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Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio

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SchwerpunktStrafbarkeit der Zwangsheirat nach § 237 StGB –Überblick über den neu eingeführten Straftatbestand <strong>und</strong> dessenmögliche Einbindung in die Fallbearbeitungvon dipl. <strong>iur</strong>. Tamina Preuß (Würzburg) 1A. EINLEITUNG UND ENTSTEHUNGSGESCHICHTE 1In den vergangenen Jahren ist die Problematik der Zwangsheirat immerweiter in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Unter Zwangsheiratversteht man die Eheschließung, wenn mindestens einer derEheschließenden durch eine Drucksituation zur Ehe gezwungen wird,mit seiner Weigerung kein Gehör findet oder es nicht wagt, sich derEheschließung zu widersetzen, weil Eltern, Familie, Verlobte(r) <strong>und</strong>Schwiegereltern Druck ausüben 2 . Obwohl es repräsentative Zahlenüber das Ausmaß in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland bislang nichtgibt 3 , wird seitens der Opferorganisation TERRE DES FEMMES,Menschenrechte <strong>für</strong> die Frau e.V. davon ausgegangen, dass jedes Jahrüber 1.000 Mädchen <strong>und</strong> Frauen von einer Zwangsverheiratung betroffenoder bedroht sind 4 .Strafrechtlich war die Zwangsheirat bislang als Regelbeispiel <strong>für</strong> einenbesonders schweren Fall der Nötigung in § 240 IV Nr. 1 StGBa.F., eingeführt durch Art. 1 Nr. 12 des 37. StrÄndG vom 11.02.2005 5 ,sanktioniert. Darüber hinaus waren <strong>für</strong> die hinzutretenden Straftatendie Sexual- <strong>und</strong> Körperverletzungsdelikte einschlägig 6 . In denletzten Jahren wurden zahlreiche Reformvorschläge <strong>für</strong> ein Zwangsheiratsbekämpfungsgesetzunterbreitet, u.a. gingen von den LändernBerlin 7 <strong>und</strong> Baden-Württemberg 8 zwei B<strong>und</strong>esratsinitiativen aus.Mit § 237 StGB wurde durch das Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat<strong>und</strong> zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowiezur Änderung weiterer aufenthalts- <strong>und</strong> asylrechtlicher Vorschriftenvom 23.06.2011 (BGBl. I S. 1266), in Kraft getreten zum 01.07.2011,eine Strafnorm eingeführt, welche die Zwangsheirat gesondert unterStrafe stellt. Ziel des Gesetzgebers ist, der Fehlvorstellung entgegenzu treten „es handele sich [bei der Zwangsheirat] um eine zumindesttolerable Tradition aus früheren Zeiten oder anderen Kulturen“ <strong>und</strong>ein „eindeutiges Signal, dass der Staat den mit einer Zwangsheiratverb<strong>und</strong>enen Eingriff in die Rechte betroffener Personen mit demschärfsten ihm zur Verfügung stehenden Mittel unterbinden will“ zusetzen 9 . Neben § 237 StGB wurden weitere Änderungen im Strafprozessrecht,Aufenthalts- <strong>und</strong> Ausländerrecht sowie im Erb- <strong>und</strong>Eherecht vorgenommen, welche im Rahmen dieses Aufsatzes keineBerücksichtigung finden 10 .<strong>Die</strong> Bedeutung des § 237 StGB <strong>für</strong> die Praxis ist umstritten. Währendnach einer Ansicht die Einführung des gesonderten Straftatbestandssogar dazu führen könnte, dass Opfer, welche die strafrechtlicheVerfolgung ihrer Angehörigen <strong>für</strong>chten, davon abgehalten werden,Schutz bei Hilfseinrichtungen zu suchen 11 , geht eine andere Ansicht1 Tamina Preuß hat Rechtswissenschaft an der Universität Bremen <strong>stud</strong>iert <strong>und</strong> parallel in einer BremerKanzlei mit den Schwerpunkten Straf-, Wirtschafts- <strong>und</strong> Luftverkehrsrecht gearbeitet. Derzeit istsie Doktorandin <strong>und</strong> wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Dr. Schuster