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Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio

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Ausbildungden kann, ist zweifelhaft. Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht unterstreichtzwar die Unmöglichkeit Kunst zu definieren 14 (sog. offener Kunstbegriff),im Mephisto-Beschluss 15 hat es die Kunst aber beschrieben als„freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erlebnisse desKünstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zurunmittelbaren Anschauung gebracht werden“ 16 . Demnach könnteShoefiti durchaus als Kunst angesehen werden (<strong>und</strong> eine Duldungspflichtdes Eigentümers begründen), zumal es <strong>für</strong> die Bejahung vonKunst unerheblich ist, welches Niveau das Objekt hat. 17 Insbesonderespielt es keine Rolle, ob das Objekt als künstlerisch hochwertig oderals profan angesehen wird. <strong>Die</strong> Kunstfreiheit endet aber dort, wo nurgelegentlich durch eine künstlerische Betätigung eigenmächtigRechte anderer verletzt werden (sog. „Unfriedlichkeit der Kunst“).Wer z.B. Bauwerke mit Farbe besprüht (Graffiti) <strong>und</strong> damit den Tatbestandder wiederholten <strong>und</strong> fortgesetzten Sachbeschädigung(§§ 303 II, 304 II StGB) begeht, kann sich im Ergebnis nicht aufKunstfreiheit berufen. Denn deren Reichweite erstreckt sich nicht aufdie eigenmächtige Inanspruchnahme oder Beeinträchtigung fremdenEigentums zum Zwecke der künstlerischen Entfaltung (sei es imWerk- oder Wirkbereich der Kunst). Überdies enthält das Eigentumsgr<strong>und</strong>recht(Art. 14 I GG) gleichfalls eine Verbürgung von Freiheit;nach den vom Gr<strong>und</strong>gesetz getroffenen Wertungen steht esnicht prinzipiell hinter der (vorbehaltlos gewährleisteten) Freiheitder Kunst zurück. Kunst kann sich auch ohne Beschädigung fremdenEigentums entfalten. 18Ist mit dem Shoefiti also eine Funktions- oder Substanzbeeinträchtigungoder eine Gefahr hier<strong>für</strong> verb<strong>und</strong>en, wird das Ergebnis einerAbwägung nur so aussehen können, dass eine Duldungspflicht desEigentümers nicht besteht. Er kann Unterlassung <strong>und</strong> Beseitigungverlangen. In übrigen Fällen, in denen lediglich das Erscheinungsbildverändert wird, könnte das Ausschließlichkeitsrecht des Eigentümersgem. § 903 BGB <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>ene Unterlassungs- <strong>und</strong> Beseitigungsanspruchgem. § 1004 I BGB – wie sich aus § 1004 II i.V.m.§ 906 I <strong>und</strong> II BGB ergibt – ausgeschlossen sein, wenn es sich lediglichum eine unwesentliche Beeinträchtigung in der Benutzung desGr<strong>und</strong>stücks (§ 906 I BGB) handelte.Liegen aber die Voraussetzungen des § 1004 I S. 1 BGB vor, ist derAnspruch dem Wortlaut nach auf die Beseitigung der Störungsquelle<strong>für</strong> die Zukunft gerichtet, nicht auch auf die Behebung derdurch die Beeinträchtigung verursachten Schäden („Folgeschäden“).Für diese kommen an sich nur (meist verschuldensabhängige)Schadensersatzansprüche (etwa aus § 823 I BGB) in Betracht. DerBGH gleicht allerdings den Umfang des – verschuldensabhängigen– Schadensersatzan spruchs aus § 823 I BGB an die verschuldensunabhängigeBeseitigung nach § 1004 I S. 1 BGB an <strong>und</strong> bejaht auch<strong>für</strong> die Beseitigung der durch die Beeinträchtigung verursachtenSchäden einen Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichenZustands. 19 Gem. § 1004 I S. 2 BGB kann – ggf. neben dem Anspruchaus § 1004 I S. 1 BGB – die Unterlassung einer drohenden Beeinträchtigungverlangt werden.b) Selbsthilferecht des Besitzes aus § 859 I BGB14 BVerfG NJW 2001, 596 (Verunglimpfung des Staates); BVerfGE 67, 213, 225 f. (AnachronistischerZug).15 Zu dieser Entscheidung des BVerfG vgl. auch <strong>Iurratio</strong>-Karteikarte Öffentliches Recht VerfR 3003.16 BVerfGE 30, 173, 189 (Mephisto).17 BVerfG NJW 2001, 596, 597 (Verunglimpfung des Staates); BVerfGE 81, 298, 305 (Verunglimpfungder Nationalhymne); 81, 278, 289 (Verunglimpfung der B<strong>und</strong>esflagge); vgl. auch BGH NJW 2001, 603,604 (K´s Mattscheibe) mit Bespr. v. v. Becker, NJW 2001, 583 ff.18 BVerfG NJW 1984, 1293 („Sprayer von Zürich“).19 BGH NJW 1997, 2234, 2235; Hütte/Hütte, SachenR I, 5. Aufl. 2011, Rdnr. 686 ff.Des Weiteren ist an das Selbsthilferecht des Besitzers wegen Besitzstörungzu denken. Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitzentzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz dieEntziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht,§ 858 I BGB). Gegen diese Besitzstörung darf sich der Besitzermit Gewalt wehren (sog. Besitzwehr), d.h. er darf sich gegeneine durch verbotene Eigenmacht verursachte drohende oder nochandauernde Beeinträchtigung des Besitzes durch Anwendung vonGewalt wehren, § 859 I BGB.Eine Besitzstörung ist jede sonstige Beeinträchtigung der tatsächlichenSachherrschaft, die nicht als Besitzentziehung einzustufenist. Besitzstörungen können in physischen Einwirkungen jedwederArt bestehen. <strong>Die</strong>s kann durch eine Sachbeschädigung der Fall seinsowie durch sonstige Einschränkungen des bestimmungsgemäßenGebrauchs. Als Besitzstörung ist bspw. das Abklemmen von Versorgungsleitungen(z.B. <strong>für</strong> Gas, Wasser, Strom) 20 angesehen worden.Shoefiti kann als Besitzstörung angesehen werden, wenn damit etwaein Kurzschluss verursacht wird, der zur Unterbrechung der Energieversorgungführt.<strong>Die</strong> Besitzstörung ist nur ausnahmsweise – bspw. in den Fällen der§§ 227, 228, 859, 904-906, 962, 867 BGB – gestattet. Eine Güterabwägungist – anders als bei der Notwehr im Rahmen der Angemessenheit– nicht vorzunehmen. Gleichwohl sind bei Abwehr der Besitzstörungnur die objektiv erforderliche Gewalt <strong>und</strong> das den Störeram wenigsten gefährdende Mittel erlaubt. Erforderlich ist ein Mittel,wenn es unter gleich wirksamen Mitteln das mildeste darstellt. DerBesitzer muss sich also nicht auf ein unwirksames – weil besondersschonendes – Mittel verweisen lassen. Daneben existieren Missbrauchsgrenzen,bei deren Überschreitung die Erforderlichkeit desGewaltmittels ausgeschlossen ist (bspw. Lebensgefährdung wegenStörung des Besitzes durch Shoefiti).c) Notwehrrecht des Eigentümers/Besitzes aus § 227 BGBAuch das in § 227 BGB geregelte Notwehrrecht erlaubt die Gewaltanwendungbei einer gegenwärtigen <strong>und</strong> rechtswidrigen Beeinträchtigungvon Rechtsgütern.d) Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag, § 677 ff. BGB<strong>Die</strong> Kosten der Beseitigung der durch Shoefiti verursachten Schädenbzw. Folgen trägt naturgemäß der Störer, da er die Beeinträchtigungzu beseitigen hat. Der Eigentümer bzw. Besitzer der durch Shoefitibeeinträchtigten Sache kann aber unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführungohne Auftrag (§ 677 ff. BGB) die Beseitigung vornehmen<strong>und</strong> erstattet verlangen. Nach der Legaldefinition in § 677 BGBhandelt es sich um eine Geschäftsführung ohne Auftrag (im Folgenden:GoA), wenn jemand (Geschäftsführer) ein Geschäft <strong>für</strong> einenanderen (Geschäftsherr) führt, ohne von ihm beauftragt odersonst dazu berechtigt zu sein. Im Fall des Shoefiti dürfte ein Auftragnicht vorliegen.In diesem Fall entsteht unstreitig ein gesetzliches Schuldverhältnis,bei dem der Geschäftsherr dem Geschäftsführer diejenigen Aufwendungenzu erstatten hat, die dieser den Umständen nach <strong>für</strong> erforderlichhalten durfte (§§ 683 S. 1, 670 BGB). In Fällen des § 679 BGBsteht der genannte Aufwendungsersatzanspruch dem Geschäftsführerselbst dann zu, wenn die Übernahme der Geschäftsführung zudem Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht (§ 683 S. 2BGB).20 OLG Köln NJW-RR 2001, 301, 302; LG Mannheim WuM 1963, 167, 168.202<strong>Iurratio</strong>Ausgabe 4 / 2011

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