4et-al, 1993). Diese Tendenz <strong>zu</strong>r Persistenz besteht nach Bowlby (1988, S. 127) jedoch nichtzwangsläufig, sondern beruht <strong>zu</strong>m einen auf der weitgehenden Konstanz der Art, in der sichEltern ihren Kindern gegenüber verhalten. Zum anderen tendieren die Bindungsmuster imInteraktionssystem mit der sozialen Umwelt <strong>zu</strong>r Selbst-Stabilisierung: Indem sie(insbesondere bei aktiviertem Bindungssystem) das Verhalten des Individuums inBeziehungen steuern, provozieren sie typisches Antwortverhalten der Sozialpartner undwerden durch dieses wiederum bestätigt. So verhalten sich Kinder bzw. Personen mitsicherem Bindungsmuster in Beziehungen unkompliziert, <strong>zu</strong>frieden und <strong>zu</strong>gewandt undbelohnen auf diese Weise andere für deren Zuwendung. Menschen mit unsichervermeidendemBindungsmuster hingegen weisen andere in bindungsrelevanten Situationen<strong>zu</strong>rück, während Personen mit unsicher-ambivalentem Bindungsmuster sich besondersfordernd, anklammernd und mißtrauisch zeigen. Sie provozieren damit Desinteresse oderResignation bzw. Zurückweisung und Distanzierung (vgl. Bowlby, 1988, S. 126 ff.). Sofernsich jedoch die Verhaltensweisen der Eltern ändern oder die Kinder, Jugendlichen oderErwachsenen auf andere bedeutsame Beziehungspartner treffen, deren Verhalten ihrenBeziehungserwartungen nachhaltig nicht entspricht, können sich die Beziehungsmuster auchentsprechend ändern. Veränderungen der Bindungsmuster können auch durch gravierendebindungsrelevante Lebensereignisse bedingt werden (z.B. Trennung der Eltern, schwereKrankheit oder Tod eines Elternteils; vgl. Zimmermann, 1994).Explikatives Konstrukt für die Persistenz der Bindungsmuster ist dieBindungsrepräsentation (Main, Kaplan und Cassidy, 1985). <strong>Der</strong> Begriff geht <strong>zu</strong>rück auf dasvon Bowlby vorgeschlagene Innere Arbeitsmodell des Bindungssystems (Bowlby, 1973, 1982,1988). Es enthält die Erwartungen eines Individuums hinsichtlich der Verfügbarkeit seinerBindungspersonen, insbesondere darüber, a) wer die Bindungspersonen sind, b) wo sie <strong>zu</strong>finden sind, c) wie sie wahrscheinlich reagieren werden und d) für wie akzeptabel oderinakzeptabel sie das Individuum halten (Bowlby, 1973, S. 202 f.). Main, Kaplan & Cassidy(1985) definierten das Innere Arbeitsmodell als "a set of conscious and/or unconscious rulesfor the organization of information relevant to attachment and for obtaining or limiting accessto that information, that is, to information regarding attachment-related experiences, feelings,and ideations" (Main et al., 1985, S. 66 f.).Zur Operationalisierung von BindungsmusternZusammenfassend läßt sich für Operationalisierungen festhalten: Bindungsmuster sindspezifische umschriebene Formen der Organisation des Verhaltens und Erlebens, die alskomplexe adaptive Strategien aufgefaßt werden können, nach denen sich das Bindungssystemeines Individuums organisiert hat. Sie entwickeln sich aufgrund der Interaktionserfahrungenmit den Bindungspersonen und der darauf beruhenden Erwartungen. Diese Strategien bzw.Muster werden wirksam bei aktiviertem Bindungssystem, d.h. in bindungsrelevantenSituationen (Erleben von Kummer und Not sowie von Nähe oder Trennung in engenpersönlichen Beziehungen).Indem Strategien komplexe Formen der Organisation des Verhaltens und Erlebensdarstellen, werden sie am angemessensten als Konfigurationen von Merkmalen / Dimensionenoperationalisiert, somit als Kategorien oder als Prototypen. Dimensionen als Anordnung vonObjekten unter dem Aspekt des Mehr oder Weniger beantworten die Fragen „Wie sehr?“ oder„Wie viel?“, nicht die hier letztlich entscheidenden „Wie?“ oder „Was?“. Ganz in diesemSinne werden Bindungsmuster bei Kleinkindern anhand der Organisation von spezifischenMerkmalen des Interaktionsverhaltens mit der Bindungsperson in der Fremde-Situationidentifiziert (Ainswort et al., 1978).Bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen stützen sich die Operationalisierungen– abgesehen von Ansätzen wie dem von Banse (1998) – <strong>zu</strong>meist auf die Erfassungcharakteristischer Merkmale der Bindungsrepräsentation. Auf einem konfigurativen Ansatz
5beruht das Adult Attachment Interview (AAI; Main und Goldwyn, 1985). Hier erfolgt dieKlassifikation auf der Basis von Interviewdaten, wobei außer der Form der berichtetenBeziehungen <strong>zu</strong> den Bindungspersonen während der Kindheit vor allem auch Art und Niveauder aktuellen Reflexion von Bindungsbeziehungen, die Zugänglichkeit konkreterErinnerungen an Bindungserfahrungen sowie das Einlassen auf das Interview maßgeblichsind.Während das AAI von vorne herein auf die drei bei Kleinkindern <strong>zu</strong>sammenfassendidentifizierten Bindungsmuster begrenzt ist, unterschied Bartholomew (1990) deren vier.Aufgrund widersprüchlicher Befunde bei mittels des AAI als vermeidend-distanziert(„avoidant-detached“) klassifizierten Heranwachsenden (Kobak und Sceery, 1988) nimmtBartholomew innerhalb dieser Kategorie bei Erwachsenen zwei Formen des Vermeidens vonIntimität an: 1. einen ängstlichen Stil mit bewußtem Bedürfnis nach sozialem Kontakt, dasdurch die Furcht vor dessen Konsequenzen gehemmt wird und 2. einen abweisenden Stil(”dismissing”) mit abwehrbedingtem Verleugnen des Bedürfnisses oder Wunsches nachnäherem sozialen Kontakt. Bartholomew ordnet die vier Bindungsmuster den Quadranteneines zweidimensionalen Modells <strong>zu</strong> (vgl. Abbildung 1), das durch die Dimensionen ”Selbst”und ”Andere” mit den Polen ”positiv” vs. ”negativ” gebildet wird. ”Sicher” enthält einepositive Sicht des Selbst und der anderen, ”Besitzergreifend” (preoccupied) bzw.”Ambivalent” eine negative Sicht des Selbst bei positiver Sicht der anderen, ”Ängstlich” einenegative Sicht sowohl des Selbst wie der anderen und ”Abweisend” eine positive Sicht desSelbst bei negativer Sicht der anderen. Die für die Klassifikation relevanten Informationenwerden ebenso wie beim AAI in einem klinischen Interview erhoben (Bartholomew undHorowitz, 1991; Griffin und Bartholomew, 1994 b).Abbildung 1: Das zweidimensionale Modell der Bindungsmuster nach Bartholomew (1990)Selbst+SicherAbweisendAndere+ -BesitzergreifendÄngstlich-