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10‒2013 - Von Hundert

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und um das Wissen über US-amerikanische Bespitzelung reicher,erkennt auch der letzte, wie weitsichtig Thomas Kilppermit seinem Blick auf die Geschichte war.Das „MEGAfon“ (und die zugehörige Ausstellung in der GalerieNagel Draxler) können da nicht so ohne Weiteres mithalten.Das ist, zumindest was die „MEGAfon“-Installationbetrifft, nicht Thomas Kilppers Schuld: es ist der Zeitgeist,der die Installation zum Funevent degradiert. Kilppers Anliegen,nach den „aktuellen Machtverhältnissen unserer Gesellschaft… Wer kommt zu Wort ... Wer verschafft sich Gehör…“(Pressetext) zu fragen, ist erst einmal für den Passantennicht leicht erkennbar, wird aber auch, kontemporär fastzwanghaft bedingt, unterlaufen vom Desinteresse der breitenMasse an kompetenter Debatte. Jenseits von schnell konsumierbarenBildern und Botschaften, von massenmedial suggeriertenAufregern und aufgehübschten Nichtigkeiten sindkonstruktive und sachkundige Auseinandersetzungen mitkomplexen Problematiken weder in der Kunst noch in derPolitik einem größeren Publikum zu vermitteln. Da wird dasZwitterprodukt von Thomas Kilpper selbst in dieser gekonntenVerpackung kaum als Angebot zum engagierten Disputerkannt und genutzt. Das bescheidene Auditorium der Performancesist symptomatisch. Die Arm-Reich-, Macht-Ohnmacht-oder Rechts-Links-Gegensätze unserer Gesellschaftsind explizit sichtbar und werden als solche auch wahrgenommen;wirklich fundierte Ursachenforschung findet abernur in speziellen Zirkeln statt. Das Megafon als Synonym fürgesellschaftspolitische Massenwirksamkeit (bzw. eben seine,im politischen Sinne, Unwirksamkeit auf dem Rosa-Luxemburg-Platz)deckt die Diskrepanz zwischen dem fürwahr existierendenBedarf an realistischen oder auch utopischen Veränderungsvisionenund dem Leben in und mit dem „Spektakel“gnadenlos auf. Der aktuelle Wohlfühlfaktor in Deutschlandspricht eben gegen eine (auch nur annähernd) revolutionäreSituation. Vielleicht hat Thomas Kilpper, ungeachtetSein Projekt eines „Leuchtturmes für Lampedusa“ ist dafürein nahezu perfektes Beispiel. Entgegen gängiger (auchlinker) Lehrmeinung, nämlich zuvörderst die Lebensbedingungender Menschen in ihren Heimatländern zu verbessern,dann den ankommenden Flüchtlingen Überleben undrechtsstaatliche Behandlung zu sichern, provoziert Kilppersder Verlautbarungen im Ausstellungsbegleittext, genau diesaufzeigen wollen. Die Installation (und dessen vorrangig unpolitischeNutzung) nicht als Fanal, nicht als Signal zum Aufbruch,sondern als (bei diesem Künstler nicht resignativ zuverstehende) Bemerkung zum Status quo.Während der Rezensent trotz all dem Vorgebrachten dasProjekt mit einem vorher kaum in Erwägung gezogen Bauwerk,„ MEGAfon“ großartig findet, fremdelt er mit der Ausstellungdas selbst nur als Modell und Gedankenspiel ein au-ßergewöhnlicher Denkansatz ist. Ein Leuchtturm als Orientierungspunktfür die ungezählten und sich oft in katastrophalemZustand befindlichen Flüchtlingsboote erhöht selbstverständlichdie Überlebenschancen der Emigranten, ziehtaber in der Logik der übernationalen Elendsverwalter gleichzeitigauch größere Flüchtlingsströme an. Diese Vorstellungschreckt selbst manchen Wohlmeinenden. Und schon verschiebensich Argumentationslinien und die Diskussion bekommteinen atypischen Schub. Der Künstler hat ein Etappenzielerreicht und seine kilppereske Herangehensweise anin der Galerie Nagel Draxler. Als „Tattoos“ bezeichneteKaltnadelradierungen auf Motorhauben alter Autos zeigen,wozu selbst Schrottteile von des Deutschen liebsten Kindesnoch zu gebrauchen sind. Das Dargestellte, so überlegt esorts- und themenspezifisch („Resist! oder let it be!“) ausgewähltwurde, wirkt doch letztendlich beliebig. Uli Hoeneßund Angela Merkel, Pussy Riot und Stéphane Hessel, MikeKelley und Andy Warhol, alles lässt sich dem Thema einpassen– aber doch fehlt das richtige Zusammenspiel, die Interaktionder zusammengehörenden Teile kommt nicht in Gang.Die Grundessenz trägt nur bis zur Galerietür, obwohl sie dochein vermintes Gelände bescherte dem Projekt ungewöhnliche so welthaltig ist.Volkmar Hilbigund bis heute anhaltende Aufmerksamkeit.Bei seiner Arbeit in der Stasizentrale in der Berliner Normannenstraßelegte Kilpper großen Wert darauf, das Thema Bespitzelung,Überwachung, Kontrolle und Ausspähung nichtThomas Kilpper „MEGAfon“, Verein zur Förderungvon Kunst und Kultur am Rosa-Luxemburg-Platz e.V.,20.6.–25.8. 2013auf die ehemalige DDR zu reduzieren. Heute, vier Jahre später, „Resist! oder let it be!“, Galerie Nagel Draxler, 20.6.–16.6. 2013 / 100 / 9

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