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2INHALTSVERZEICHNISSeite§ 1 Einleitung............................................ 3§ 2 Versicherungsvertragsgesetz 1958...................... 5§ 3 Allgemeine Versicherungsbedingungen................... 10§ 4 Erscheinungsformen der Versicherung.................... 13§ 5 Die Personen des Versicherungsvertrages................ 17§ 6 Abschluss, Formen und Änderung desVersicherungsvertrages................................ 24§ 7 Der Versicherungsschein (Polizze)..................... 32§ 8 Dauer der Versicherung................................ 34§ 9 Die Pflichten der Vertragsparteien.................... 38§ 10 Vorschriften für die gesamte Schadensversicherung..... 70§ 11 Feuerversicherung.................................... 85§ 12 Haftpflichtversicherung............................... 89§ 13 Lebensversicherung................................... 98§ 14 Unfallversicherung................................... 105§ 15 Die Auswirkungen des Beitritts Österreichs zur EU aufdas österreichische Versicherungsvertragsrecht....... 107


3§ 1 EinleitungI. Gegenstand der VorlesungA) Vertragsversicherung im Gegensatz zur SozialversicherungB) Die einzelnen Rechtsbereiche der Vertragsversicherung1. Versicherungsvertragsrecht2. Versicherungsaufsichtsrecht3. Versicherungsvermittlungsrecht4. Versicherungssteuerrecht5. Versicherungsunternehmensrecht etcC) Definition des Versicherungsvertragsrechts: Das Versicherungsvertragsrechtist die Summe der Normen, die Regeln, wie einVersicherungsvertrag entsteht, welche Rechtssubjekte daran beteiligtsind, welche Rechtsbeziehungen zwischen diesen Subjektenentstehen, wie der Vertrag wieder gelöst werden kann etc; dasVersicherungsvertragsrecht ist ein Sondervertragsrecht.II. Begriff der VersicherungA. Die verschiedenen Theorien1. Nach der Funktion der Versicherunga)Schadenersatztheorieb)Bedarfstheoriec)Plansicherungstheorie2. Nach der Art der Leistungserbringunga) Gefahrengemeinschaftstheorieb) Unternehmenstheorie


4B. Heute anerkannte Merkmale des Versicherungsbegriffs (Jabornegg)1. Schutz gegen ungewisses Ereignis (Gefahr)2. Deckung eines Bedarfs3. Entgeltliche Risikotragung4. UnternehmensorganisationC. Bewegliches System, „Typusbegriff“III. Geschichte des VersicherungswesensA. Genossenschaftlich-soziale Wurzel: Zusammenschluss Gleichgefährdeterzu einer Gefahrengemeinschaft1. Römische Begräbniskassen2. Sippe, Gilden3. Spezialgilden (insb Brandgilden)4. Hamburger Generalfeuerkasse 16765. Endpunkt: Versicherungsverein auf GegenseitigkeitB. Romanisch-mediterrane (spekulative) Wurzel1. Seedarlehen (foenus nauticum)2. Schiffswurf (lex Rhodia de iactu)3. Entwicklung der Seeversicherung4. Auswüchse (Wettversicherungen)5. Endpunkt: VersicherungsaktiengesellschaftIV. Geschichte des VersicherungsrechtsA. Statuten italienischer SeestädteB. ALR 1749C. §§ 1288 bis 1292 ABGBD. Entwicklung des Versicherungsaufsichtsrechts


51. Vereinspatent <strong>18</strong>52: Materielle Staatsaufsicht2. Versicherungsregulative <strong>18</strong>80, <strong>18</strong>96, 19213. Einführung des deutschen VAG4. VAG 1978E. Entwicklung des Versicherungsvertragsrechts; vgl § 2§ 2 Versicherungsvertragsgesetz 1958I. Entwicklung des VersVGA) Versicherungsordnung 1915 (Kaiserliche Notverordnung währenddes 1. Weltkriegs, die auf lange zurückreichenden Vorarbeitenberuhte). Das österreichische VVG hätte zur selben Zeit in Krafttreten können wie das deutsche und das schweizerische VVG(1908).B) Versicherungsvertragsgesetz 1917C) 1939 Einführung des deutschen VVGD) Nach Kriegsende Beibehaltung des deutschen VVGE) 1959 Inkrafttreten des "Versicherungsvertragsgesetz 1958",das eine „Austrifizierung“ des deutschen VVG darstellte, vondiesem hauptsächlich nur in der Terminologie abwich, zum Teilaber auch inhaltliche Abweichungen aufwies.Die weitgehende Konformität des österreichischen und des deutschenVersicherungsvertragsrechts erlaubte die Verwendung vondeutscher Literatur und die Heranziehung deutscher Entscheidungen.In der Folge hat sich das österreichische und dasdeutsche Versicherungsvertragsrecht jedoch auseinanderentwickelt,zum einen bereits durch die VersVG-Novelle 1994, zum anderennun aber deshalb, weil in Deutschland mit 01.01.2008 ein


neues VVG in Kraft getreten ist.6F) Im Jahre 1992 wurde eine VersVG-Novelle verabschiedet, diemit 1.1.1994 in Kraft getreten ist. Diese Novelle diente der Umsetzungjener versicherungsrechtlichen Vorschriften, die Österreichaufgrund des EWR-Vertrages übernehmen musste.G) Mit 1.1.1995 ist die sehr umfangreiche VersVG-Novelle 1994 inKraft getreten. Sie ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass durchdie Umsetzung der 3. Richtliniengeneration die Genehmigung derAVB durch die Aufsichtsbehörde entfallen ist. Das hat befürchtenlassen, dass der "Kundenschutz", also der Schutz des VN, verschlechtertwerden könnte. Die Novelle 1994 hat ihren Schwerpunktdemgemäß in der Verbesserung des "Kundenschutzes". Danebenenthält sie Regelungen über die Rechtsschutzversicherung, dieKrankenversicherung (erstmals!) und Änderungen im Bereich derLebensversicherung.H) Die VersVG-Novelle 1997 (in Kraft ab 1.1.1997) war von weitgeringerer Bedeutung. Auch sie diente der Umsetzung europarechtlicherVorgaben. Wichtigster Punkt dieser Novelle ist dieEinbeziehung der aufsichtsrechtlichen Informationspflichten der§§ 9a, <strong>18</strong>b VAG in § 5b VersVG.I. Auch in der Folge wurde das VersVG mehrfach novelliert. Wesentlichsind vor allem vier Novellen. 2004 wurde die Versicherungsvermittlungs-RLder EU umgesetzt (Novellierung der §§ 5b,43 und 176 VersVG). Durch das VersRÄG 2006 wurde vor allem angeordnet,dass die einmaligen Verwaltungs- und Vertriebskosten inder Lebensversicherung dem VN nur noch rechnerisch verteilt aufeinen Zeitraum von zumindest 5 Jahren angelastet werden können(§ 176 Abs 5 und 6 VersVG). Das VersRÄG 2012 hat in § 5a die gesetzlichenGrundlagen für die elektronische Kommunikation in derVertragsversicherung geschaffen und dem VN in § 5c ein allgemeines,voraussetzungsloses Rücktrittsrecht eingeräumt. Das VersRÄG


8telt werden (Beispiele: § 3 Abs 1 VersVG scheint zwingend zusein; aus § 35 ergibt sich jedoch, dass es sich um eine dispositiveVorschrift handelt; § 55 VersVG - versicherungsrechtlichesBereicherungsverbot - ist dagegen nach herrschender Meinung (hM)zwingend, obwohl der Wortlaut das nicht zweifellos ausdrückt).IV. Inhalt des VersVGA) Das VersVG regelt nicht den Gesamtbereich des Versicherungsvertragsrechts,sondern nur das Vertragsrecht der "Binnen-Erstversicherung". Gemäß § <strong>18</strong>6 VersVG sind nämlich die Seeversicherungund die Rückversicherung vom Geltungsbereich desVersVG ausgeschlossen. Die Seeversicherung ist im HGB geregelt(§§ 778 ff), die Rückversicherung ist überhaupt nicht gesetzlichgeregelt.B) Auf die Güter-Transportversicherung, die Kreditversicherung,die Kursverlustversicherung und die laufende Versicherung sindgemäß § <strong>18</strong>7 die "Beschränkungen der Vertragsfreiheit" des VersVGnicht anwendbar. Das bedeutet nach hM nicht die völlige Unanwendbarkeitdes VersVG, sondern es müssen immerhin jene zwingendenVorschriften angewendet werden, deren Verletzung auch Sittenwidrigkeitbedeuten würde. Es wäre also zB unzulässig, eineDeckungspflicht des Versicherers auch für den Fall der betrügerischenÜberversicherung zu vereinbaren. Andererseits könntenfür die Verletzung von Obliegenheiten strengere Sanktionen vereinbartwerden als nach § 6 VersVG.V. Aufbau des VersVGA) Das VersVG besteht aus 192 Paragraphen und zerfällt in sechsAbschnitte; die ersten beiden Abschnitte sind noch in Kapitelunterteilt.Der erste Abschnitt (Vorschriften für sämtliche Versicherungs-


9zweige, §§ 1 - 48) enthält einen "allgemeinsten" Teil, der füralle Zweige der Versicherung gilt, soferne nicht anderes angeordnetist.Der zweite, umfangreichste Abschnitt (Schadensversicherung) umfaßtdie §§ 49 - 158 p und ist in sieben Kapitel gegliedert. Daserste Kapitel (Vorschriften für die gesamte Schadensversicherung,§§ 49 - 80) stellt den allgemeinen Teil der Schadensversicherungdar, ist aber zum Teil nur auf die "Aktivenversicherung"anwendbar (dazu später). In den Kapiteln 2 bis 7werden einzelne Sparten der Schadensversicherung geregelt, undzwar die Feuerversicherung, die Hagelversicherung, die Tierversicherung,die Transportversicherung, die Haftpflichtversicherungund die Rechtsschutzversicherung.Der dritte Abschnitt regelt die Lebensversicherung (§§ 159 -178), der vierte die Krankenversicherung (§§ 178 a - 178 n), derfünfte die Unfallversicherung (§§ 179 - <strong>18</strong>5). Der sechste Abschnittenthält Schlussvorschriften (§§ <strong>18</strong>6 - 192).B) Aus dieser Gliederung des VersVG ergeben sich für den Gesetzesanwenderwesentliche Schlussfolgerungen.Für die im VersVG nicht geregelten Zweige der Schadensversicherung(also zB die Sturmversicherung, die Leitungswasserversicherungetc) sind nur die §§ 1 - 48 und die §§ 49 -80 anwendbar.Für die im Gesetz geregelten Zweige der Personenversicherunggelten die §§ 1 - 48 und entweder der dritte, der vierte oderder fünfte Abschnitt. Für die nicht geregelten Zweige der Personenversicherungkommen dagegen nur die §§ 1 - 48 zur Anwendung;handelt es sich jedoch um einen Personenversicherungszweig,der als Schadensversicherung konstruiert ist (wie zB dieBegräbniskostenversicherung), dann können auch die §§ 49 -80 zur


