Klima-Arbeiten/ 100 / 28/ Eine Auswahl von Eva ScharrerAmy Balkin, „Public Smog“, 2004–fortlaufendAmy Balkins Langzeitvorhaben „Public Smog“ hat das ambitionierteZiel, in der Atmosphäre einen Park sauberer Luft zuschaffen. Zu den damit verbundenen konzeptuellen, ökonomischenund politischen Eingriffen gehört unter anderem dieEintragung der Erdatmosphäre als UNESCO-Welterbe. „PublicSmog“ wurde im Sommer 2004 in der Troposphäre überdem südlichen Kalifornien eröffnet, indem die Künstlerin aufeinem regionalen Treibhausgasemissionsmarkt das Recht aufdie Emission von elf Kilogramm Stickoxid erwarb und nichtwahrnahm – eine Minimaltransaktion, die dem Markt unddem Himmel über der Region von Los Angeles eine kleine,aber messbare Menge Smog verursachender Chemikalien entzog.Diesen Raum dauerhaft zu erhalten und seine Aufnahmein das Welterbeverzeichnis zu erreichen, würde bedeuten, ihnauf die gesamte Atmosphäre auszudehnen. Um am offiziellenBewerbungsverfahren teilzunehmen, machte Balkin eine Aufstellungsämtlicher Kriterien, nach denen die Atmosphäre eineinmaliges Gut darstellt und deshalb als Weltnaturerbe in Betrachtzu ziehen ist, das Schutz und Erhaltung verdient. DieTatsache, dass die Atmosphäre grenzenlos ist, Staaten aber nurStätten innerhalb ihrer Grenzen nominieren dürfen, ist eineder Herausforderungen, vor denen das Projekt steht. Im Rahmender dOCUMENTA (13) wurden Bitten um Unterstützungan 186 UNESCO-Länder versandt (eine nach Berlin), in denendiese dazu eingeladen wurden, sich einzeln oder im Rahmen einesKoalitionskomitees an die Spitze des Projekts zu setzen, umein außergewöhnliches Verfahren voranzutreiben. Die Dokumente,die sich im Verlauf des Prozesses angesammelt hatten,wurden in einer Konzeptkunst-typischen Installation à la Darbovenpräsentiert. In ihnen offenbaren sich die Lücken im internationalenRecht sowie die Hindernisse, die es dem gemeinschaftlichenVorgehen gegen Klimawandel in den Weg stellt.Peter Fend, „Parallelprojekte.Vorschläge für Condoleezza Rice“, 2005Auf der Suche nach einer Synthese von Kunst und Wissenschaftgründete Peter Fend 1980 die „Ocean Earth Constructionand Development Corporation“, in der Künstler, Architektenund Wissenschaftler nach alternativen Energiequellenforschen. Dazu gehört unter anderem die Entwicklung ökologischvertretbarer Upgrades für die primären EnergiequellenKohlenwasserstoff und Hydroelektrik. Fend knüpft dabeibewusst an die Tradition der Land Art, Earth Art, der Konzeptkunstund des Happening an, wo traditionelle Formender Kunstproduktion radikal aufgebrochen und das individuelleKunstschaffen durch komplexere, kollektive Arbeitsprozesseerweitert bzw. ersetzt werden. Die Erde selbst wirdzum Werk erklärt, in dem sich ökologische, politische undkünstlerische Aspekte verbinden. Die Einzelausstellung „Parallelprojekte.Vorschläge für Condoleezza Rice“ in der GalerieNagel in Berlin beschäftigte sich anhand einer Vielzahlvon Recherchedokumenten, Landkarten und Modellen mitThemen wie der internationalen Ölpolitik und den Folgender Ausbeutung von Rohstoffquellen zur Energiegewinnung,der Erwärmung der Erdatmosphäre, der Versteppung von immermehr vormals fruchtbaren Gebieten und den daraus entstehendensozialen Ungleichheiten. Obwohl sie für viele denAnschein des Utopischen haben, ist Fend fest von der Realisierbarkeitund Funktionalität seiner Projekte in Form unterirdischerWasserkanäle oder der Gewinnung von Biogas ausWasserpflanzen überzeugt – allerdings fehlt es wie so oft ander nötigen finanzkräftigen Lobby, die ambitionierten Projektedurchzuführen.
Olafur Eliasson, „your waste of time“, 20062006, im Jahr des Stern-Reports (N. Stern: „Stern Reviewon the Economics of Climate Change“), ließ Olafur Eliassonsechs Tonnen Eis, die von einem der größten und ältestenGletscher in seiner isländischen Heimat abgebrochen waren,in die Berliner Galerie neugerriemschneider transportieren,wo sie von einer an der Decke angebrachten, isoliertenKühlungsmaschine bei einer konstanten Temperatur vonminus sechs Grad in Form gehalten wurden. Jedes Jahr sinktder Vatnajökull um 1 mm ab. Das 15.000 Jahre alte Gletschereis,durch Gletscherschmelze aufgrund globaler Erwärmungakut vom Verschwinden bedroht, wurde im Galerieraum untererheblichem Energieaufwand – der wiederum seinen Teilzur Klimakatastrophe beiträgt – für die Dauer der Ausstellungkünstlich konserviert. Gleichzeitig verwieß der unverhältnismässigeTransportaufwand auf die Absurdität globalisierterHandelswege. Die Qualität der Arbeit liegt gerade im offensichtlichenWiderspruch zwischen ihrer skulpturalen Schönheitund der implizierten kunsthistorischen Referenzen vonCasper David Friedrich bis zu Werken der Land Art auf dereinen Seite, und ihren verstörenden ökonomischen, ökologischenwie politischen Implikationen auf der anderen.Tue Greenfort, „Exceeding 2 degrees“, 20072° Celsius – dies war die Voraussage des Stern-Reports 2006zu einer mindestens zu erwartenden Erderwärmung. Vorausgesetzt,es würden drastische Maßnahmen ergriffen, dieKonzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre unter550 ppm zu halten. Heute sind wir bereits bei nicht mehrzu kontrollierenden 4° Celsius. In seinem Beitrag für die 8.Sharjah Biennale 2007 nahm der in Berlin lebende dänischeKünstler Tue Greenfort diese längst überholte optimistischePrognose auf, um ihre abstrakte Größe durch einen visuellkaum wahrzunehmenden institutionellen Eingriff sichtbar zumachen. Er ließ die Temperatur des extrem stark klimatisiertenSharjah-Art-Museums um genau 2° hochsetzen (ein Unterfangenvon ungeahntem bürokratischen Ausmaß), den resultierendenEffekt mittels eines Thermohydrographen aufzeichnen,und stellte die wöchentlich ausgedruckten Messungenim ansonsten leer belassenen Galerieraum aus. Mit der –ironielos gut gemeinten – Aktion stellte Greenfort eine einfacheÖkorechnung auf: mittels der Ersparnis an Elektrizitätüber die Ausstellungsdauer von zwei Monaten erwarb derKünstler 6105,4125 m 2 Regenwald in Ecuador./ 100 / 29