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Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio

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Ausbildungwendung der allgemeinen Rechtsgr<strong>und</strong>sätze keiner vorherigen zwischenstaatlichenÜbung. 47IV. IUS COGENSDas Völkerrecht kennt über die Willensübereinkunft hinaus auchzwingende Rechtssätze (ius cogens). Ein Vertrag, der gegen eine solcheNorm verstößt, ist von Anfang an nichtig (Art. 53 WVK). Unklarist, welche Rechtssätze als zwingendes Völkerrecht zu kategorisierensind. Jedenfalls dürften das Gewaltverbot sowie die Achtung gr<strong>und</strong>legenderMenschenrechte dazu zählen. Aufgr<strong>und</strong> zahlreicher ungeklärterFragen zur Herleitung, Geltung <strong>und</strong> Umfang erscheint das iuscogens als schwer greifbar <strong>und</strong> wurde in der Literatur unter anderemals „international legal Yeti“ 48 bezeichnet. 49F. VÖLKERRECHT UND NATIONALES RECHTWährend das Völkerrecht von den zumeist staatlichen Rechtssubjektenerzeugt wird, betreffen die Inhalte, z. B. bei der Vereinbarungbürgerlicher Rechte, auch Personen, die ihrerseits nur dem innerstaatlichenRecht unterworfen sind. Das Völkerrecht selbst enthältkeine Regeln über die Geltung in den nationalen Rechtsordnungen.Zwei theoretische Gr<strong>und</strong>ansätze erklären das Verhältnis zwischenVölkerrecht <strong>und</strong> nationalem Recht: 50 Der Monismus fasst Völker- <strong>und</strong>Staatsrecht als eine einheitliche Rechtsordnung auf, wobei das „Primat“,also die Überordnung der einen über die andere Rechtsordnungbesteht; nach heutiger Ansicht des Völkerrechts über das Staatsrecht.Völkerrechtliche Normen bedürfen keiner nationalen Umsetzungin innerstaatliches Recht, sondern gelten unmittelbar (Adaptionstheorie,Inkorporation) bzw. bedürfen nur eines innerstaatlichenVollzugsbefehls (Vollzugslehre). Nach heutiger, gemäßigter Ausformungdes Monismus hat das Völkerrecht keinen Geltungsvorranggegenüber entgegenstehendem nationalem Recht, sondern lediglicheinen Anwendungsvorrang. Der Theorie des Dualismus folgend, existierenVölkerrecht <strong>und</strong> nationales Recht als parallele Rechtskreise.<strong>Die</strong> Rechtsordnungen sind durch ihre unterschiedlichen Wirkweisengetrennt: Während das Völkerrecht auf dem Prinzip der Gleichordnungder Akteure beruht, wird nationales Recht vom staatlichen Gesetzgeber<strong>für</strong> die untergeordneten Bürger erlassen. Der gemäßigteDualismus erkennt aber Verschränkungen beider Rechtsordnungen<strong>und</strong> die Notwendigkeit von Kollisionsregeln an. Der Staat selbst bestimmtin seiner nationalen Rechtsordnung das Rangverhältnis zumVölkerrecht. Der Verstoß gegen völkerrechtliche Verpflichtungendurch nationale Normen begründet zwar eine völkerrechtliche Verantwortung,rührt aber nicht an der Wirksamkeit der Normen. Umvölkerrechtliche Normen in die nationale Rechtsordnung einzugliedern,bedarf es der Transformation durch einen hoheitlichen Rechtsanwendungsbefehl(Transformationstheorie). Beide Theorien führenim Wesentlichen zu denselben Ergebnissen.In Deutschland werden völkerrechtliche Verträge durch ein Zustimmungsgesetzgem. Art. 59 Abs. 2 GG Teil des B<strong>und</strong>esrechts im Rangevon B<strong>und</strong>esgesetzen. Da die lex posterior-Regel auch auf sie zutrifft,können sie durch späteres B<strong>und</strong>esrecht geändert werden. Einem dadurchmöglichen Völkerrechtsverstoß wirkt die sogenannte Völker-47 Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 51.48 Czaplinski/Danilenko, in: NYIL 21 (1990), S. 3 (5).49 Siehe zum ius cogens z.B. D`Amato, in: Connecticut Journal of International Law 6 (1990), S. 1 ff.50 Folgende Darstellung orientiert sich an Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Auflage, S. 54-58; Hölscheidt/Ridinger/Zitterbartin: JURA 2005, S. 226, m. N. zu den Begründern der Theorien: Kelsen, Verdross(Monismus),Triepel (Dualismus).rechtsfre<strong>und</strong>lichkeit des Gr<strong>und</strong>gesetzes entgegen, die den Gesetzgeberverpflichtet, Völkerrechtsverletzungen nach Möglichkeit zu unterlassen.51 Enthalten die Verträge Klauseln, die auch als allgemeineRegeln des Völkerrechts gelten, erhalten sie gem. Art. 25 GG einenRang oberhalb von B<strong>und</strong>esgesetzen, aber unterhalb der Verfassung. 