13.07.2015 Aufrufe

GLÜCKAUF

GLÜCKAUF

GLÜCKAUF

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

18. Juni 1921 G l ü c k a u f 589muß, daß man in völlig ungenügendem Maße darauf geachtethat, ein äußerst bedenkliches Übereinandergreifender Zuständigkeiten von Schlichtungsbehörden und Arbeitsgerichtenauszuschalten. Die Notwendigkeit einer scharfenAbgrenzung dieser Zuständigkeitsbereiche ist so häufig betontworden und ergibt sich so schlüssig aus den Wesensunterschiedendes Schlichtungs- und des Gerichtsverfahrens, daß sich einenähere Begründung erübrigt. Es sei nur darauf hingewiesen,daß die Schlichtungsbehörden auf dem Gedanken der Einigungaufgebaut sind und daher grundsätzlich nur Vermittlungsvorschlägemachen sollen, während die Arbeitsgerichte Rechtsprechen und verbindliche Rechtsurteile fällen sollen.Vergegenwärtigt man sich die schweren Mängel, die sichnotwendig ergeben, wenn Schlichtungsbehörden und Arbeitsgerichtenebeneinander zuständig sind und daher einanderwidersprechende Entscheidungen fällen können, so wird manunter allen Umstände.n mit Nachdruck auf einer scharfenAbgrenzung bestehen müssen. >Richtig ist, daß der Schlichtungsordnungsentwurf gegenüberdem heutigen Rechtszustande insofern eine kleineBesserung bedeutet, als er im § 1 Abs. 4 betont, daß dieSchlichtungsordnung auf Streitigkeiten aus den einzelnenArbeitsverhältnissen keine Anwendung findet. Dieser Grundsatzwird aber am Schluß des Entwurfes weitgehend durchbrochen,wo § 127 vorsieht: Soweit an dem nach dem Inkrafttretendes Entwurfes beginnenden Tage noch gesetzlicheVorschriften in Kraft sind, nach denen die Schlichtungsausschüssefür die Entscheidung von Streitigkeiten aus dem einzelnenArbeitsverhältnis, für den Beschluß des Erlöschens derMitgliedschaft in einer Betriebsvertretung nach dem Betriebsrätegesetz,für die Auflösung einer solchen Betriebsvertretung,die Berufung einer vorläufigen Betriebsvertretung, die Umwandlungeiner Betriebsvertretung oder für die Verhängungvon Geldbußen zuständig sind, gelten für das Verfahren sinngemäßdie Vorschriften über das Schlichtungsverfahren . DerEntwurf gibt also zu Anfang nur eine Zusage, um sienachher fast restlos zu widerrufen.Dazu kommt, daß der Begriff der Gesamtstreitigkeiten,in denen sich grundsätzlich die Zuständigkeit des Schlichtungsausschusseserschöpfen soll, im Entwurf eine Auslegungerfährt, dprch die auf Umwegen zweifellos eine weitere Reihevon Einzelstreitigkeiten vor das Forum der Schlichtungsausschüssegezerrt werden dürfte. Gesamtstreitigkeiten imSinne derSchlichtungsordnung sollen nämlich sein Streitigkeitenzwischen einem oder mehrern'Arbeitgebern oder wirtschaftlichenVereinigungen einerseits, der Arbeitnehmerschaft, einem Teileoder einer Gruppe der Arbeitnehmerschaft oder wirtschaftlichenVereinigungen von Arbeitnehmern anderseits über die Regelungvon Arbeitsbedingungen oder die Verletzung wirtschaftlicherInteressen der Arbeitnehmer . Wenn also ein Arbeitnehmermit seinem Arbeitgeber eine Streitigkeit über die Auslegungdes Tarifvertrages im Rahmen des einzelnen Arbeitsvertrageshat, so wird er die Betriebsvertretung oder einen großemTeil der Belegschaft für seine Sache erwärmen und diesewerden den Schlichtungsausschuß nach dem neuen Entwurfanrufen können, wenn sie nur vorschützen, daß die Streitigkeitauch sie angeht. Alsdann werden sich gegebenenfallsSchlichtungsausschuß und ordentliches Gericht mit derselbenStreitigkeit beschäftigen. Dies ist um so bedauerlicher, weilder Entwurf keinerlei Bestimmungen für solche Doppelfällevorsieht, vielmehr im § 57 bestimmt, daß durch die Zuständigkeitder vereinbarten Schlichtungsstellen diejenige der ordentlichenGerichte ebensowenig berührt wird wie durch die Zuständigkeitder ordentlichen Schlichtungsbehörden.Die Möglichkeit der Doppelentscheidungen