10Anwendung kommen.§ 67 VersVG (Legalzession) gilt nur für die Schadensversicherung.Daher muß sich der Versicherer in der Summenversicherungallfällige Schadenersatzansprüche seines VN durch eine Zessionsvereinbarungabtreten lassen, die aber auch schon in den AVBenthalten sein kann.§ 3 Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB)I. BegriffAVB sind eine Sonderform der Allgemeinen Geschäftsbedingungen(AGB). Sie sind Vertragsmuster, Vertragsschablonen, die für sichallein keine Normkraft haben, sondern durch Unterwerfung des VNInhalt des Versicherungsvertrages werden.II. Einbeziehung und Geltungskontrolle von AVBA) Wie erwähnt, werden AVB durch Unterwerfung des VN Vertragsinhalt.An diese Unterwerfung werden von der Judikatur allerdingskeine hohen Anforderungen gestellt. Sie nimmt nämlich eineUnterwerfung unter AGB immer schon dann an, wenn der Vertragspartnerdes Verwenders von AGB einen Hinweis darauf erhält,dass sein Partner zu seinen AGB kontrahieren möchte, und ihm dieAGB zumindest zugänglich sind. Diese Voraussetzung ist bei AVBnatürlich stets gegeben. Die Aushändigung von AVB ist zivilrechtlichkeine Voraussetzung für die Unterwerfung, kann beiNichterfüllung jedoch zu einem Rücktrittsrecht des VN führen(vgl § 5 b Abs 2 und 3 VersVG). Eine weitere Rechtsfolge derNichtaushändigung der AVB enthält § 6 Abs 5 VersVG. Vgl. dazubei den Obliegenheiten.B) Die Unterwerfung bezieht sich jedoch nur auf den üblichenVertragsinhalt. "Versteckte" (ungewöhnliche) Klauseln können imWege der Geltungskontrolle (§ 864 a ABGB) vom Richter aus dem


11Vertrag eliminiert werden.III. Inhaltskontrolle von AVBAVB unterliegen nach der heute hM so wie alle anderen AGB auchder Inhaltskontrolle durch das Gericht. Das Gericht kann alsoKlauseln, durch die der VN "gröblich benachteiligt" wird (§ 879Abs 3 ABGB), im Wege der Inhaltskontrolle eliminieren. Kontrollmaßstabsind die "berechtigten Deckungserwartungen" des VN. DieAVB können also nicht nur auf ihre Übereinstimmung mit den zwingendenVorschriften des VersVG hin kontrolliert werden (zB "Enttarnung"von Risikoausschlüssen, die in Wirklichkeit verhüllteObliegenheiten darstellen), sondern es ist auch das Kernstückder AVB, nämlich die Risikoumschreibung, kontrollfähig.IV. Transparenzkontrolle von AVBIm Verbrauchergeschäft ist zusätzlich auch noch eine „Transparenzkontrolle“möglich. Gemäß § 6 Abs 3 KSchG sind Vertragsbestimmungenin AVB unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlichabgefasst sind. Durch das Transparenzgebot soll gewährleistetwerden, dass der VN verständlich vor Augen geführt bekommt, welcheRechtsfolgen der Abschluss des Vertrages für ihn hat.V. Entstehung von AVBAVB werden in der Regel von den Sektionen des Verbandes der VersicherungsunternehmenÖsterreichs konzipiert ("Verbandsbedingungen","Musterbedingungen"). Dabei werden oft die Interessenvertretungender VN eingebunden. Diese Musterbedingungenmüssen jedoch ausdrücklich als unverbindlich gekennzeichnet werden,weil sonst gegen das Kartellverbot des EG-Vertrages verstoßenwerden würde. Neben den Musterbedingungen gibt es die "Anstaltsbedingungen"der einzelnen Versicherungsunternehmungen.Auf dieser Ebene herrscht der "Bedingungswettbewerb" (neben dem


12Preiswettbewerb, also dem Wettbewerb über die unterschiedlichhohe Prämie).Die AVB waren bis zur VAG-Novelle 1994, die die 3. Richtliniengenerationumsetzte, als Teil des Geschäftsplanes von derAufsichtsbehörde zu genehmigen. Die AVB der Kfz-Haftpflichtversicherung(also die AKHB) wurden sogar durch Verordnungdes Bundesministers für Finanzen erlassen. Nunmehr istdas Erfordernis der Bedingungsgenehmigung durch den Beitritt Österreichszur EU weggefallen. Die Aufsichtsbehörde kann nur noch(im Nachhinein) eine unsystematische "Missbrauchskontrolle" vornehmen.Lediglich die AVB der Pflichtversicherung (also zB auchder KFZ-Haftpflichtversicherung) sind der Aufsichtsbehörde vorihrer Verwendung vorzulegen (vgl § <strong>18</strong> Abs 1 KHVG 1994). Auch dasist wesentlich weniger als eine Genehmigungspflicht.VI. Arten von AVBAVB sind dann gegeben, wenn ihre vielfache Verwendung angestrebtwird; der Gegensatz zu den AVB ist also die Individualvereinbarungmit einem einzelnen VN.Innerhalb der AVB unterscheidet man Allgemeine Versicherungsbedingungen,Besondere Versicherungsbedingungen, Zusatzbedingungen,Ergänzende Bedingungen, Polizzenklauseln etc. Die verschiedeneTerminologie ändert nichts daran, dass es sich bei alldiesen Vertragsmustern um AVB handelt. Mit den Begriffen solllediglich eine "Stufenordnung" der AVB bezeichnet werden.VII. Auslegung von AVBAVB waren nach langjähriger Judikatur des OGH wie Gesetze (alsonach den §§ 6, 7 ABGB) auszulegen. Die "Unklarheitenregel" des §915 ABGB, die nur bei der Vertragsinterpretation gesetzlich vorgesehenist, wurde daher vom OGH auf die Auslegung von AVB nichtangewendet.


13Nun geht der OGH jedoch davon aus, dass AVB so auszulegen seien,wie sie ein unbefangener durchschnittlicher VN verstehen muss.Das bedeutet nichts anderes als die Anwendung der Regeln überdie Vertragsinterpretation, also auch des § 915 ABGB. Verwendetder Versicherer also in seinen AVB unklare Formulierungen, somuss er die für ihn ungünstigere Auslegung gegen sich geltenlassen.VII. Inhaltliche Gliederung von AVBAlle AVB zerfallen in einen formellen und einen materiellenTeil. Der formelle Teil ist bei den meisten AVB ziemlich identischund enthält zB Regelungen über die Prämienzahlung, dieKündigung, Abtretung von Versicherungsforderungen etc. Der materielleTeil enthält dagegen die Risikoumschreibung der jeweiligenVersicherungssparte, die das Kernstück der AVB darstellt.§ 4 Erscheinungsformen der VersicherungI. Schadensversicherung und SummenversicherungA) Nach der Art der Leistung des Versicherers unterscheidet mandie Schadens- und die Summenversicherung.1. Bei der Summenversicherung hat der Versicherer im Versicherungsfallunabhängig von einem nachzuweisenden Schaden eine Entschädigungin einer im Voraus bestimmten Höhe zu erbringen. DieVersicherung deckt hier einen "abstrakten Bedarf", das versicherungsrechtlicheBereicherungsverbot (§ 55 VersVG) gilt hiernicht.Beispiele: Versicherungssumme im Erlebens- bzw Ablebensfall,Krankenhaustagegeld etc.


142. Bei der Schadensversicherung ist die Versicherungsleistungdagegen von der Höhe des eingetretenen Schadens abhängig. DieSchadensversicherung deckt einen "konkreten Bedarf", sodass derVN nicht nur den Versicherungsfall, sondern auch den dadurch bedingtenwirtschaftlichen Schaden nachweisen muss. Nur für denBereich der Schadensversicherung gilt daher auch das versicherungsrechtlicheBereicherungsverbot.3. Innerhalb der Schadensversicherung unterscheidet man die Aktivenversicherungund die Passivenversicherung.a) Bei der Aktivenversicherung ("Interessenversicherung") versichertsich der VN gegen die Beeinträchtigung ganz gewisserTeile seiner Aktiven. Versichert ist dabei nicht das Aktivum(also der positive Vermögenswert) selbst, sondern die Wertbeziehungdes VN zu diesem Aktivum, die man als "versichertesInteresse" bezeichnet.Der Wert des versicherten Interesses ist der Versicherungswert.Der Schaden ist die Negation des Interesses (oder noch genauer:der versicherte Schaden ist die Negation des versicherten Interesses).Innerhalb der Aktivenversicherung unterscheidet man:aa) Sachversicherung (wie zB Feuerversicherung, Glasversicherungetc)bb) Forderungsversicherung (Schutz gegen Untergang oder Wertloswerdeneiner Forderung; zB Kreditversicherung)cc) Versicherung sonstiger Rechte (zB Schutz des Hypothekargläubigersgegen Ausfall bei Zwangsversteigerung)


15dd) Gewinnversicherung (vgl § 53 VersVG; zB Betriebsunterbrechungsversicherung)b) Bei der Passivenversicherung versichert sich der VN gegendie Entstehung von Passiven (also von Verbindlichkeiten).In der Passivenversicherung gibt es kein versichertes Interesse,da durch die Gefahrverwirklichung keine Wertbeziehung zu einembestimmten Gut beeinträchtigt wird. Demnach gibt es auch keinenVersicherungswert. Die natürliche Begrenzung des Schadens durchden Versicherungswert muss daher durch andere Mittel ersetztwerden. Die Versicherungssumme hat daher in der Passivenversicherungeine ganz andere Funktion als in der Aktivenversicherung.In der Aktivenversicherung kann die Versicherungssumme undder Versicherungswert differieren und zu den Erscheinungen derÜber- bzw Unterversicherung führen. In der Passivenversicherungkann es dagegen eine Über- bzw Unterversicherung im technischenSinn mangels Versicherungswerts nicht geben.Innerhalb der Passivenversicherung unterscheidet manaa) Versicherung gegen gesetzliche Schulden (Hauptbeispiel:Haftpflichtversicherung)bb) Versicherung gegen vertragliche Schulden (zB Rückversicherung)cc) Versicherung gegen notwendige Aufwendungen (zB Neuwertversicherungbezüglich der Neuwertdifferenz)dd) Versicherung gegen schädigende Verlustmöglichkeiten (Rechtsschutzversicherung,Rechtsschutzfunktion der Haftpflichtversicherung)


