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10‒2013 - Von Hundert

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dem Juden Metzger, der als Kind vor den Nazis nach Englandfliehen musste und seitdem dort lebt, schlecht so blöde menschelnddaherkommen, wie du gerade mir. Später hat Metzgerdiese Arbeit variiert, indem er auf einzelne Pkws Glasvitrinengestellt hat, in denen Pflanzen lebten. In diese hat er dann dasAbgas eingeleitet – wiederum ein klarer Verweis auf Umweltzerstörungdurch Autofahren.Koch / Jetzt weichst du meinen Fragen aber geschickt aus.„Menschelnd“ ist übrigens niemals blöde und dir geht es jaauch um die Rettung unserer Gattung, wenn ich dich richtigverstehe. Ich habe dich aber nach deiner Täterperspektivegefragt. Warum der Fokus so stark auf die Autofahrer?Laut ADAC verursachen die Autofahrer samt sonstigem Zulieferverkehr(zum Beispiel für Rotwein aus Italien) 12,5 Prozentder CO2-Emissionen. Sie schreiben, als Lobbyblatt, „nur“12,5%. Ich finde das einen hohen Wert, das rechtfertigt abernicht deinen extremen Fokus auf die Gruppe der Autofahrer.Die Autofahrer selbst machen ja keinen Profit und duschreibst „Autofahrer töten über kurz oder halblang abertausendeMenschen“ und nicht „die Autoindustrie tötet …“ oder„der Milchtrinker tötet“ oder „ich lebe in einem unsaniertenHaus und heize mit Gamat und deshalb töte ich über kurzoder halblang mehrere Menschen“ …Stange / Also nur noch kurz zu den Autofahrern und der Autoindustrie:Da machen sich selbstverständlich beide schuldig,denn die Industrie ist für ihren Profit auf den Käufer und späterenFahrer angewiesen. Und dieser kann sich für vernünftigereAutos als für Luxuswagen oder SUVs entscheiden. Odergar für die Deutsche Bundesbahn.Und noch einmal kurz zu deiner Diskreditierung von (meiner)Haltung: Es ist eine weit verbreitete und wohlfeile rhetorischeStrategie, Haltung einzufordern, die hundertprozentigkorrekt ist. Dass dieses nicht möglich ist, ist (dir) natürlichklar, „im falschen Leben gibt es kein richtiges" (Adorno) undso kann man dann sich politisch engagierende Mensch ganzbequem nicht ernst nehmen.Außerdem: Habe ich nicht selbst in meiner vorletzten Antwortgebeten: „Aber vielleicht sollten wir nicht nur über Autosreden …“?! Denn selbstverständlich gibt es viele andereAspekte, die in unserem Zusammenhang wichtig sind. Etwagenerell den der Abhängigkeit der real existierenden Politikvon den Lobbyisten, der dann dafür sorgt, dass letztlich bei allenUmweltfragen doch immer noch im Sinne der Industrieentschieden wird. Auch da setzt die Verantwortung der Kunstein, denn ihr Betriebssystem ist ein noch relativ unabhängiges– wenn man sich nicht, gleichsam in „selbstverschuldeterUnmündigkeit“ (Immanuel Kant), in die Fänge des (hedonistischen)Kunstmarktes begibt. Dieses wird dann meist gerechtfertigtmit der scheinheiligen Ideologie der „autonomen“Kunst, die sich eben nicht politisch engagieren darf, würde siedann doch ihre vermeintliche Freiheit verlieren. Doch, wiegesagt, da hat Gott sei Dank selbst die letzte documenta nichtmehr mitgespielt.Koch / Ich habe nichts gegen deine Haltung und will sienicht diskreditieren. Ich ärgere mich auch über SUV-Fahrer,genauso über Vielflieger oder die Ich-flieg-mal-kurz-nach-Malle-ist-ja-so-günstig-Flieger. Nur sollte man im Glashausnicht mit einem Maschinengewehr rumballern. Das bringtuns nicht weiter und löst allenfalls Kopfschütteln aus.Aber zurück zur Analyse: Wir Deutschen fühlen uns ja mittlerweilegenerell auf der guten Seite, sind wir scheinbar dieeinzigen, die es mit der Umwelt ernst nehmen. Wir habenseit 1990 unsere CO2-Emissionen reduziert, wir wuppen denAtomausstieg und sind die besten Mülltrenner der Welt. Beider 25-prozentigen Reduktion seit 1990 wird meist vergessen,dass das auch dank der Demontage der ostdeutschen Industriepassierte. Außerdem liegen wir immer noch auf Rangsechs der weltweiten Emittenten. So kreieren die Lobbyistenüber die Medien ein rosiges Bild und der einzelne denkt, unsgeht’s gut, wir sind gut, ich merk nichts von Klimakatastrophe,also kauf ich mir jetzt halt doch den Porsche Cayenne mit270 Gramm CO2-Emission pro Kilometer.Wenn man bei seinen Freunden den Neuseelandflug kritisiert,ist man gleich der Spielverderber, dabei haben die mit einemFlug gleich mal den anderthalbfachen Gesamtjahresdurchschnittsverbrauchweg. Da sagt dann der Cayennefahrer, dafürkönnte ich 55.000 km mit meinem Spaßmobil rumfahren.Ich weiß, du bist kein Freund von Zahlen, und mein Beispielzeigt nur, dass dann der eine mit dem anderen sein Gewissenberuhigt. Andererseits helfen Zahlen auch dabei, zu wissen,wo ich wirklich effektiv sparen kann und auf was ich aufjeden Fall verzichten sollte. Nur noch eine interessante Zahlzum Schluss: ein Kilo Käse hat bei gleichem Energiegehaltzehn Mal so hohe CO2-Emissionen hinter sich wie Nudeln;und Ein-Kilo-Käse-Essen könnte man mit 30-km-Cayenne-Fahren gleichsetzen. Ich finde schon, dass man einen Weg findenkönnte, jedem Bürger ein Kontingent an CO2-Emissionzuzuweisen und danach muss man eben mehr oder wenigerzahlen. Also Kyoto für Privatpersonen. An Tankstellen, Lebensmittel-Läden,Flughäfen, bei der Stromabrechnung wirddir dein Verbrauch einfach von einer persönlichen Payback-Karte abgezogen, bis nichts mehr drauf ist und dann musst duteuer CO2-Punkte nachkaufen … Was hältst du von so was?Stange / Mir fehlen die Worte. Dank dir für das Gespräch./ 100 / 25

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