infolge derDoppelzuständigkeit ist besonders deshalb auf die Dauerunerträglich, weil sie die Stetigkeit in unserer Rechtsprechungnoch mehr beeinträchtigt. Zudem wird viel unnütze Arbeitvertan, wenn sich eine Reihe der verschiedensten SchlichtungsundGerichtsinstanzen mit derselben Sache beschäftigen undobendrein nachher wieder versuchen muß, einen einigendenAusweg zu finden.Heute wird durch die Zuständigkeit der Schlichtungsausschüssewenigstens nur ein e Schlichtungsstelle in Anspruchgenommen ; in Zukunft wird sich dagegen in zahllosen Fällenmit derselben Angelegenheit auch noch die Revisionskammeroder der Revisionssenat des Landes- oder Reichseinigungsamtesbefassen müssen.Vom neuen Arbeitsrecht verlangt man eine Vereinfachungder Rechtswege und eine Anspannung aller Wirtschaftskräfte.Der Entwurf der Schlichtungsordnung muß deshalb unterallen Umständen noch vor seiner Verabschiedung einergründlichen Revision unterzogen und darf erst angenommenwerden, wenn durch eine harmonische Abstimmung derEntwürfe von Schlichtungsordnung und Arbeitsgerichtsgesetzeiner kräftevergeudenden und rechtszersplitternden, friedestörendenDoppelzuständigkeit vorgebeugt ist.Dr. Franz G o e r r i g , Köln.Erfahrungen mit Arbeitsnachweisämtern in England. DieErrichtung öffentlicher Arbeitsnachweisstellen ist in Englandim September 1909 im Hinblick auf die Erleichterung der Unterbringungvon Arbeitern, besonders in weniger organisiertenBerufen, und auf die Schaffung einer brauchbaren Grundlagefür eine obligatorische Arbeitslosenversicherung beschlossenworden. Damit hoffte man gleichzeitig einen genauemÜberblick über den Stand der Arbeitslosigkeit zu gewinnenund im Falle einer Krisis die notwendigen Maßnahmen derBehörden erleichtern zu können. Im Februar 1910 wurde daserste Arbeitsnachweisamt eingerichtet. Im Juni 1920 bestanden395 Arbeitsnachweise mit 1049 Nebenämtern und insgesamt12600 Beamten.Über die Wirksamkeit dieser Ämter gibt der Bericht einesamtlichen Ausschusses, der eingesetzt worden war, um dasVerfahren und die Wirksamkeit der Verwaltung der Arbeitsnachweisein Großbritannien zu untersuchen und Vorschlägeüber ihre künftige Gestaltung zu machen, bemerkenswerteAufschlüsse. Die Ämter erhielten jährlich etwa 3 Mill. Stellengesucheund U /2 Mill. Stellenangebote und konnten etwa1 Mill. Stellen vermitteln. Leider fehlen Zahlen darüber,wieviele Stellen ohne Benutzung der Arbeitsnachweisebesetzt worden sind. Der Ausschuß schätzt, daß die Arbeitsnachweisenur etwa 35 °/0 des gesamten Stellenwechsels vermittelthaben. Die Kosten jeder vermittelten Stelle beliefensich schätzungsweise auf etwas mehr als 6 s.Die englischen Arbeitsnachweise sind von besondererBedeutung für die Leitung der Erwerbslosenfürsorge. Kannnämlich der Arbeitsnachweis dem Arbeitslosen keine Stellenachweisen, so erhält dieser Arbeitslosenunterstützung nachden festgelegten Sätzen. Naturgemäß kann der Arbeitsnachweisbeim Fehlen eines Benutzungszwanges sehr oft keineStelle nachweisen, so daß dann die für den Staat sehr kostspieligeUnterstützung gezahlt werden muß. Obwohl der Ausschußnach seinem Bericht diesen Umstand klar erkannt hat,empfiehlt er den Benutzungszwang nicht, sondern hofft, daßdie Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach und nach den Nachweisämternvolles Vertrauen schenken und sie auch ohne Zwangstets in Anspruch nehmen werden. Wenn dieser englischeAusschuß auf Grund elfjähriger Erfahrungen den Benutzungszwangablehnt, so sollte dies für uns eine deutliche Mahnungsein, in dem neuen Arbeitsnachweisgesetz unter allen Umständenjede Zwangsbestimmung fehlen zu lassen, zumal die inDeutschland vorhandenen erst etwa zweijährigen Erfahrungenmit öffentlichen Arbeitsnachweisen in keiner W eise recht-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!