II. Personenversicherung und Nichtpersonenversicherung16Die Einteilung nach der Art des Risikos, das der Versichererträgt, hat sich als wesentlich schwieriger herausgestellt alsjene nach der Art seiner Leistung. Es gibt die verschiedenstenEinteilungsvorschläge, herrschend ist die Einteilung in Personen-und Nichtpersonenversicherung.A) Unter der Personenversicherung versteht man alle Versicherungen,in denen sich das Versicherungsereignis an einem Menschenverwirklicht, sei es in körperlicher oder sonstiger personenrechtlicherBeziehung (Tod, Unfall, Krankheit, Erleben einesZeitpunkts, Verheiratung, Geburt eines Kindes etc). Die Personenversicherungkann sowohl als Summen- wie auch als Schadensversicherungkonstruiert sein!So ist zB die Lebensversicherung meist Summenversicherung; sofernesie nur die Begräbniskosten ersetzt, ist sie dagegen Schadensversicherung.Die Krankenversicherung ist als KrankheitskostenversicherungSchadensversicherung, als Tagegeldversicherungdagegen Summenversicherung.In jenen Fällen, wo die Personenversicherung als Schadensversicherungausgestattet ist, sind die Grundsätze der Schadensversicherung(also insbesondere die §§ 49 - 80) anzuwenden. Dasbedeutet vor allem, dass hier auch das Bereicherungsverbot (§55) und die Legalzession (§ 67) zur Anwendung kommt.B) Unter der "Nichtpersonenversicherung" werden alle anderenRisken zusammengefasst, die nicht an einem Menschen verwirklichtwerden. Zum Teil wird dieser Bereich der Versicherung als "Vermögensversicherung"bezeichnet.


17Wesentlich ist, dass die Nichtpersonenversicherung nur als Schadensversicherungund niemals als Summenversicherung betriebenwerden darf.§ 5 Die Personen des VersicherungsvertragesI. Der VersichererAls Versicherer können nach österreichischem Aufsichtsrecht nurVersicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und Versicherungsaktiengesellschaftenauftreten. Zivilrechtlich wären aberauch Versicherungsverträge mit anderen Gesellschaftsformen (OHG,KG, Gesellschaft bürgerlichen Rechts etc), ja sogar auch mitEinzelpersonen gültig.II. Der VersicherungsnehmerDer Versicherungsnehmer ist der Vertragspartner des Versicherers.Er schließt mit diesem den Vertrag in eigenem Namen, undzwar in der Regel (in der Schadensversicherung) für sein eigenesInteresse bzw (in der Personenversicherung) für seine eigenePerson, und soll auch selbst die Versicherungsleistung erhalten.Diese Normalsituation bezeichnet man als "Eigenversicherung".Der VN kann aber auch im eigenen Namen ein fremdes Interesse o-der eine fremde Person versichern. Dann liegt "Fremdversicherung"vor. Er kann weiters auch ausmachen, dass die Versicherungsleistungnicht ihm, sondern einem Dritten (zB einemBezugsberechtigten) zustehen soll. Bei all diesen Konstellationenbleibt er jedoch alleiniger Vertragspartner des Versicherers.Er hat daher insbesonders die Prämie zu zahlen, ist "Herrdes Vertrages" (kann also den Vertrag auflösen, ändern, kündigenetc) und ist als solcher Ansprechpartner des Versicherers.


<strong>18</strong>III. DrittbeteiligteDer Dualismus von Versicherer und VN kann vertraglich oder gesetzlichgesprengt werden, sodass es zu einer sogenannten "Rollenspaltung"kommt:A) Vertragliche Rollenspaltung1. Versicherung für fremde Rechnung (§§ 74 - 80 VersVG): Der VNschließt den Vertrag zwar im eigenen Namen, aber in fremden Interesse.Zum VN tritt die Person des "Versicherten" hinzu.2. Personenfremdversicherung: Der VN schließt den Vertrag imeigenen Namen, aber für eine fremde Person.a) Wenn dieser Person auch die Leistung zustehen soll, wird sieauch hier als "Versicherter" bezeichnet.b) Wenn die Leistung hingegen jemandem anderen (zB dem VN) zustehensoll, spricht man von einer "Gefahrsperson", in derenPerson das Risiko lediglich läuft.3. In der Personenversicherung kann eine weitere Rollenspaltungdadurch auftreten, dass der aus dem Vertrag Anspruchsberechtigte(VN oder Versicherter) eine Person benennt, der die Versicherungsleistungzustehen soll. Diese Person heißt "Begünstigter"oder "Bezugsberechtigter".B) Gesetzliche RollenspaltungUm für ihren wirkungsvollen Schutz zu sorgen, sind bestimmtePersonen von Gesetzes wegen in das Versicherungsverhältnis einbezogen:1. Der Erwerber der versicherten Sache (§§ 69 - 73 VersVG)


192. Der Realgläubiger in der Gebäudefeuerversicherung (§§ 100 ffVersVG)3. Der geschädigte Dritte in der Haftpflichtversicherung (§§156, 157, 158 b ff VersVG)C) Rollenspaltung nach bürgerlichem RechtNeben diesen spezifischen Rollenspaltungen des Vertragsversicherungsrechtssind natürlich auch solche nach bürgerlichemRecht möglich. Die Versicherungsforderung ist eine Geldforderungund kann daher - mit gewissen Einschränkungen - auch zur Sicherungvon Gläubigern verwendet werden. Dritte können also auch imWege der Verpfändung, Abtretung und Vinkulierung von Versicherungsforderungenin das Versicherungsverhältnis hineinspielen.Die Fälle der (versicherungsrechtlichen) Rollenspaltung werdenjeweils im Zusammenhang mit der Besprechung jener Rechtsfigurenerörtert werden, bei denen sie auftauchen (also zB bei der Veräußerungder versicherten Sache, bei der Feuerversicherung etc).IV. VersicherungsvermittlerA) Unter dem Begriff der "Versicherungsvermittler" fasst mandie Versicherungsvertreter (Versicherungsagenten) und die Versicherungsmaklerzusammen, denen gemeinsam ist, dass sie das Zustandekommendes Versicherungsvertrages lediglich vermitteln undnicht als Stellvertreter einer der beiden Parteien auftreten.Im Rahmen der Vorlesung werden nur die Versicherungsagenten undauch diese nur hinsichtlich des Außenverhältnisses (also desVerhältnisses zum VN) behandelt. Die Ausgestaltung des Innenverhältnisseszwischen dem Agenten und dem Versicherer und dieProblematik des Versicherungsmaklers werden ausgeklammert.


20B) Der Versicherungsagent im BesonderenDas VersVG regelt den Versicherungsagenten in den §§ 43 bis 48und enthält nun auch im § 43 Abs 1 eine Definition des Versicherungsagenten,in der zwischen verschiedenen Arten des Agentenunterschieden wird. Dem Prototyp des Versicherungsagenten,der ständig damit betraut ist, für den Versicherer Verträge zuvermitteln oder zu schließen, wird der Gelegenheitsvermittlerund derjenige gleichgestellt, der mit nach den Umständen anzunehmenderBilligung des Versicherers als Versicherungsagent auftritt("Quasi-Agent").Die §§ 43 Abs 2 bis 48 betreffen sämtliche das Außenverhältnisund sind auf alle Agenten anwendbar, die unter § 43 Abs 1 fallen.1. Vertretungsmacht des VersicherungsagentenDas VersVG unterscheidet zwischen Vermittlungsagenten und Abschlußagenten.Abschlußagenten haben Abschlußvollmacht (§ 45VersVG), kommen jedoch in der Praxis kaum vor. Auch die bloßenVermittlungsagenten haben nach § 43 Abs 2 Z 1 bis 4 VersVG jedochvier "Minivollmachten", und zwar zwei passive und zwei aktiveVollmachten (vgl dazu den Gesetzestext).Diese Vollmachten sind gemäß § 47 VersVG beschränkbar. Bei Verbrauchergeschäftenist überdies § 10 KSchG zu beachten.Vgl auch § 43 Abs 3 bis 5 VersVG (Umsetzung der Versicherungsvermittlungs-Richtlinien).2. Anscheinsvollmacht des Agenten§ 1029 ABGB sieht vor, dass ein Geschäftsherr, der keine Vollmachterteilt hat, sich dennoch wie ein Vollmachtgeber behandeln


21lassen muß, wenn er den Rechtsschein erzeugte, Vollmacht gegebenzu haben ("Anscheinsvollmacht"). Diese Anscheinsvollmacht bewirkt,dass sich der Geschäftsherr gegenüber gutgläubigen Drittennicht darauf berufen kann, keine Vollmacht gegeben zu haben.Die Gutgläubigkeit des Dritten wird allerdings bereits durchleichte Fahrlässigkeit beseitigt.Die Anscheinsvollmacht kann gerade im Privatversicherungsrechtbesondere Bedeutung haben, weil Versicherer ihre Agenten oft mitrecht eindrucksvollen Titeln ("Direktor" etc) bedenken, die imVN ohne weiteres den Eindruck erwecken können, dass der solcherartTitulierte gewisse Vollmachten haben wird. Ebenso kann esvorkommen, dass Zusagen von Agenten immer wieder eingehaltenwerden, obwohl diese Zusagen vollmachtsrechtlich an sich nichtgedeckt waren. In diesen Fällen würde eine rechtsgeschäftlicheVerpflichtung des Versicherers entstehen, der (an sich vollmachtslose)Scheinvertreter handelt wirksam für den Versicherer.3. Der Agent als Erfüllungsgehilfe des VersicherersDer Versicherer schließt mit dem VN einen Vertrag, der neben derHauptleistungspflicht (Gefahrtragung) auch Nebenleistungspflichten(Schutzpflichten, Sorgfaltspflichten) begründet. ZurErfüllung dieser Nebenpflichten, die während der Dauer des Versicherungsverhältnisses,aber auch vor seinem Beginn und nachseiner Beendigung bestehen, bedient er sich seiner Gehilfen, fürderen Verschulden er wie für sein eigenes haftet (§ 1313 aABGB).Das gilt natürlich auch für den Agenten. Läßt sich der Agent alsozB vor Vertragsabschluss einen Beratungsfehler zuschuldenkommen (zB über den Beginn der Deckung, über den Umfang des gedecktenRisikos etc), liefert er den Antrag des VN nicht rechtzeitigweiter oder verliert ihn, versäumt er es, den VN daraufaufmerksam zu machen, dass der Wechsel des Risikoorts auf die


