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ser Welt besonders brauchbar zu machen, sie den eigenen Maßstäben<br />
gemäß in besonderer Weise zurechtstutzen.<br />
Kein Zweifel, die Religion ist für uns das allerhöchste Unentbehrliche;<br />
aber gerade deshalb wird, sobald man sich anschickt, sie sich<br />
brauchbar zu machen, eben diese ihre allerhöchste Unentbehrlichkeit<br />
zerstört. Gerade weil sie jenseits der kleinen Unterschiede<br />
von Land, Zeit und Volk, weil sie makellos und unveränderlich ist,<br />
ist sie für alle unsere Tage, für alle unsere Lebenslagen so überaus<br />
unentbehrlich. Gerade weil sie jenseits von uns ist, gibt sie uns für<br />
ewige Zeit bei allen Veränderungen festen Halt.<br />
Aber die Religion muss man sich doch vorstellen! Möchte man sie<br />
sich vorstellen, so muss man sie unserer Natur gemäß gestalten.<br />
Doch die Natur des Menschen ist mannigfaltig; folglich wird gemäß<br />
dieser Mannigfaltigkeit das, was eins ist, zu vielem. Wo vieles<br />
ist, dort ist Kompliziertheit unvermeidlich; wo Kompliziertheit ist,<br />
dort kommt von alleine Hader hinzu.<br />
Aber die Religion braucht man sich nicht vorzustellen! Gott, der<br />
Herrscher über die Religion, ist jenseits der Vorstellung. Was wir<br />
uns vorstellen, ist nicht er, es ist irgendetwas anderes; das ist nicht<br />
Religion, das ist die Welt. Folglich offenbaren sich darin alle Merkmale<br />
der Welt. Das Merkmal der Welt ist Mannigfaltigkeit, das<br />
Merkmal der Welt ist Hader.<br />
Durch das, was wir uns vorstellen können, endet unsere Zufriedenheit;<br />
in dem, was wir uns vorstellen, kann jeden Augenblick<br />
eine Veränderung stattfinden. Gerade in der Hoffnung auf Glückseligkeit<br />
schicken wir uns an, uns alles vorzustellen; aber durch<br />
das, was wir uns vorstellen, endet unsere Glückseligkeit. Deshalb<br />
steht in der Upanischad:<br />
yo vai bhûmâ tat sukham nâlpe sukham asti<br />
Was Fülle ist, das eben ist Glückseligkeit; was wenig ist, darin ist<br />
keine Glückseligkeit.<br />
Wenn wir jene Fülle zu wenigem machen, um sie unserer Vorstellung<br />
anzupassen, dann wird das Leid verursachen; wie aber soll<br />
man sich vor dem Leid schützen? Deshalb muss man in der Welt<br />
verhaftet die Fülle wahrnehmen; doch darf es nicht angehen, dass<br />
man jene Fülle durch die Welt zerstückelt und vermengt.<br />
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