52G. DAS ‚PROBLEM‘ DER DURCHSETZBARKEITWie in jeder anderen Rechtsordnung kommt es auch in der völkerrechtlichenPraxis zum Bruch geltenden Rechts. Als Schwäche wirddabei häufig empf<strong>und</strong>en, dass die internationale Ordnung über keineinheitliches Organ zur Durchsetzung <strong>und</strong> keine zentrale Sanktionsmöglichkeitverfügt. Übersehen werden dabei aber, neben der Rolledes UN-Sicherheitsrates als zentrales Durchsetzungsorgan, häufigdie Vorzüge existenter dezentraler Durchsetzungsmechanismen. 53<strong>Die</strong> Handlungsformen der Durchsetzung sind dabei mannigfaltig.So besteht im zwischenstaatlichen Verhältnis (also dezentral) <strong>für</strong> jedenStaat die Möglichkeit, sog. Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Zudiesen zählt einerseits die Reaktion auf völkerrechtswidriges Verhaltenmit völkerrechtlich erlaubten Mitteln (Retorsion), andererseitsdie Reaktion mit einer <strong>für</strong> sich genommen völkerrechtswidrigenMaßnahme (Repressalie). Letztere ist nur zulässig, soweit sie als Reaktionauf eine völkerrechtswidrige Handlung eines anderen Staatesgebraucht wird. <strong>Die</strong> als Repressalie zulässigen Handlungen werdeninsbesondere durch das Gewaltverbot <strong>und</strong> den Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeitbeschränkt. 54Darüber hinaus hat jeder durch rechtswidrig bewaffnete Maßnahmenangegriffene Staat – als Ausnahme vom Gewaltverbot – das Recht zurSelbstverteidigung (Art. 51 UN-Charta). <strong>Die</strong> Voraussetzungen <strong>für</strong>den Auslöser des Selbstverteidigungsrechts, insbesondere die Frageder Zulässigkeit präventiver bzw. präemptiver Selbstverteidigung istim Zuge des war on terror in den Fokus der völkerrechtlichen Diskussiongerückt. 55 Jedenfalls sind die zur Selbstverteidigung ergriffenenMaßnahmen aber am Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit zumessen. 56Neben der Streitbeilegung in diplomatischen Verfahren besteht inzahlreichen Fällen schließlich die Möglichkeit, durch Anrufungeines Gerichts auf völkerrechtswidriges Verhalten zu reagieren. <strong>Die</strong>Parteien können einerseits Schiedsgerichte einrichten <strong>und</strong> über derenBesetzung <strong>und</strong> Zuständigkeitsumfang bestimmen. Andererseitskann auf institutionalisierte Gerichte, wie z.B. den InternationalenGerichtshof in Den Haag (IGH) oder den Internationalen Seegerichtshofin Hamburg, zurückgegriffen werden. In diesen Fällenmüssen sich die streitenden Parteien allerdings der Gerichtsbarkeitunterworfen haben (siehe z. B. Art. 36 Abs. 2 IGH-Statut). <strong>Die</strong>Urteile sind <strong>für</strong> die Parteien bindend (Art. 94 Abs. 1 UN-Charta).Werden sie nicht befolgt, besteht die Möglichkeit, den Sicherheitsratanzurufen (Art. 94 Abs. 2 UN-Charta).Auch bei der Durchsetzung spielt das Individuum nunmehr eine beachtenswerteRolle. Einerseits besteht die Möglichkeit, Rechtsverletzungenz. B. mit einer Individualbeschwerde zum EGMR selbst zurügen. Andererseits können auch Einzelpersonen <strong>für</strong> ihr Verhalten51 BVerfGE 112, 1 (26).52 Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl., S. 57; zur Sonderstellung der EMRK vgl. Grabenwarter, EuropäischeMenschenrechtskonvention, 4. Auflage, S. 18 ff.53 Vgl. dazu auch Vöneky, in: JURA 2007, 488 (489).54 Siehe z.B. Fischer, in: Ipsen, Völkerrecht, 5. Auflage, S. 1098 ff.55 Siehe dazu z.B. Hoffmann, in: GYIL 45 (2002), 9 ff.56 IGH, Case concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, ICJ Rep. 1986,103, Nr. 194; Case concerning Oil Platforms, ICJ Rep. 2003, 196 Nr. 73.208<strong>Iurratio</strong>Ausgabe 4 / 2011

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