03.12.2012 Aufrufe

Hugo Schuhmacher - Casa del Arte

Hugo Schuhmacher - Casa del Arte

Hugo Schuhmacher - Casa del Arte

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

schweizerischen Szene, die mit ihrer ausholenden Risikolosigkeit & sich in Lange -<br />

weile verzehrenden Erwartungs-Horizonten (ausser man wäre gerade auf Schleich -<br />

wegen zurückgekehrt aus dem unheimlichen New York, New York mit noch abgemarktetem<br />

Seetang auf der Zunge) letztlich nicht viel anzubieten hatte wie unter<br />

Umständen etwa schöpferische Perspektiven in die Zukunft hinaus. Gespräche unter<br />

einem verheissungsvolleren Stern. Der Verdacht, es würde sich dabei um halboffizielle<br />

Fluchthilfe han<strong>del</strong>n, gefällt mir ausgesprochen, hätte ich doch als notorischer<br />

Nest beschmutzer schon allein beim Beziehen eines Ateliers in dieser grauenhaften<br />

Zürich-City meine Sorgen. Auch falls mir im würdigen Bewusstsein meiner Verdienste<br />

eine ausgediente Fabrikhalle zuerkannt würde & es vom Fenster hinunter möglich<br />

wäre, wirklich eine jener unheimlichen Taten abzulichten. Mich würde es übrigens<br />

wun dern, fände H. S. jemals "seinen Stil". Sein ständiges Infragestellen, ohne die<br />

ma lerischen Mittel zu vergessen, empfand ich seit eh & je als die nützlichste Wirkung<br />

seines Tuns. Leidenschaftliche Kontroversen wurden dadurch unumgänglich & zwangen<br />

einen aus der komfortablen Sitzecke heraus. Auf diese Weise wurde man zum<br />

Beteiligten, Betroffenen & Befragten. Zürichs New York heisst Rücksicht, Rücksicht<br />

auf fast alles - vielfältige Interessen, die auch wirtschaftlicher, nicht nur sozialer<br />

Natur sind: hygienische Kunsthandlungen, aus eigenen Gnaden erklärte Kultur-<br />

Häupt linge, Institute ... etc., selbst avantgardistischer Fortschritt berücksichtigt sich.<br />

Darum ging es uns nicht, einer vielleicht lästigen Konkurrenz den Angstschweiss auf<br />

ihre ohnehin bleiche Stirn treiben zu lassen, sondern ob unsere Herausforderung an -<br />

ge nommen würde. Ein zentrales Thema seiner Arbeit, & das darf für ein wirklich<br />

grundlegendes Verständnis nicht ausser acht gelassen werden, ist die in beinahe<br />

restlos alle Lebensbereiche greifende Entfremdung, erzeugt durch ein Fremdsein in<br />

einer fremden Welt. Auf einer kurzen Stippvisite bei H. S. fiel zwischen anderen Er -<br />

ledigungen das vieles erklärende Wort "Trophäe" (gr., im alten Griechenland Sie -<br />

gesmal aus erbeuteten Waffen, Siegeszeichen; Jagdbeute - laut Duden). In seinem<br />

Schlafzimmer hing naturalistisch gemalt ein von seinem Leib abgetrennter Thun -<br />

fischkopf. Ein entleibter Fischkopf ist vordergründig betrachtet eher ein Zeichen für<br />

einen wahnwitzigen Tod, ohne den abgestaubten Stolz, den vielleicht ein stattliches<br />

sechzehnendiges Hirschgeweih über irgendeiner Kommode noch ausstrahlen würde.<br />

Das wäre eine ungenügende Deu tung, beschäftigt H. S. sich doch mit dem & nicht nur<br />

an unseren Meeren betriebenen Raubbau, was keineswegs heissen mag, er wäre<br />

gegen ein sinnvolles Befischen. Schliesslich ist das Jagen eines der ältesten Hand -<br />

werke des Menschen. Trophäen sagen weniger über sich selber aus, aber dafür mehr<br />

über diejenige, welche sie er beuteten. Indirekt verwendet er sich aus eigenen<br />

Erlebnissen heraus, einem längeren Sizilienaufenthalt, für die hart eingespannten<br />

Fischer, die, obwohl sie zu den kleinsten Nutzniessern ihres Erwerbes gehören, ge -<br />

zwungen sind, von dem am Aussterben bedrohten Thunfisch zu leben, besitzen sie<br />

doch in einer durchmonopolisierten Fi schereiwirtschaft nicht die Befehlsgewalt über<br />

deren fabrikmässig ausgerüstete Flotten. Sie verrichten eine von ihrer ursprünglichen<br />

Tätigkeit entfremdete Arbeit. Natürlich ist zu vermuten, dass viele Fragen schon beim<br />

täglichen Betreten der Küche beginnen. Nichts gegen die Eisschränke, ausser man<br />

liesse sich von ihnen in einen mystischen Bann schlagen.<br />

*<br />

Zürich, den 20. Oktober 1977<br />

*<br />

Galerie Baviera, Schulze & Baltensperger, Zürich *

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!