22Deckung Einfluß hat etc, dann handelt er schuldhaft und der Versichererhat für dieses Verschulden im Wege des Schadenersatzeseinzustehen.Der Versicherer haftet auf das sogenannte negative Vertragsinteresse.Das bedeutet, dass er den VN so zu stellen hat, wiedieser stünde, wenn er nicht auf die Gültigkeit des Vertragesvertraut hätte. Im Ergebnis bewirkt das, dass der Versicherer imWege des Schadenersatzes das zu ersetzen hat, was er vertraglichzu decken gehabt hätte, wenn eine entsprechende Deckung zustandegekommen wäre, freilich reduziert um die Prämie, die der VN fürdie Deckung zu zahlen gehabt hätte. Der Versicherer haftet jedochnicht, wenn das Verschulden des Agenten keine Konsequenzenhatte, weil die vom VN angestrebte Deckung auch bei pflichtgemäßemVerhalten des Agenten nicht erreicht werden hätte können.Zur Haftung des Versicherers für den "Pseudomakler" vgl nun §43a VersVG.4. Der Agent als Besorgungsgehilfe des VersicherersSelbstverständlich haftet der Versicherer für seine Agenten auchgemäß § 1315 ABGB, und zwar für den Fall, dass sie untüchtig o-der wissentlich gefährlich sind. Diese Haftung spielt jedoch inder Praxis keine besondere Rolle.5. Kenntniszurechnung des AgentenIn vielen Tatbeständen des VersVG (zB bei der vorvertraglichenAnzeigepflicht oder der Gefahrerhöhung) spielt die Kenntnis desVersicherers eine Rolle: Er kann sich auf ein Fehlverhalten desVN nicht berufen, wenn er von den maßgeblichen Umständen ohnediesauf anderem Wege Kenntnis erlangt hat.Es ist daher wichtig, wessen Kenntnis sich der Versicherer zurechnenlassen muß.


23In dieser Hinsicht bestimmte § 44 VersVG ursprünglich lediglichnegativ, dass sich der Versicherer die Kenntnis von bloßen Vermittlungsagentennicht zurechnen lassen muss. Nun wurde dieseBestimmung durch den Satz ergänzt, dass dies nicht für Erklärungendes VN gilt, zu deren Entgegennahme für den Versicherer ergemäß § 43 bevollmächtigt ist. Die beruflich erlangte Kenntnisdes bloßen Vermittlungsagenten wird dem Versicherer also zugerechnet,wenn dem Agenten die Vollmachten nach § 43 VersVG nichtentzogen worden sind.Auch bei Abschlussagenten wird dem Versicherer nur die beruflicheKenntnis zugerechnet. Im Übrigen muss sich der Versichererauch die Kenntnis von solchen Personen zurechnen lassen, diespezifisch zur Ermittlung des Risikos eingesetzt werden.Vertrauensärzte führen dann zur Kenntniszurechnung, wenn sie zurSphäre des Versicherers gehören, also mit diesem in einem ständigenVertragsverhältnis stehen oder ihre Untersuchungen sogarbeim Versicherer durchführen. Ist der Vertrauensarzt dagegen derHausarzt des VN, dann kommt es zu keiner Kenntniszurechnung.6. Irrtums(List)Anfechtung durch den VNIrreführende Angaben des Agenten sind dem Versicherer zuzurechnen.Sie führen nicht nur zur Möglichkeit von Schadenersatzansprüchendes VN, sondern berechtigen ihn auch zur Anfechtungdes Versicherungsvertrages gemäß den §§ 870 ff ABGB.Der Versicherer kann sich nicht darauf berufen, dass der Agent"Dritter" im Sinne des § 875 ABGB sei.7. Verschuldensbeeinflussung durch den AgentenVermittlungsagenten sind dem VN oft bei der Ausfüllung des Antragsformularsbehilflich. Bisweilen füllen sie den Antrag


24selbst aus oder sie geben Auskunft über die Notwendigkeit, dieeine oder die andere Frage zu beantworten.Wenn der VN das vom Agenten ausgefüllte Antragsformular ungelesenunterschreibt, so bedeutet das nach dem OGH bei sogenannten„Individualtatsachen“ (also Tatsachen, die nur der VNaus eigener Kenntnis beantworten kann) jedenfalls ein Verschuldendes VN. Bei „Wahrnehmungstatsachen“ kann er dagegen daraufvertrauen, dass der Agent die Angaben richtig machen werde.Füllt der VN den Antrag selbst aus und verlässt er sich dabeiauf Auskünfte und Beratungen des Agenten, dann kann zwar eineVerletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht vorliegen, dieseVerletzung jedoch durch die Aussagen des Agenten entschuldigtsein. Ein blindes Vertrauen auf die Erklärungen des Agenten istaber jedenfalls nicht zulässig, sondern es kommt schon auf diePlausibilität der Erklärungen an.§ 6 Abschluss, Formen und Änderung des VersicherungsvertragesI. Abschluss des VersicherungsvertragesA) Für den Abschluss des Versicherungsvertrages gelten prinzipielldie Vorschriften des bürgerlichen Rechts, also die §§ 861ff ABGB. Voraussetzung für das Zustandekommen des Vertrages istdie Willensübereinstimmung der beiden Vertragspartner. Die Vertragsfreiheitist jedoch eingeschränkt, da es Fälle gibt, in denender VN zum Abschluss einer Versicherung verpflichtet ist(obligatorische Versicherung). Der Versicherer wird hingegen inkeinem Fall von einem Kontrahierungszwang getroffen. Lediglichin der Kfz-Haftpflichtversicherung wird dafür Sorge getragen,dass der VN einen Versicherer zugewiesen bekommt (§§ 25 KHVG1994).Die allgemeinen Voraussetzungen für das Zustandekommen eines


25gültigen Vertrages werden hier nicht wiedergegeben. Hervorzuhebenist lediglich, dass der Versicherungsvertrag grundsätzlichauch formlos geschlossen werden kann. Zumeist wird jedoch einePolizze ausgestellt (vgl § 7).Für die Kommunikation zwischen Versicherer und VN sieht dasVersVG jedoch vielfach Formvorschriften vor, und zwar dieSchriftform iSd § 886 ABGB (die Unterschriftlichkeit verlangt)unddie sogenannte „geschriebene Form“, die durch dasVersRÄG 2012 eingeführt wurde (§ 1b VersVG). Dieses Gesetz hatauch neuartige Rahmenbedingungen für die elektronische Kommunikationzwischen Versicherer und VN geschaffen (§ 5a VersVG).B) 1. a) In der Praxis wird der Vertragsabschluß in den Massenbranchendadurch eingeleitet, dass der VN ein Antragsformularunterfertigt. Wenn der Vermittlungsagent die Vollmacht nach § 43Abs 2 Z 1 VersVG hat, tritt Bindungswirkung ab dem Zeitpunkt derEntgegennahme durch den Agenten ein. Ist dem Agenten diese Vollmachtjedoch wirksam genommen (§ 47 VersVG, § 10 KSchG!), danntritt Bindungswirkung erst mit dem Einlangen des Antrages beimVersicherer ein. Die Antragsformulare sehen in der Regel vor,dass Anträge "an die Direktion" zu schicken sind.b) Dem VN ist bei sonstiger Rücktrittsmöglichkeit eine Kopieseines Antrages auszuhändigen, wenn er dem Versicherer oder dessenBeauftragten seine Vertragserklärung persönlich abgibt (§ 5b Abs 1).c) Überdies müssen dem VN vor Abgabe seiner Vertragserklärungdie AVB einschließlich der Bestimmungen über die Festsetzung derPrämie ausgehändigt und die Informationspflichten nach §§ 9a,<strong>18</strong>b VAG erfüllt werden. Werden diese Verpflichtungen nicht erfüllt,so hat der VN ein Rücktrittsrecht gemäß § 5 b Abs 2VersVG. Gesetzliche Hinweispflichten enthalten auch die §§ 1aAbs 2 VersVG („negativer Deckungshinweis“) und 75 Abs 2 VAG (für


26die fondsgebundene Lebensversicherung).d) Für die Bindungsfrist gilt § 1 a Abs 1 VersVG. Danach ist derVN, wenn er seinen Antrag auf einem vom Versicherer verwendetenFormblatt stellt, maximal 6 Wochen gebunden. Längere Bindungsfristenmüssen im Einzelnen ausgehandelt werden. Erfolgt die Antragstellungnicht auf einem Formblatt des Versicherers, danngelten die §§ 862 ABGB, 6 Abs 1 Z 1 KSchG. Wenn der Antragstellerdaher ein Verbraucher ist, darf keine unangemessen langeBindungsfrist vereinbart werden.e) Den Versicherer trifft im Allgemeinen weder eine Äußerungspflichtnoch eine Pflicht zur besonders schnellen Behandlung desAntrags. § 2 Abs 5 MBKV sieht jedoch in der Krankenversicherungeine Äußerungspflicht des Versicherers vor. Eine Pflicht zur beschleunigtenBehandlung des Antrages kann sich daraus ergeben,dass der VN erkennbar (oder sogar ausdrücklich) auf eine möglichstschnelle Antwort drängt.f) Der Vertrag kommt mit dem Zugang der Annahmeerklärung in derSphäre des VN zustande. Üblicherweise wird diese Annahmeerklärungdurch Zusendung der Polizze erklärt; eine eigene Annahmeerklärungdes Versicherers ist unüblich.g) Zu beachten sind die Rücktrittsrechte des VN, die sich zumTeil aus dem allgemeinen Zivilrecht, zum Teil aus dem Versicherungsvertragsrechtergeben. Zivilrechtlich kommen vor allem dasRücktrittsrecht bei Haustürgeschäften (§ 3 KSchG) und bei Verträgenin Betracht, die im Wege des Fernabsatzes abgeschlossenwerden (§ 8 FernFinG). Spezifisch versicherungsrechtliche Rücktrittsrechteenthalten die §§ 5b, 5c (nur für Verbraucher) und165a VersVG (für die Lebensversicherung).2. Natürlich kann der Vertragsanbahnungsmechanismus auch anderslaufen. Wenn der VN Offerte von mehreren Versicherern einholt,


