizinstudenten geprägt<br />

und den Grundstein für den guten Ruf der vorklinischen Medizinausbildung<br />

in Rostock gelegt. Die Belange der Studenten<br />

standen stets im Mittelpunkt seiner Tätigkeit als Hochschullehrer.<br />

Obwohl streng in seinen Anforderungen im Vorfeld<br />

von Prüfungen, war er in Prüfungen dagegen milde.<br />

Während dreier Wahlperioden von 1969-1978 war er Dekan<br />

der Medizinischen Fakultät. Er nahm Gastprofessuren in Kairo,<br />

Alexandria, Bagdad, Basra, Damaskus sowie in Santa Clara<br />

und Santiago auf Kuba wahr. Von ihm wurden Doktoranden<br />

aus Ägypten, China und Kuba betreut. Seinen Mitarbeitern<br />

gab er die notwendigen akademischen Freiheiten zur<br />

wissenschaftlichen Profilierung. Aus dem Institut sind unter<br />

seinem Direktorat sieben Mitarbeiter als Hochschullehrer<br />

berufen worden.<br />

Seine Forschungstätigkeit konzentrierte sich zunächst auf<br />

den Stoffwechsel von Mikroorganismen. Besondere Verdienste<br />

hat sich Prof. Mücke aber dann bei der Entwicklung der<br />

Immunologie erworben. Immunchemische Arbeiten wurden<br />

im Institut für Physiologische Chemie seit 1963 durchgeführt,<br />

die 1971 zur Gründung einer Forschungsabteilung für Immunologie<br />

führten, aus der 1984 das Institut für Immunologie<br />

hervorging.<br />

Professor Mücke hat 116 Arbeiten publiziert, 75 Vorträge gehalten,<br />

ein Buch verfaßt und zwei Buchbeiträge geschrieben.<br />

1960 wurde er als Affiliate in die Royal Society of Medicine<br />

(London) gewählt. Seit 1991 ist er Mitglied der Akademie<br />

gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt.<br />

Nicht unerwähnt bleiben, darf seine Frau, die ihm immer den<br />

Rücken freigehalten hat, damit er ungehindert seinen beruflichen<br />

Verpflichtungen nachgehen konnte.<br />

Es ist immer eine Freude und persönlicher Gewinn, sich mit<br />

Professor Mücke zu unterhalten. Seine Bildung und seine Erfahrungen<br />

aus neun Jahrzehnten, ausgehend von seiner<br />

Schulzeit über den zweiten Weltkrieg, Studium und Nachkriegsentwicklungen<br />

auf wissenschaftlichem sowie politischem<br />

Gebiet, machen ihn zum interessanten Gesprächspartner<br />

und Zeitzeugen.<br />

Professor Mücke ist jung geblieben, denn „Jugend kennzeichnet<br />

nicht einen Lebensabschnitt, sondern eine Geisteshaltung“<br />

(DouglasMac Arthur).<br />

Wir wünschen dem Jubilar weiterhin beste Gesundheit und<br />

viele erholsame Sommer in seiner „Sommerresidenz“ in Börgerende.<br />

Josef Brock<br />

Seite 383

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