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10‒2013 - Von Hundert

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100 / 26Grüne Illusionen/ Verzicht statt Status Quo oder WachstumAlle reden vom Klimawandel. Gegenüber dieser fatalen Bedrohungder Überlebensbedingungen in den kommendenJahrzehnten sind alle mindestens ebenso gravierenden Umweltproblemein den Hintergrund getreten: die Überfischungder Meere, die Bodenverluste, die Vermüllung der Ozeanespielen in der öffentlichen Aufmerksamkeit nur eine Nebenrolle.Der Grund dafür ist einfach: Würde man über dieseDinge sprechen, käme man nicht umhin, über das eigene Verhaltenzu sprechen: denn schließlich entsteht der ganze Aufwandund der ganze Dreck nur durch unsere scheinbar unstillbarenKonsumbedürfnisse.Da hat der Klimawandel schon Vorteile: Seine Verursachungliegt Jahrzehnte zurück, man rechnet in abstrakten Zahlenvon Gigatonnen CO2 und redet ominös von „2-Grad-Leitplanken“,und vor allem: er gilt als technisch lösbar. Dafür hatman ja die Energiewende erfunden. Die Technik wird dafürsorgen, dass nicht mehr so viel Treibhausgase die Atmosphärebelasten werden. Die Kanzlerin teilt gerade in einer bundesweitverteilten Broschüre mit: „Die Gestaltung der Energiewendeerfordert ein Umdenken von uns allen – bei der Erzeugung,Verteilung und beim Verbrauch von Energie. DiesesUmdenken findet in neuen Technologien und Systemlösungenseinen Ausdruck.“ Das heißt: es kann so weitergehen wiebisher, die Technik wird schon alles richten.Auch dem Konsumenten hilft die Technik beim klimafreundlichenVerhalten. Er kann sich zum Beispiel den carbon footprinteines Produkts auf seinem smartphone anzeigen lassen.Oder den „echten“ Preis, also den, der anfallen würden, wennman die externalisierten Kosten einrechnete. Findige Programmiererentwickeln nämlich Apps, die strategische odermoralische Konsumentscheidungen erleichtern sollen, indemsie Informationen zum Produkt liefern, die dieses selbstnicht preisgibt. So könnte ein so unschuldig daherkommenderFruchtjoghurt sich unmittelbar als die ökologische Katastropheouten, die er hinsichtlich der seiner Klimawirkungentatsächlich ist. Und der potentielle Käufer könnte zugleichsehen, dass der „echte Preis“ für dieses Produkt eben nicht0,39 Euro ist, sondern unter Einrechnung aller externalisiertenUmweltkosten zum Beispiel 1,89 Euro wäre. Fasziniertkann er dann das danebenstehende Konkurrenzprodukt ausdem Kühlregal nehmen, sein smartphone dieselben Berechnungendurchführen lassen und feststellen, dass dieses Produktzwanzig Prozent weniger klimaschädlich ist als das vorherigeund sein „echter Preis“ nur 1,45 Euro ist. Es schmecktzwar nicht und kostet mit 0,79 Euro im falschen Preis mehrals das doppelte des schuldigen Joghurts, aber das Gerät hatpsychologisch die korrekte Kaufentscheidung schon festgelegt.Wer würde davon noch abweichen, nachdem der ganzeAufwand getrieben worden ist?Allerdings: der Recherche- und Rechenaufwand, der hinterdem Rücken des informationshungrigen Käufers getriebenwird und erhebliche Mengen Energie für den Betriebder Suchmaschinen erfordert, wird hier natürlich nicht berechnet– wie überhaupt generell übersehen wird, dass all dieBerechnerei von carbon footprints und ökologischen Rucksäckenzur permanenten Erhöhung von Aufwand beiträgt.Dem Klima ist es übrigens gleichgültig, ob die Server vonGoogle laufen, weil jemand wissen möchte, ob Lady Gagabeim Zahnarzt war oder welcher Joghurt unter Gesichtspunktendes Klimaschutzes empfehlenswert ist – Energie erfordernbeide Typen von Information gleichermaßen.Anstatt sich nun intuitiv für einen beliebigen Joghurt zu entscheidenoder sogar überhaupt keinen zu kaufen, überlässtder potentielle Käufer seine Entscheidung dem Aufwandserhöhungs-App,das er auf seinem Smartphone installiert hat,und hat sich unter dem Vorzeichen des Klimaschutzes ent-

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