27dann tritt der Versicherer als Antragsteller auf, ist ab Zugangseines Offerts an den VN gebunden, und der Vertrag kommt mit demZugang der Annahmeerklärung des VN beim Versicherer zustande.Die Zusendung der Polizze durch den Versicherer hat hier nichtden Charakter der Annahme, sondern dient lediglich der Dokumentationdes Vertragsinhalts (vgl aber sogleich die Ausführungenzur Billigungsklausel).C) Billigungsklausel (§ 5 VersVG)Nach den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Rechts würde Dissensvorliegen, wenn die Annahmeerklärung des Versicherers (inden Massebranchen) dem Antrag des VN nicht entspricht. Wäre sogarschon ein Vertrag zustande gekommen und wiche die Polizzevom Vereinbarten ab, dann wäre diese Abweichung ohne jede rechtlicheBedeutung, da ein Abgehen vom Vertrag nur einvernehmlichmöglich ist.Das VersVG sieht in dieser Hinsicht bedeutsame Besonderheitenvor. Der Versicherer kann in der Polizze vom Antrag, ja sogarvon den getroffenen Vereinbarungen abweichen und den Polizzeninhaltzum Vertragsinhalt werden lassen, wenn er gewisse Hinweispflichtenerfüllt: Er muß den VN auf die Abweichungen imeinzelnen aufmerksam machen und vor allem darauf hinweisen, dassder VN nun binnen einem Monat schriftlich widersprechen muß,wenn er nicht so behandelt werden möchte, als hätte er die Abweichungengenehmigt.§ 5 VersVG ist zur Vereinfachung des Geschäftsablaufes geschaffenworden. Aufgrund seiner Gefährlichkeit für den VN sind andie Hinweispflichten des Versicherers jedoch strenge Anforderungenzu stellen.II. Besondere Formen des Versicherungsvertrages


28A) Vorläufige Deckungszusage1. Unter einer vorläufigen Deckungszusage versteht man einen eigenständigenVersicherungsvertrag, der provisorisch Versicherungsschutzvor endgültiger Risikoprüfung oder vor völligerEinigung der Parteien (zB über die Prämienhöhe) schaffen soll.Er ist an sich dazu bestimmt, in den endgültigen Versicherungsvertragüberzuleiten, kann aber auch bei Scheitern der Verhandlungenals selbständiger Versicherungsvertrag bestehen bleiben.Die Terminologie ist uneinheitlich. Bisweilen wird auch von"vorläufigem Sofortschutz" gesprochen (vgl § 2 Abs 1 ALB), dasKHVG 1994 verwendet den Begriff der "Versicherungsbestätigung"(§ 20 Abs 1 KHVG 1994). Bei der "Versicherungsbestätigung" handeltes sich jedoch in Wahrheit nicht um eine vorläufige Deckung,sondern um eine "deckende Stundung", da über die Einzelheitendes endgültigen Vertrages hier keinerlei Ungewissheitenmehr bestehen.2. Vorläufige Deckungszusagen müssen als selbständige Versicherungsverträgedie Inhaltserfordernisse erfüllen, die an alleVerträge gestellt werden. Eine Deckungszusage "nach Maßgabe derEinigung über Risiko und Prämie" wäre unwirksam, da sie die Mindesterfordernissefür Verträge nicht erfüllt. Es ist daher daraufzu achten, dass die Parteien den Inhalt der vorläufigen Deckungszusagemöglichst konkret bestimmen, insbesondere hinsichtlichdes gedeckten Risikos, der Prämie und auch der Laufzeit dervorläufigen Deckungszusage.3. Vorläufige Deckungszusagen dürfen nicht von jedem Vermittlungsagentenerteilt werden, sondern es bedarf für ihre Zusageeiner entsprechenden Vollmacht des Agenten.4. Vorläufige Deckungszusagen sind, wie schon erwähnt, dazu bestimmt,im endgültigen Versicherungsvertrag aufzugehen. Die De-


29ckung aus der VDZ beginnt mit ihrer Erteilung und endet entwedermit dem Erreichen des vereinbarten Termins, mit einer Kündigungder VDZ bei solchen Zusagen, die auf unbestimmte Zeit erteiltwurden, oder wenn sich die Verhandlungen über den Abschluß desspäteren Vertrags endgültig zerschlagen haben. Bei Zustandekommendes endgültigen Vertrages erlischt die VDZ nicht bereits mitdessen Abschluss, sondern erst mit dem materiellen Beginn desendgültigen Vertrages, damit eine zeitliche Lücke im Versicherungsschutzvermieden wird.5. Für die Deckung aus der vorläufigen Deckungszusage wird imAllgemeinen keine besondere Prämie vorgeschrieben, sondern diesewird der ersten Prämie für den späteren Versicherungsvertrag zugeschlagen.Bei Scheitern der Vertragsverhandlungen steht demVersicherer eine anteilige Prämie zu, wobei strittig ist, ob essich dabei um die Prämie nach dem Kurztarif oder um eine prorata-Prämiehandelt.Die Deckung des Versicherers während der Dauer der VDZ ist jedenfallsgegeben und davon unabhängig, ob die später geschuldeteErstprämie rechtzeitig oder verspätet gezahlt wird. Lediglichfür die Deckung aus dem endgültigen Versicherungsvertrag istdiese Frage von Bedeutung.6. Die Notwendigkeit eines "negativen Deckungshinweises" wurdebereits oben erwähnt (vgl § 1 a Abs 2 VersVG). Durch dieses Erfordernis,das durch die VersVG-Novelle 1994 eingeführt wurde,soll der VN darüber aufgeklärt werden, dass er nicht bereits mitder Antragstellung Deckung genießt. Verletzt der Versichererseine Informationspflicht, so kommt es zu einer "gesetzlichenvorläufigen Deckung".B) Laufende Versicherung1. Gemäß § <strong>18</strong>7 Abs 2 VersVG liegt eine laufende Versicherung


30dann vor, wenn eine Schadensversicherung in der Weise genommenwird, dass die versicherten Interessen beim Abschluss des Vertragesnur der Gattung nach bezeichnet und erst nach ihrer Entstehungdem Versicherer einzeln aufgegeben werden.Die laufende Versicherung kommt vor allem in der Gütertransportversicherungund der Rückversicherung vor, doch werden auchzB Feuerversicherungen von Lagerhaltern und Einheitsversicherungenin der Form von laufenden Versicherungen genommen.2. Die Deklaration seitens des VN, die das VersVG als "Aufgabe"des Risikos bezeichnet, kann obligatorisch (also verbindlich)oder fakultativ sein. Im allgemeinen liegt eine beiderseits obligatorischelaufende Versicherung vor, dh dass sowohl der Versicherungsnehmerdas neue Risiko jeweils aufgeben und der Versichererdieses Risiko auch übernehmen muss. Es kommen aber auchbeiderseits fakultative laufende Versicherungen oder Versicherungen,die auf einer Seite obligatorisch und auf der anderenSeite fakultativ sind, vor.Der Charakter der laufenden Versicherung kommt auch in der Polizzierungzum Ausdruck. Der "laufenden Polizze" als Urkundeüber den Gesamtvertrag stehen "Einzelpolizzen" (Zertifikate)über die einzelnen Deklarationen zur Seite.C) Gruppenversicherungen (Kollektivversicherungen)Gruppenversicherungen kommen insbesondere in der Unfallversicherung(vgl die Besonderen Bedingungen für die Kollektiv-Unfallversicherung 1988) und der Krankenversicherung (vgl § 178mVersVG und die AVBGV 1986) vor, sind jedoch auch in der Haftpflicht-und Rechtsschutzversicherung anzutreffen.Bei ihnen liegt ein einheitlicher Versicherungsvertrag vor,durch den ein Versicherungsnehmer eine Gruppe von Versicherten


31versichert. Ausgehend von der Annahme, dass innerhalb einer größerenGruppe ein besserer Risikoausgleich stattfinden wird unddass es für den Versicherer zur Senkung von Verwaltungskostenkommt, werden in der Gruppenversicherung günstigere Prämien gewährt.Ferner wird auch auf eine Gesundheitsprüfung der einzelnenVersicherten verzichtet.Die Ausgestaltung der konkreten Rechtsstellung der Versichertenerfolgt im Gruppenvertrag.D) Kombinierte Versicherung und Bündelversicherung1. Von einer kombinierten Versicherung spricht man dann, wennRisikoelemente mehrerer Sparten in einem einzigen Versicherungsvertragzusammengefasst sind. Musterbeispiel dafür ist dieHaushaltsversicherung, die Elemente verschiedener Sachversicherungenund der Privathaftpflichtversicherung enthält.Die Kombination dieser Risikoelemente ändert nichts daran, dasses sich insgesamt um einen einheitlichen Versicherungsvertraghandelt, der daher auch ein ungeteiltes rechtliches Schicksalerleidet. Eine teilweise Kündigung der einzelnen Risikoelementeist daher nicht möglich.2. Anders ist die Situation bei den Bündelversicherungen. Dabeiwerden mehrere Versicherungen derart gebündelt, dass in einemAntragsformular zwei oder mehrere Anträge enthalten sind, überdie meistens auch nur eine einzige Polizze ausgestellt wird.Die Bündelung berührt aber die Selbständigkeit der einzelnenVersicherungsverträge nicht. Sie können daher auch ein voneinanderunabhängiges rechtliches Schicksal erleiden, also zBisoliert voneinander gekündigt werden.Durch AVB oder auch durch Einzelvereinbarung kann allerdingsvereinbart werden, dass die "gebündelten" Verträge in einer


32Wechselbeziehung stehen, etwa dahingehend, dass die Kündigungdes einen Vertrages auch zur Kündbarkeit des anderen Vertragesführt. Diese Rechtsfolge müßte allerdings konkret vereinbartwerden und ergibt sich nicht schon aus der Tatsache der Bündelungallein. Es ist also zB unrichtig, aus der Möglichkeit derleichten Kündbarkeit von Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsverträgengemäß § 14 KHVG 1994 zu schließen,dass ein VN bei Lösung seiner Kfz-Haftpflichtversicherung auchseine sonstigen Kfz-Verträge (zB Kasko oder Rechtsschutz) lösenkönnte.III) Nachträgliche Änderungen des Versicherungsvertrages1. Versicherungsverträge unterliegen wie alle anderen Verträgeauch dem Prinzip der Vertragstreue. Das bedeutet, dass nachträglicheÄnderungen des Versicherungsvertrages grundsätzlichnur einvernehmlich erfolgen können. Dieses Prinzip gilt auch fürAllgemeine Versicherungsbedingungen. Werden also neue Versicherungsbedingungenauf den Markt gebracht, so unterliegen die"Altverträge" immer noch denjenigen AVB, die ihnen zugrunde gelegtworden sind. Eine Einbeziehung der neuen AVB in die "Altverträge"bedarf der Zustimmung des VN, der sich durch eine Gegenüberstellungder alten und der neuen Bedingungen ausrechnenkann, welche Bedingungen für ihn die günstigeren sind.2. VN können sich allerdings bereits im Vorwege zukünftigen Änderungenvertraglich unterwerfen ("Änderungsklauseln"). Einesolche Änderungsklausel enthält zB § <strong>18</strong> MBKV 1984. Die Privilegierungder Kfz-Haftpflichtversicherung, bei der Änderungen vonAVB und Tarifen stets auch für Altverträge wirksam waren (vgl §<strong>18</strong> des KHVG 1987), ist entfallen, sodass auch die Kfz-Haftpflichtversicherer entsprechende Änderungsklauseln vereinbarenmüssen. Vgl die Artt 12 ff der Musterbedingungen für dieKfz-Haftpflichtversicherung 2012/1.


