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10‒2013 - Von Hundert

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Vanity Fairytales/ Wir kommen alle in die HölleDen Sommer über gibt es, normalerweise, nicht besondersviele, und wenn, noch weniger gute Ausstellungen. In diesemJahr war das anders. Voll in die Sommerpause hinein hatChristian Malycha eine Ausstellung kuratiert, die uns nebendem Üblichen auch das Übliche zeigt. In der Alten Münze,genau, gleich an der Spree gelegen, versammelte er eine Ausstellung,die sich formal, ästhetisch und im weiteren Sinneauch inhaltlich mit dem Thema Ökologie auseinandersetzte.Eingeladen hat Malycha wenige ausgesuchte Positionen; riesenhaftund beinahe phantasmatisch das Gemälde von CorinneWasmuht, einige Paradiesfotografien von Thomas Struth,Container-Umschläge, groß und durchdacht sowie zweiSperrholzplatten „Empty-Letters“ von Seth Price und eineadaptierte Tapetenarbeit von General Idea, die in klassischpopkultureller Rhythmik EVOL wiederholt. Viele fragen sich,ob das eine interpretierende Interpretation ist, und eigentlichECO schreien will.Frau Wasmuht zeigt einen echten Schinken, ein Riesendingvon fast drei auf über vier Meter, das in verwaschener SzenerieAutos zeigt, ihre Rücklichter und gleisende Scheinwerfer,in einem Tunnel oder vor irgendeinem gesichtslosen Flughafendieser Welt. Urwälder und unberührte Paradiese auf denperfekt konstruiert erscheinenden, jedoch tatsächlich unberührtenFlecken Natur in den Fotografien von Thomas Struth.Seth Price ist mit seinen jüngeren Werken vertreten, den großenund symbolhaften Umschlägen aus technischem Materialund handwerklich in höchster Perfektion hergestellt. DieTapete, leicht pastos und nicht sonderlich farbleuchtend, fülltdie Gänge.Das Entscheidende jedoch; Malycha stellt nicht nur dieseKunstwerke aus. Neben den Gemälden, Installationen oderObjekten und Fotografien stehen ihre jeweiligen Transportverpackungen.Fein säuberlich türmen sich etliche LagenTyvek, Luftpolsterfolie, Transportkisten und hölzerne Bilderecken,die eine Berührung der empfindlichen Gemäldeoberflächenverhindern und so weiter. Auch empfängt die Besucherinnenund Besucher in jedem Raum der Ausstellung sowohlein kluger Text, jedoch auch eine Auflistung des CO2-Aufkommens, den Produktion, Transport und Installationeben dieser Arbeiten verursacht haben. Und da bleibt einemmitunter schon die Spucke weg, dass so eine Fotografie äquivalentzu einem Transatlantikflug einer fünfköpfigen Familieist. Ob da schon die Reise an den Ort der Aufnahme bedachtist, traut sich niemand mehr zu fragen. Ökologisch verheerenderist lediglich die Produktion technisch derart aufwendigerStoffe, wie sie in den Werken von Price vorkommen.Man mag sich trösten, dass man das Kunstwerk wohlnicht wegwerfen wird.Die Kurve kriegt Christian Malycha, die, hätte er sie verfehlt,ihn rasch in eine falsche Ecke gestellt hätte, durch Transparenz.Er ist Autor und Kurator, und wird das auch bleiben.Auch nehme er keine qualitativen Wertungen der Werke vor,doch ist ihm schlicht wichtig, auch eine andere Seite zu zeigen,und nicht nur in Gespräch und Text.Und diese Seite hat einen schweren, einen dunklen Kern. Fast30 Tonnen CO2 hat diese Ausstellung nämlich auf dem Buckel,was drei durchschnittlichen Deutschen pro Jahr entspricht,obgleich er von keinem dieser drei auch wirklich gehaltenwerden dürfte.Die Transparenz schlägt um auch auf die andere Seite, dieGäste der Ausstellung erfahren, was sie mit dem Besuch derAusstellung anrichten, und diskutierten in der nahegelegenKantine der Wasserbetriebe hitzig. <strong>Von</strong> Agitation war dieRede, von Besserwisserei und Oberlehrerhaftigkeit, ganz klar.Gerne fallen auch die Klassiker, die seit Jahren an Pelzmäntelnziehen, von eben den Nerzen, die ja nun schon tot sind;oder die all die Flugzeuge füllen, die ja ohnehin fliegen. Dakann man doch mit, ist doch besser, wenn das Ding voll ist.Als die Eröffnung mit einem Dinner begangen wurde, zeigtesich der Coup des Projekts. Denn auch hier wurde in der Kantineder Nachbarn gefeiert. Kurze Wege. Serviert wurde regionalund fleischlos, wobei der Hammer war: keiner hat’s gemerkt.Auch die reflektierte Kunstwelt fühlte sich nicht eingeschränkt.Ab morgen macht sie wohl weiter wie bisher.Elke Bohn/ 100 / 49

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