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10‒2013 - Von Hundert

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Ägyptische Pro-Mursi-Anti-Militärputsch-Demonstration derOrganisation r4bia am 30.08.2013 auf dem Alexanderplatzund wird in die Verwertbarkeit eingemeindet. Auf diese Weiseentsteht ein großer Knäuel aus normativen Verhaltensweisenmit vielen losen, grotesken Enden. Die Welt ist zu einer bunten,selbstgefilzten Bommel geworden, deren Zotteln ungewaschenenDreadlocks ähneln. Mit voller Wirtschaftsleistungschwirrt sie durchs Universum. Auch das Feld der Kunst sollvor dem Hintergrund dieser Mobilisierung neu definiert werden,zumindest abgegrenzt oder ganz aufgelöst. Die blödestenund beliebigsten Zeichen lassen sich kreativ bündeln undermöglichen es, eine Käuferschicht zu vereinen, die sich füreine kurze Zeit zusammengehörig fühlt. Das auf permanentenaffektiv-ästhetischen Input trainierte Nervensystem deszeitgenössischen Subjekts wird schnell ruhelos. Und währendman sich fragt, ob da noch die Libido oder schon der Todestriebam Werk ist, ob das noch Umzug oder schon Gentrificationist, befindet sich ein Teil der Kunstproduktion längst aufder Flucht vor dem Irrsinn, den sie mit angerichtet hat. ImGegensatz zu den kreativen Bemühungen der Optimierer istKunst nicht teleologisch und kann sich auch ruhig und interesselosgegen sich selbst wenden.In seinem Essay „Liar’s Poker“ von 2003 beschreibt Brian Holmesin Anlehnung an Bourdieus Feldtheorie, dass die verschiedenensozialen Felder, aus denen sich die zeitgenössischeGesellschaft bildet, von unerträglichen Regeln wie Ungleichheit,Herrschaft und Ausbeutung zusammengehalten werden.Jeder sogenannte Spieler, der in diesen Feldern agiert oder Zu-gang zu ihnen erlangen möchte, ist, gemäß dem demokratischenHöflichkeitsgebot, gezwungen, über die verborgeneGewalt zu lügen. Ein stillschweigender Vertrag hält die Playersin einer immer wahnhafter werdenden Illusion zusammen.Im Kunstfeld stehen die Künstler laut Holmes den Institutionenwie in einer Partie Lügenpoker gegenüber: sie bluffen sichmit der Ansage, ihre Kunst sei politisch, ins Spiel hinein. Stelltman im Museum schließlich fest, dass ihre Kunst tatsächlichpolitischen Gehalt hat, sind sie draußen. Martha Rosler, diediesen Vergleich in „Culture Class: Art, Creativity, Urbanism,Part III“ zitiert, empfiehlt den Kunstschaffenden trotz allem,wiederum Chantal Mouffe zitierend, die Auseinandersetzungmit der Art World und ihren Institutionen nicht aufzugeben.Der Lebensraum wird enger, während sich der Vorstellungsraumimmer weiter ausdehnt, und irgendwo hat sich sicherjemand einen naturwissenschaftlichen Begriff für diesen Vorgangausgedacht. Wenn man die hierarchiesüchtigen und paranoid-abgrenzungsbereitenMenschen um sich herum in allensozialen Feldern betrachtet, packt einen der Lagerkollerund man versteht, dass es längst nichts mehr zu verteidigenoder zu gewinnen gibt, außer in einer anhaltenden – hier wiederein Zitat – künstlichen Hölle zu landen. Der fiktive Vertragist längst gebrochen. Christina Zück

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