33§ 7 Der Versicherungsschein (Polizze)I. Wesen des VersicherungsscheinesVersicherungsverträge sind nicht formbedürftig, sie können daherauch mündlich abgeschlossen werden (§ 883 ABGB). Selbst für diesenFall ist es jedoch üblich, den Inhalt des Vertrages zu verbriefen.Diesem Zweck dient der Versicherungsschein (§§ 3 bis 5VersVG).Im Allgemeinen hat die Polizze aber auch für das Zustandekommendes Vertrages eine wesentliche Funktion. In den Massenbranchennimmt der Versicherer den Antrag des VN durch Zusendung der Polizzean. Hat der Versicherer die Annahmefrist versäumt, dannliegt in der zugesendeten Polizze ein Antrag des Versicherers,den der VN (im Allgemeinen durch Zahlung der Prämie) seinerseitsannimmt.Die Aushändigung der Polizze ist keine Gültigkeitsvoraussetzungfür das Zustandekommen des Vertrages. Die Ausstellung der Polizzekann vertraglich auch abbedungen werden (§§ 3 Abs 1, 35VersVG).II. Die Rechtsnatur des VersicherungsscheinesA) Beweisurkunde1. Vermutung der Richtigkeit: Es wird vermutet, dass der Versicherungsvertragso zustande gekommen ist, wie es der Polizzeentspricht.2. Vermutung der Vollständigkeit: Es wird vermutet, dass keineweiteren als die beurkundeten Abreden getroffen worden sind.B) Schuldschein


34Die Polizze kann auch (qualifizierter) Schuldschein sein, wennder Versicherer ihre Vorlage bzw - nach dem Ende der Versicherung- deren Rückgabe verlangen muss (§ 4 Abs 2 Satz 1 VersVG);vgl § 11 Abs 1 ALB. Die meisten Polizzen sind jedoch nur einfacheSchuldscheine.C) Ausweispapier (Legitimationspapier, hinkendes Inhaberpapier)Insbesondere Lebensversicherungspolizzen enthalten oft eine "Inhaberklausel"(vgl § 13 ALB: "Lautet die Versicherungsurkundeauf den Überbringer, so kann der Versicherer den Inhaber derVersicherungsurkunde als berechtigt ansehen, über alle Ansprücheaus dem Versicherungsvertrag zu verfügen, insbesondere die Leistungdes Versicherers in Empfang zu nehmen; er kann aber denNachweis der Verfügungs- oder Empfangsberechtigung verlangen").Bei solchen Legitimationspapieren kann der Versicherer an denInhaber auszahlen, muß es jedoch nicht, sondern kann den Nachweisder Berechtigung verlangen. Tut er das nicht und zahlt er(grob?) fahrlässig an den Nichtberechtigten aus, dann trägt erdie Gefahr und muß nochmals (an den Berechtigten) zahlen (§ 4Abs 1 VersVG).D) Echtes WertpapierInhaberpapiere sind im Bereich der Binnenversicherung (also imAnwendungsbereich des VersVG) durch § 4 Abs 1 VersVG verboten.Orderpapiere, die durch Indossament - gleich einem Wechsel -übertragen werden können, kommen in der Transportversicherungvor (§ 363 UGB).§ 8 Dauer der VersicherungI. Zeitversicherung und dauernde Versicherung


35A) Zeitversicherung1. Versicherungsverträge können auf bestimmte Zeit abgeschlossenwerden ("Zeitversicherung"). Die Zeitbestimmung kann durchkalendermäßige Fixierung (zB 10-Jahresverträge) oder auf andereWeise erfolgen. So gibt es in der Transportversicherung zB die"Reiseversicherung" (§§ 134 ff VersVG), durch die ein Gut fürden Zeitraum des gesamten Transportes versichert ist.2. Bei Zeitversicherungen wird meist auch die Stunde des materiellenBeginns vereinbart. Bei Fehlen einer Vereinbarung greift§ 7 VersVG ein, der auf die Mittagsstunde abstellt.3. Verlängerungsklausel§ 8 Abs 1 VersVG sieht die Möglichkeit einer Verlängerungsklauselin Zeitversicherungsverträgen vor, die aber nur innerhalbeines bestimmten Rahmens zulässig ist (vgl den Gesetzestext;ähnlich auch § 14 Abs 2 KHVG 1994). Die AVB machen in derRegel von dieser Möglichkeit Gebrauch (vgl zB Art 17 ABS).Bei Verbraucherverträgen ist jedoch § 6 Abs 1 Z 2 KSchG zu beachten.4. § 14 KHVG 1994Gemäß § 14 KHVG dürfen in der Kfz-Haftpflichtversicherung Versicherungsverträgenicht mit einer längeren als einer ein-jährigenLaufzeit abgeschlossen werden.5. § 8 Abs 3 VersVGDie VersVG-Novelle 1994 hat dem § 8 einen neuen Abs 3 angefügt,der nur für das Verbrauchergeschäft gilt. Nach dieser Bestimmungkönnen Versicherungsverträge, die ein Verbrauchergeschäft dar-


36stellen, jedenfalls nach dem Ablauf von 3 Jahren gekündigt werden.B) Dauernde Versicherung1. Versicherungsverträge können natürlich auch auf unbestimmteZeit abgeschlossen werden. § 8 Abs 2 VersVG bezeichnet dies als"dauernde Versicherung". Diese Versicherungsform trägt ihr Endenicht in sich, sondern muß durch Kündigung beendet werden. Dafürsieht § 8 Abs 2 VersVG vor, dass beide Vertragspartner jederzeit,aber nur für den Schluss der laufenden Versicherungsperiodekündigen können. Auf das Kündigungsrecht können die beidenParteien nur bis maximal auf 2 Jahre verzichten.2. "Dauernde" Versicherungen sind vor allem in der Krankenversicherungund in der Lebensversicherung üblich. In der Krankenversicherunghat der Versicherer jedoch nur ausnahmsweise einKündigungsrecht (vgl § 178 i VersVG), da Krankenversicherungsverträgenur auf Lebenszeit des VN geschlossen werden dürfen.In der Lebensversicherung kann gemäß § 165 Abs 1 VersVG derVN jederzeit für den Schluss der laufenden Periode kündigen.II. Die drei Arten der VersicherungsdauerA) Formelle, materielle und technische VersicherungsdauerFormelle Versicherungsdauer ist der Zeitraum zwischen Abschlussdes Vertrages und Beendigung des Vertrages (durch Zeitablauf,Kündigung etc) bzw Erfüllung der Verbindlichkeiten aus dem Vertrag(Abwicklung des Versicherungsfalles).Materielle Versicherungsdauer ist der Zeitraum der Deckung ausdem Vertrag.Technische Versicherungsdauer ist der prämienbelastete Zeitraum.


37B) Formelle, materielle und technische Versicherungsdauer könnenauseinanderfallen:1. Formelle und technische Versicherungsdauer fallen zB bei derRückdatierung auseinander. Bei der Rückdatierung wird der "Versicherungsbeginn"aus Gründen der leichteren Berechenbarkeit aufeinen Zeitpunkt vorverlegt, der vor dem Abschluss des Vertragesliegt; der VN zahlt somit Prämie für einen Zeitraum, in dem ernoch keine Deckung genießt. Ein weiteres Beispiel für das Auseinanderklaffendieser beiden Zeiträume stellte früher der sogenannteGrundsatz der "Unteilbarkeit" der Prämie dar, der in einerReihe von Fällen dazu führte, dass der VN noch die Jahresprämiezahlen musste, obwohl der Vertrag bereits (zB durch Rücktritt,Anfechtung, Kündigung etc) erloschen war. Dieser Grundsatzder Unteilbarkeit der Prämie ist nun jedoch durch dieVersVG-Novelle 1994 zur Gänze beseitigt worden (vgl nun § 40 neuVersVG).2. Ein Auseinanderfallen von formeller und materieller Versicherungsdauerliegt zB bei der Rückwärtsversicherung (§ 2VersVG) vor, bei der im Gegensatz zur bloßen Rückdatierung derBeginn der Deckung auf einen Zeitpunkt vor dem Abschluß des Vertragesvorverlegt wird. Voraussetzung für die Wirksamkeit derRückwärtsversicherung ist freilich die Ungewißheit des Eintrittsdes Versicherungsfalles; vgl dazu näher den Text von § 2 VersVG.Nach der Judikatur des OGH ist bei einer Vorverlegung des Versicherungsbeginnsin der Polizze auf einen Zeitpunkt vor Abschlußdes Vertrages (in der Regel also: vor Zugang der Polizze) imZweifel Rückwärtsversicherung und nicht bloße Rückdatierung anzunehmen,da dem VN nicht unterstellt werden kann, dass er füreine Zeit Prämie zahlen möchte, während der er keine Deckung genießt.Rückdatierung kann in diesen Fällen nur dann angenommenwerden, wenn es einen vernünftigen Grund für eine bloße Vorver-