am Lehrstuhl <strong>für</strong> InternationalesStrafrecht an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.2 Schubert/Moebius, ZRP 2006, 33 (34).3 Göbel-Zimmermann/Born, ZAR 2007, 54 (54); Yerlikaya/Çakır-Ceylanya, ZIS 2011, 205 (213).4 http://frauenrechte.de/online/index.php/themen/gewalt-im-namen-der-ehre.html, abgerufenam 24.10.2011.5 BT-Drs. 15/3045.6 BT-Drs. 17/4401, S. 9.7 BR-Drs. 436/05.8 BR-Drs. 767/04.9 BT-Drs. 17/4401, S. 9.10 Hierzu Sering, NJW 2011, 2161.11 Yerlikaya/Çakır-Ceylanya, ZIS 2011, 205 (213).davon aus, von einem Straftatbestand könne Signalwirkung ausgehen<strong>und</strong> die Ziele könnten in Kombination mit Aufklärung, Beratungs-<strong>und</strong> Unterstützungsangeboten sowie effektiver Integrationspolitikerreicht werden 12 . Für die Fallbearbeitung wird angenommen,dass mit § 237 StGB sowohl „klassische Themen der Nötigung“ alsauch „‚exotische‘ Fragestellungen“ abgedeckt werden können 13 .Der Schwerpunkt des vorliegenden Beitrags liegt darin, hieran anzuknüpfen<strong>und</strong> eine mögliche Einbindung des § 237 StGB in diejuristische Prüfung aufzuzeigen.B. SYSTEMATIK DER NORM§ 237 StGB ist im 18. Abschnitt des StGB – „Straftaten gegen die persönlicheFreiheit“ – eingeordnet. Geschütztes Rechtsgut ist die Eheschließungsfreiheit14 , welche auch von Art. 6 I GG, Art. 12 EMRK,Art. 9 EuGrCh sowie Art. 16 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechteder Vereinten Nationen geschützt wird <strong>und</strong> sich als besondererFall der von § 240 StGB geschützten Freiheit der Willensentschließung<strong>und</strong> -betätigung einordnen lässt 15 . Ob darüber hinausdie Menschenwürde ein Schutzgut darstellt, wird unterschiedlich beurteilt16 . Nicht geschützt werden die sexuelle Selbstbestimmung <strong>und</strong>der Schutz der Person durch den Rechtsstaat 17 .§ 237 I StGB, als „Gr<strong>und</strong>tatbestand der Zwangsheirat“ 18 bezeichnet<strong>und</strong> als Erfolgsdelikt 19 ausgestaltet, stellt die Nötigung zur Eingehungeiner Ehe unter Strafe. In § 237 II StGB ist – in Anlehnung an denTatbestand der Verschleppung nach § 243a StGB – die Heiratsverschleppungunter Strafe gestellt. <strong>Die</strong>se erfasst Konstellationen, indenen dem Opfer der Schutz, der mit seinem Aufenthalt im Inlandverb<strong>und</strong>en ist, entzogen wird, um es zur Eheeingehung zu nötigen 20 .§ 237 II StGB ist ein sog. „unvollkommen zweiaktiges Delikt“. Dasbedeutet, dass der Täter einen über den Taterfolg hinausgehendenErfolg, in diesem Fall die Eheschließung, intendiert, dessen Eintrittnicht Voraussetzung der Strafbarkeit ist 21 .Für beide Delikte ist in § 237 III StGB die Versuchsstrafbarkeit normiert<strong>und</strong> es besteht nach § 237 IV StGB die Möglichkeit einen minderschweren Fall anzunehmen.C. GELTUNGSBEREICH DES § 237 STGBWenn der Sachverhalt Anlass bietet, ist der zeitliche <strong>und</strong> räumlicheGeltungsbereich des § 237 StGB zu prüfen.12 Göbel-Zimmermann/Born, ZAR 2007, 54 (60); Schubert/Moebius, ZRP 2006, 33 (37).13 Schumann, JuS 2011, 789 (789).14 BT-Drs. 17/4401 S. 1.15 Schumann, JuS 2011, 789 (790).16 Bejahend Letzgus, FPR 2011, 451 (454); ablehnend Eisele/Majer, NStZ 2011, 546 (547).17 Letzgus, in: Strafrechtswissenschaft als Analyse <strong>und</strong> Konstruktion, Festschrift <strong>für</strong> Ingeburg Puppezum 70. Geburtstag, Berlin 2011, S. 1237.18 Sering, NJW 2011, 2161 (2162).19 Valerius, in : Beck'scher Online-Kommentar StGB, 16. Auflage, München 2011, § 237 Rn. 2.20 BT-Drs. 17/4401 S. 12.21 Schumann, JuS 2011, 789 (793).218<strong>Iurratio</strong>Ausgabe 4 / 2011

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