1 Einführung1.4 Wie wirkt sich der Klimawandelaus?Für die meisten Landregionen der Erde gilt es alssehr wahrscheinlich, dass Starkniederschläge infolgedes Klimawandels in den Jahren bis 2050 bzw.2100 an Häufigkeit und Intensität weiter zunehmen(IPCC, 2007). Die Untersuchungen im Rahmen desKooperationsvorhabens „Klimaveränderung undKonsequenzen für die Wasserwirtschaft“ (KLIWA) derLänder Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz zeigen, dass in den vergangenen 80 Jahren dieStarkniederschläge in den Winterhalbjahren deutlichzugenommen haben; für die Sommerhalbjahreist dagegen kein klarer Trend nachweisbar. Wegender Unsicherheiten der Klimamodelle verbleibt insgesamteine Ungewissheit, so dass der Einfluss derglobalen Erwärmung auf die zukünftige Ausprägungvon <strong>Starkregen</strong>ereignissen nicht eindeutig zu benennenist. Es ist bereits möglich, in Simulationsmodellenfür einzelne Standorte sogenannte Regenreihen(möglichst lückenlose Zeitreihen von Niederschlagswerten)zu generieren, die eine Klimaänderung unddie Zunahme von <strong>Starkregen</strong>ereignissen berücksichtigen(z.B. Programmsystem „NiedSim-Klima“).Erste Untersuchungen, die mit solchen synthetischenRegenreihen bei Planungen zur Anlagenbemessungdie Klimaverhältnisse zukünftiger Jahre simulieren,sind erfolgversprechend.Grundsätzlich ist eine Neuorientierung nötig, wegvon sicherheitsbetonten Bemessungs- und Nachweiskonzeptenund hin zu einer Bewertung, die stärkerdas Risiko des Abfluss- und Überflutungsverhaltensvon Entwässerungssystemen berücksichtigt unddaraus entsprechende Maßnahmen ableiten kann.Daneben sollte die Möglichkeit geschaffen werden,flexibel auf Veränderungen reagieren zu können,etwa durch dezentraleMaßnahmender Regenwasserbewirtschaftung.1.5 Was ist in rechtlicher Hinsichtzu beachten?Bei Rechtsfragen in Bezug auf Überschwemmungsschädenstehen zwei Aspekte im Vordergrund:1. Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten der Beteiligten:Welche öffentlich-rechtlichen Pflichten gibtes, insbesondere für die Kommunen, und was könnenund müssen Grundstückseigentümer selbst tun?2. Haftung und Schadensersatz: Wer muss für entstandeneSchäden aufkommen; wer hat wem gegenüberAnspruch auf Schadensersatz?In beiden Fällen ist es entscheidend, zunächst denUrsprung der Wassermassen festzustellen, die einenSchaden verursacht haben. Als Ausgangspunktkommen insbesondere in Frage:• Hochwasser durch den Abfluss aus Gewässern,die bei <strong>Starkregen</strong> über die Ufer treten• Überflutung aus Abwasseranlagen, die dasWasser aus <strong>Starkregen</strong> nicht mehr vollständigaufnehmen können und daher überlaufen(Kanaldeckel werden hochgedrückt), sowieaus der Wege- und Straßenentwässerung• Wild abfließendes Wasser, also die Wassermengen,die bei <strong>Starkregen</strong> auf einer befestigtenoder unbefestigten Oberfläche auftreffen unddem natürlichen Gefälle folgend außerhalbvon Gewässerbetten abfließenDiese Differenzierung ist im Einzelfall nicht immeroffenkundig, und vor allem im Nachhinein wirdeine konkrete Zuordnung meist sehr schwierig. BeiRechtsstreitigkeiten kann sie von Bedeutung sein undmuss gegebenenfalls durch Gutachtenermittelt werden.In diesem Leitfaden soll es wenigerum die Beseitigung und Regulierungvon Schäden gehen, vielmehr stehtdie Prävention im Vordergrund. Daherist der erste der genannten rechtlichenGesichtspunkte vorrangig, nämlichdie Frage etwaiger Zuständigkeiten.Hierauf wird in den nachfolgendenKapiteln an relevanten Stellen nähereingegangen.Abb. 5: <strong>Starkregen</strong>ereignis in Ditzingen10
2 Anleitung zur GefährdungsbeurteilungSofern es bereits bei einem Überflutungsereignis zuSchäden gekommen ist, besteht Handlungsbedarfhinsichtlich der Vorsorge für die Zukunft. Dazu müssenArt und Umfang der aufgetretenen Schäden festgestelltund die verursachenden Faktoren untersuchtwerden. Hierzu wird ein mehrstufiges Verfahren vorgeschlagen,das in Abbildung 7 zusammenfassenddargestellt ist und in den folgenden Kapiteln Schrittfür Schritt erläutert und kommentiert wird.Die Grundlage für eine solche Gefährdungsbeurteilungbildet die örtliche Analyse. Dabei wirdüberprüft, ob, wo und in welchem Umfang Gefährdungspotenzialebestehen. Diese Untersuchung wirdjeder Kommune empfohlen. Sie ist auch dann sinnvoll,wenn in den letzten Jahren keine <strong>Starkregen</strong>ereignisseaufgetreten sind, um die Überflutungsgefahrgrob abschätzen zu können und dadurchPlanungssicherheit zu haben. Falls dabei festgestelltwird, dass ein Gefährdungspotenzial besteht, könnengeeignete Schutzmaßnahmen ausgewählt unddurchgeführt werden.Um exemplarisch darzustellen, wie mit einer örtlichenAnalyse gefährdete Bereiche erkannt werdenkönnen, soll im Folgenden Kaiserslautern-Mölschbachals Beispiel dienen. Dieser Stadtteil, südöstlichdes Stadtzentrums von Kaiserslautern in einem Taldes Pfälzer Waldes gelegen, war am 22. Juli 2006infolge eines <strong>Starkregen</strong>ereignisses in großen Teilenvon Überschwemmungen betroffen. Es kam zu erheblichenSachschäden.Bei komplexen Abflussverhältnissen oder speziellerenFragestellungen kann es erforderlich sein, imAnschluss an die örtliche Analyse eine simulationstechnischeAnalyse vorzunehmen. Diese detailliertere,aber aufwändigere Untersuchung ermöglicht dieweitere Eingrenzung und Differenzierung von Bereichenmit erhöhter Überflutungsgefahr.Die Anwendung und Ergebnisse einer simulationstechnischenAnalyse werden an den Beispielen Stuttgart-Zuffenhausenund Schwetzingen erläutert.Abb. 6: <strong>Starkregen</strong>ereignis in Waiblingen11