38legung des technischen Versicherungsbeginns gibt (zB Erreichungeiner günstigeren Prämienstufe in der Kranken- oder Lebensversicherung).Ein weiteres Beispiel für ein Auseinanderklaffen von formellerund materieller Versicherungsdauer ist der Zeitraum nach dem Ablaufder Nachfrist nach einer qualifizierten Einmahnung der Folgeprämie(§ 39 Abs 2 VersVG): Der Vertrag ist noch aufrecht, esbesteht jedoch keine Deckung.§ 9 Die Pflichten der VertragsparteienI. Die Pflichten des VNA) Echte Rechtspflichten - Obliegenheiten1. Echte Rechtspflichten begründen bei ihrer Verletzung Rechtswidrigkeit;bei Verschulden besteht daher ein Schadenersatzanspruchdes Versicherers; die Rechtspflichten sind durch Klageerzwingbar; der VN haftet für das Verschulden seiner Gehilfennach § 1313a ABGB.2. Obliegenheiten sind "Pflichten minderer Zwangsintensität",deren Erfüllung nicht dem Interesse des Versicherers, sondernjenem des VN dient. Ihre Verletzung begründet keine Rechtswidrigkeit,sondern ist (wie zB auch die Verletzung der Schadenminderungspflichtim Schadenersatzrecht nach § 1304 ABGB) alsSorglosigkeit in der eigenen Sphäre zu qualifizieren, die zu unangenehmenKonsequenzen für den VN führen kann; der Versichererkann die Einhaltung von Obliegenheiten weder durch Klage erzwingennoch stehen ihm bei Verletzung im allgemeinen Schadenersatzansprüchezu; das Verschulden von Gehilfen ist dem VN nicht nach§ 1313a ABGB zuzurechnen.B) Die Prämienzahlungspflicht des VN


391. Die Prämienzahlungspflicht ist die wichtigste echte Rechtspflichtdes VN (vgl als weiteres Beispiel Art 11.3. AHVB/ EHVB2005). Die Prämie ist die Gegenleistung des VN für die Gefahrtragungdurch den Versicherer.2. Arten der Prämiea) Einmalprämie und laufende Prämieb) Erstprämie und Folgeprämie3. Problematische Fälle der Abgrenzung zwischen Erst- und FolgeprämieDie Abgrenzung zwischen Erst- und Folgeprämie ist vor allem wegender schärferen Sanktionen bei Erstprämienzahlungsverzug bedeutsam.Auch wenn die Unterschiede zu den Rechtsfolgen bei Folgeprämienzahlungsverzugaufgrund der VersVG-Novelle 1994 nichtmehr so gravierend sind wie vorher, ist doch keine völligeGleichschaltung erfolgt. In manchen Fällen ist es aber nichtganz einfach zu entscheiden, welche Regeln (§ 38 oder § 39VersVG) zur Anwendung kommen.a) Bei der Ratenzahlung (viertel-jährige, halb-jährige oder monatlichePrämie) wendet die Judikatur bei ursprünglich vereinbarterRatenzahlung nur auf die erste Rate § 38, auf die folgendenRaten jedoch § 39 VersVG an. Wird die Ratenzahlung nurnachträglich zugestanden, dann soll keine deckende Stundung,sondern nur eine fälligkeitsverschiebende Stundung vorliegen.b) Bei der Veräußerung einer versicherten Sache geht der "Altvertrag"von Gesetzes wegen auf den Erwerber über (§ 69 VersVG).Der "Nachfolgevertrag", den der Veräußerer hinsichtlich der neuangeschafften Sache mit seinem Versicherer abschließt, ist daher


40(auch bei Beibehaltung der Polizzennummer, Anrechnung von Guthabenetc) notwendigerweise ein neuer Vertrag, sodass die erstevorgeschriebene Prämie aus diesem Vertrag Erstprämie im Sinnedes § 38 VersVG ist.c) Bei der vorläufigen Deckungszusage verlangte die Judikaturvor der VersVG-Novelle 1994 bei Vorschreibung der Erstprämie einenwarnenden Hinweis des Versicherers, dass die schon bestehendeDeckung nun entfallen kann, wenn nicht unverzüglich eingelöstwird. Erging kein solcher Hinweis, dann konnte sich der Versichererauf den Prämienzahlungsverzug nicht berufen. Diese Judikaturist durch die Neufassung des § 38 VersVG jedoch gegenstandslosgeworden.4. Höhe der Prämiea) In manchen Branchen mußte vor der Umsetzung der 3. Richtliniengenerationder Prämientarif von der Aufsichtsbehörde genehmigtwerden. Dazu gehörte vor allem die Lebens- und die Krankenversicherung.Nun ist die Tarifgestaltung völlig den Unternehmungenüberlassen. Lediglich in der Lebensversicherung undder substitutiven Krankenversicherung kann der Gesetzgeber vorsehen,dass der Aufsichtsbehörde die Rechnungsgrundlagen vorzulegensind (vgl § <strong>18</strong> Abs 1 VAG).b) In der Kfz-Haftpflichtversicherung wurde die Prämie bis zumInkrafttreten des KHVG 1987 sogar durch Verordnung des BMF festgesetzt;es gab also keinen Prämienwettbewerb, sondern Einheitsprämien.Seit dem Beitritt Österreichs zur EU ist die Festlegungder Unternehmenstarife den einzelnen Versicherungsunternehmungenüberlassen.c) Verbandstarife, also Tarife, die Preisempfehlungen darstellen,sind vor dem Hintergrund des Kartellverbots des EG-Vertrages problematisch. Sie sind nur insoweit zulässig, als es


41sich um "Nettotarifempfehlungen" handelt. Bruttotarifeempfehlungen,aber auch einheitliche Bonus-Malus-Systeme etc würden gegendas Kartellverbot des EU-Vertrages verstoßen.d) Nach § 1c VersVG, der durch das VersRÄG 2013 eingeführt wurde,darf der Faktor Geschlecht – vorbehaltlich des § <strong>18</strong>f Abs 7VAG – nicht zu unterschiedlichen Prämien oder Leistungen fürFrauen und Männer führen. § 1d VersVG enthält Regeln über diePrämie bei der Versicherung für Menschen mit Behinderung.5. Gläubiger und Schuldner der Prämiea) Gläubiger der Prämie ist der Versicherer.b) Schuldner ist grundsätzlich nur der VN, nicht etwa auch derVersicherte oder der Bezugsberechtigte.Gemäß § 35a VersVG muß der Versicherer die Prämie jedoch auchvom Versicherten in der Versicherung für fremde Rechnung (VffR),vom unwiederruflich Bezugsberechtigten und vom Pfandgläubigerentgegennehmen. Gemäß § 35b VersVG kann der Versicherer die ihmzustehende Prämie von der ihm vertragsgemäß obliegenden Leistungabziehen, auch wenn er die Leistung nicht dem VN, sondern einemDritten schuldet (Ausnahme: Pflichthaftpflichtversicherung! (§158g VersVG)).6. Fälligkeit der Prämiea) Die erste laufende Prämie oder die Einmalprämie ist "sofortnach dem Abschlusse des Vertrages" (also in der Regel: nach Zusendungder Polizze) zu zahlen (§ 35 VersVG). "Sofort" heißtnach der Judikatur des OGH innerhalb einiger weniger Tage (3 bis5 Tage). Solange die Polizze nicht zugeschickt wurde, hat der VNeine fälligkeitsverschiebende Einrede: Er ist zur Zahlung nurgegen Aushändigung des Versicherungsscheines verpflichtet. Diese


42Einrede hat allerdings nur dort Bedeutung, wo es bereits vor Zusendungdes Versicherungsscheines zum Abschluss des Vertragesgekommen ist.b) Über die Fälligkeit der Folgeprämien sagt das VersVG nichts.In Ermangelung einer besonderen Vereinbarung ist die Folgeprämieam jeweils 1. Tag des neuen versicherungstechnischen Abschnitts(Versicherungsperiode, Ratenzeitraum) fällig (vgl Art 4 Abs 1ABS, § 5 Abs 1 AKHB etc).7. Leistungsort und Leistungszeita) Die Prämie ist eine Geldschuld und damit in Übereinstimmungmit § 905 ABGB eine qualifizierte Schickschuld (§ 36 VersVG).Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung der Prämie kommt es daherauf den Zeitpunkt des Abschickens an, die Prämie reist jedochauf Risiko des VN. Kommt sie nicht an, so muss er nochmals zahlenund hat außerdem die Fälligkeit nicht gewahrt.b) Der Barzahlung der Prämie beim Versicherer wird die Barzahlungbei der Post, ebenso aber auch die Banküberweisung und derEinziehungsauftrag gleichgehalten. Bei der Banküberweisung undbeim Einziehungsauftrag kommt es darauf an, ob am Fälligkeitstagder Überweisungsauftrag gegeben wurde oder (beim Einziehungsauftrag)Deckung des Kontos des VN bestand, sodass die Einziehunghätte durchgeführt werden können. Wann die Prämienzahlung danndem Konto des Versicherers gutgeschrieben wird, ist für dieRechtzeitigkeit der Zahlung nicht mehr entscheidend.c) Diese Regeln galten bis vor kurzem ganz allgemein. Das Vers-RÄG 2013 hat auf Grund einer Entscheidung des EUGH nun jedocheine Differenzierung eingeführt: Bei Unternehmern ist die Übermittlungder Prämie nur dann rechtzeitig, wenn die Zahlung beiFälligkeit beim Versicherer eingelangt ist (36 Abs 2 nF VersVG).In Ansehung der Rechtsfolgen nach §§ 38 Abs 2 und 39 Abs 2


43VersVG (also der Leistungsfreiheit des Versicherers) gilt dieFrist jedoch als gewahrt, wenn die bis zum Eintritt der Fälligkeitveranlasste Zahlung in der Folge beim Versicherer einlangt.d) Die Beweislast für die Rechtzeitigkeit der Zahlung trifft denVN.8. Die Rechtsfolgen des Verzugs mit der Erst- bzw Einmalprämie(§ 38 VersVG)a) Der Versicherer kann auf Erfüllung bestehen und die Prämiesamt Zinsen verlangen; er muß allerdings binnen drei Monaten gerichtlichklagen, widrigenfalls er unwiderleglich als zurückgetretengilt.b) Der Versicherer kann aber auch zurücktreten, wenn der VNnicht innerhalb von 14 Tagen nach dem Abschluss des Versicherungsvertragesund nach der Aufforderung zur Prämienzahlungnicht gezahlt hat.c) Der Versicherer ist leistungsfrei, wenn der VN zur Zeit desEintritts des Versicherungsfalles und nach Ablauf der Frist von14 Tagen noch nicht gezahlt hat, soferne der VN schuldhaft inVerzug geraten ist.Bei dieser Regel des neuen § 38 Abs 2 VersVG handelt es sich umeine gesetzliche "erweiterte" Einlösungsklausel, die Verzug desVN im Zeitpunkt des Versicherungsfalles verlangt. Der alte § 38Abs 2 VersVG stellte dagegen nur darauf ab, ob der VN im Zeitpunktdes Versicherungsfalles die Prämie gezahlt hatte, ohneRücksicht darauf, ob Fälligkeit gegeben war oder nicht (sogenannte"strenge" Einlösungsklausel). Darüber hinaus enthält § 38Abs 2 neu VersVG auch eine "subjektive" erweiterte Einlösungsklausel,da er dem VN den Beweis eröffnet, dass er an der rechtzeitigenZahlung der Prämie ohne sein Verschulden verhindert


