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Hugo Schuhmacher - Casa del Arte

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Vorgenommen hatte sich der 1944 geborene Silvio R. Baviera die Schrift stellerei,<br />

geworden ist er Schriftsteller, Künstler, Galerist, Kunsthändler, Ver leger, Anreger und<br />

Auf reger. Und mit einem eigenen Verlag, einer Galerie und einem Museum im Kreis<br />

4 schuf er eine Art «kulturelle Klimazelle». Das Helm haus Zürich stellt das «Phä no -<br />

men Baviera» in einer umfassenden Schau vor, die von einer tausendundeinundzwanzigseitigen<br />

Arbeitsbiographie, einem akri bischen Verzeichnis seiner Taten und<br />

Wer ke, begleitet wird.<br />

Neben der Dokumentation seiner verlegerischen Arbeit, der Hommage an seine Brü -<br />

der Peter, Michael und Vincenzo, die je mit einer Installation vertreten sind, eigenen<br />

schrift stellerischen und wortbildnerischen Werken sowie Do kumenten kollaborativer<br />

Ak tionen von Künstlerfreunden, bildet die Prä sentation seiner Bildersammlung, die<br />

sich im grossen Saal von der Decke bis zur Bodenleiste ausbreitet, das Zentrum der<br />

Aus stellung. Diesen Bereich widmet Baviera , der sich selbst als «politischer und kultureller<br />

Selbstversorger» ver steht und sich die «Durchtunnelung der Normalität» vor -<br />

ge nommen hat, den mutigen Sammlern junger Kunst.<br />

Zeichnungen, Gemälde, Photographien, weder stilistisch noch inhaltlich ge gliedert,<br />

reihen sich alphabetisch aneinander und sprechen von der Passion des Besitzers, der<br />

schon früh junge Talente aufspürte, sie mit Ankäufen unterstützte und, auf den Wer -<br />

ken sitzengeblieben, zum Kunstsammler wurde. Figurative Kunst vorwiegend neoex -<br />

pres sionistischer Prägung aus dem deutsch sprachigen Raum gruppiert sich um die<br />

phantastisch-realistischen Schöp fungen des Zürchers Friedrich Kuhn, das Herzstück<br />

der Sammlung. Baviera ergriff, was ihm zufiel, und trieb es weiter. 1966 gründete er,<br />

um seine ersten literarischen Erzeugnisse und die seiner Freunde zu verbreiten, den<br />

Verlag «Um die Ecke».<br />

Vier Jahre später wurde daraus die Edition, und als sich mit einer bibliophilen Aus -<br />

gabe von Friedrich Kuhn der kommerzielle Erfolg einstellte – inzwischen sind 25 Pu -<br />

bli kationen zeitgenössischer Kunst der Schweiz erschienen –, in vestierte er das Geld<br />

in die Galerie. Filialen in Biel und Cavigliano kamen hinzu, und 1990 eröffnete er das<br />

Museum. Bei den letzten Stadtratswahlen ist der Anwalt des Anarchischen, für den<br />

Kunst und Leben eine Einheit bilden, mit dem Slogan «Wohlstand und Kultur» in den<br />

Wahl kampf gezogen. Die Wahl propaganda in die Briefkästen stecken half ihm<br />

Susann Walder, die im Kleinen Helmhaus gegenwärtig ihre «Happy Christmas Show»<br />

als Kosmos der versammelten Vorweihnachtsklischees zelebriert. Schon von weitem<br />

durch das Sehnsuchtsgeträller aus der Konserve angelockt, betritt man die Welt der<br />

leidenschaftlichen Rollenspielerin, deren Repertoire von der Rotz göre bis zur feinen<br />

La dy reicht.<br />

Photos von unsäglich hilflos dekorierten Weihnachtsschaufenstern zieren die Wände<br />

in Teenagerpostermanier. Mini-Plastic-Kakteen im Babysöckli auf Styroporsockel und<br />

von der Decke hängende Tannzapfen an Kletterseilen sind nur einige der amüsant<br />

beelendenden Köstlichkeiten des vorweihnachtlich schrägen Augenschmauses. Un -<br />

ver hohlen lustvoll und absichtlich dilettan tisch inszeniert, entfalten die kitschig-schönen<br />

Requisiten der sentimentalen Art gnadenlos ihre Hohlheit. Kunst und Leben lassen<br />

sich bei der «Crossover-Künstlerin» Susann Walder, der das Christ baumgemälde<br />

plötzlich zum Kriegs bild geraten ist, ebensowenig trennen wie bei Silvio R. Baviera.<br />

Zürich, Helmhaus, bis 26. Januar 1997.<br />

Ludmilla Etter, Neue Zürcher Zeitung<br />

Mai 2000<br />

Klein und fein: Palazzo Baviera

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