44war.d) Der neue § 38 enthält aber noch weitergehende Verbesserungender Position des VN:aa) Der VN muß ausdrücklich zur Prämienzahlung "aufgefordert"werden. Ohne diese Aufforderung gibt es weder Rücktritt nochLeistungsfreiheit des Versicherers.bb) Die "Aufforderung" zur Prämienzahlung muss ausdrücklich aufdie möglichen Rechtsfolgen des Verzuges hinweisen, widrigenfallses wieder weder Rücktritt noch Leistungsfreiheit gibt.cc) Die Nichtzahlung von Zinsen oder Kosten begründet weder einRücktrittsrecht noch Leistungsfreiheit (§ 38 Abs 4).dd) Schließlich enthält § 39 a sowohl für den Verzug mit derErstprämie als auch für jenen mit der Folgeprämie eine "Bagatellegrenze",die allerdings nur für die Leistungsfreiheit undnicht auch für das Rücktritts- bzw. Kündigungsrecht gilt.9. Die Rechtsfolgen des Verzuges mit einer Folgeprämie (§ 39VersVG)a) Der Versicherer kann auf Erfüllung bestehen.b) Der Versicherer kann kündigen.c) Der Versicherer kann sich im Versicherungsfall auf Leistungsfreiheitberufen, wenn der VN den Verzug verschuldet hat (neudurch VersVG-Novelle 1994!).Die beiden letztgenannten Möglichkeiten hat der Versicherer jedochnur, wenn er den VN qualifiziert gemahnt hat. Er muss ihmeine mindestens 14-tägige Nachfrist setzen und ihn darauf auf-


45merksam machen, welche Rechtsfolgen sich an das ungenützte Verstreichendieser Nachfrist knüpfen können. Unterlässt er die"qualifizierte" Mahnung, dann kann er weder kündigen noch sichauf Leistungsfreiheit berufen.Die Judikatur stellt an die qualifizierte Mahnung sehr hohe Anforderungen.Überdies muß der Versicherer den Zugang der qualifiziertenMahnung beweisen.Versicherungsfälle während der Nachfrist sind jedenfalls nochgedeckt.Die Kündigung kann schon mit der qualifizierten Mahnung für denFall des ungenützten Verstreichens der Nachfrist ausgesprochenwerden ("verbundene Kündigung").Der VN kann bei ausgesprochener Kündigung des Versicherers dasVersicherungsverhältnis noch "revitalisieren", wenn er binneneinem Monat die Zahlung nachholt, sofern nicht bereits der Versicherungsfalleingetreten ist (§ 39 Abs 3 VersVG).d) Auch hier gilt, dass die Nichtzahlung von Zinsen oder Kostenweder Kündigungsmöglichkeit noch Leistungsfreiheit eröffnen (§39 Abs 4).e) Auf die "Bagatellegrenze" des § 39 a wurde bereits hingewiesen.C) Obliegenheiten des VN1. Einteilung der Obliegenheitena) Nach dem Inhalt: Obliegenheiten, die auf ein Tun gerichtetsind (zB Anzeigepflichten, Rettungspflicht) und solche, die aufein Unterlassen gerichtet sind (zB Gefahrstandspflicht bei der


46Gefahrerhöhung).b) Nach der Dauer des geforderten Verhaltens: Kurzfristige Obliegenheiten- Dauerobliegenheiten.c) Nach dem Zeitpunkt der Erfüllung: Obliegenheiten, die vorVersicherungsfall zu erfüllen sind ("primäre" Obliegenheiten) -Obliegenheiten, die nach Versicherungsfall zu erfüllen sind("sekundäre" Obliegenheiten).d) Nach der Gefahrbezogenheit: Vorbeugende Obliegenheiten -schlichte Obliegenheiten.e) Nach der Art der Auferlegung: Gesetzliche - vertragliche Obliegenheiten.f) Nach den Rechtsfolgen: Obliegenheiten mit Verwirkungsfolgen -Obliegenheiten ohne Verwirkungsfolgen.g) Nach ihrem Zusammenhang mit der Prämienhöhe: Äquivalenz sichernde- nicht äquivalenzsichernde Obliegenheit2. Vertragliche Obliegenheiten (§ 6 VersVG)a) Primäre Obliegenheiten (§ 6 Abs 1, Abs 1a und 2 VersVG)aa) KlarstellungserfordernisWird dem Versicherer vor einem Versicherungsfall eine Obliegenheitsverletzungbekannt, so muss er diese aufgreifen und binnenMonatsfrist kündigen, widrigenfalls er sich nicht nur derKündigungsmöglichkeit, sondern auch der Leistungsfreiheit in einemzukünftigen Versicherungsfall begibt.bb)Verschuldenserfordernis


47Grundsätzlich kann der Versicherer schon bei leicht fahrlässigerVerletzung einer primären Obliegenheit den Vertrag binnen einemMonat ab Kenntnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigenbzw sich im Versicherungsfall auf Leistungsfreiheit berufen.Dieser Grundsatz wurde durch die VersVG-Novelle wesentlich eingeschränkt,die in § 6 einen neuen Abs 1 a einfügte. Bei derVerletzung einer prämienrelevanten primären Obliegenheit trittdie vereinbarte Leistungsfreiheit nur in dem Verhältnis ein, indem die vereinbarte hinter der für das höhere Risiko tarifmäßigvorgesehenen Prämie zurückbleibt („äquivalenzbezogene Verhältnismäßigkeitsregel“).Bei der Verletzung von Obliegenheiten zusonstigen bloßen Meldungen und Anzeigen, die keinen Einfluß aufdie Beurteilung des Risikos durch den Versicherer haben (alsosonstige "schlichte" Obliegenheiten sind), tritt die Leistungsfreiheitnur ein, wenn die Obliegenheit vorsätzlich verletztworden ist. Die Möglichkeit der Kündigung durch den Versichererwird durch diese Regelungen jedoch nicht eingeschränkt.cc) KausalitätserfordernisBei "vorbeugenden" Obliegenheiten, das sind solche, die vom VNzum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einerErhöhung der Gefahr zu erfüllen sind, kann sich der Versicherernicht auf Leistungsfreiheit berufen, wenn die Verletzung keinenEinfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalles oder soweit siekeinen Einfluß auf den Umfang der dem Versicherer obliegendenLeistung gehabt hat.Dieser Kausalitätsgegenbeweis ist vom VN zu führen. Er ist durchdie VersVG-Novelle 1994 aber entscheidend erleichtert worden, danun nicht mehr das "Alles-oder-Nichts-Prinzip" gilt, sondern der"Verhältnismäßigkeitsgrundsatz": Verwirkung nur nach Maßgabe derKausalität („kausalitätsbezogene Verhältnismäßigkeitsregel“).


48Bei "schlichten" Obliegenheiten ist ein Kausalitätsgegenbeweisnicht möglich, da durch diese Obliegenheiten nicht das versicherteRisiko selbst, sondern nur das "subjektive" Risiko des VN(die sogenannte "Vertragsgefahr") bekämpft werden soll. Beiihnen hilft jedoch der neue Abs 1 a des § 6 VersVG.b) Sekundäre Obliegenheiten (§ 6 Abs 3 VersVG)aa) KlarstellungserfordernisEin Klarstellungserfordernis gibt es bei den sekundären Obliegenheitennicht, da die Verletzung einer solchen Obliegenheitallein dem Versicherer kein Recht zur (ordentlichen) Kündigunggibt; der Versicherer könnte nur aus wichtigem Grund kündigen.bb) VerschuldenserfordernisBei sekundären Obliegenheiten schadet dem VN nur Vorsatz undgrobe Fahrlässigkeit; leichte Fahrlässigkeit ist unschädlich.cc) KausalitätserfordernisBei grob fahrlässiger Verletzung einer sekundären Obliegenheitbleibt der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit dieVerletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfallesnoch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versichererobliegenden Leistung Einfluss gehabt hat. Es kommt also nur zueiner verhältnismäßigen Verwirkung nach Maßgabe der Kausalität.Das gilt nun (Neuerung durch die VersVG-Novelle 1994!) auch beiVorsatz, es sei denn, dass der VN mit Täuschungs- oder Verschleierungsvorsatzgehandelt hat. In diesem Fall hat er keineMöglichkeit eines Kausalitätsgegenbeweises.


49c) Gemeinsame Bestimmungen für primäre und sekundären Obliegenheitenaa) Unzulässigkeit der Vereinbarung eines Rücktrittsrechts desVersicherers (§ 6 Abs 4 VersVG)bb) Unzulässigkeit der Berufung auf eine bloß fahrlässige Verletzungeiner vereinbarten Obliegenheit, wenn diese dem VN wederdurch die Aushändigung der AVB noch durch Ausfolgung einer anderenUrkunde vor ihrer Verletzung mitgeteilt worden ist (§ 6 Abs5 VersVG; vgl auch § 158 m VersVG).cc) BeweislastverteilungDer Versicherer muß lediglich den objektiven Tatbestand der Obliegenheitsverletzungbeweisen. Der VN hat dann die entsprechendenGegenbeweise zu führen, also den Entschuldigungsbeweis(der je nach Art der Obliegenheit verschieden weit geht),den Kausalitätsgegenbeweis (der ebenfalls bei primären und sekundärenObliegenheiten unterschiedlich zu führen ist) und allenfallsauch den Beweis, dass der Versicherer (bei einer primärenObliegenheit) das Klarstellungserfordernis verletzt hat.dd) "Verhüllte" Obliegenheiten§ 6 VersVG ist gemäß § 15a VersVG halbzwingend, kann also zuLasten des VN nicht abbedungen werden. Der Versicherer könntedaher versucht sein, Umstände, die an sich den Gegenstand vonObliegenheiten bilden, in das Kleid eines Risikoausschlusses zufassen. Das ist durch sprachliche Mittel relativ leicht zu erreichen.Es ist jedoch naheliegend, dass solche Umgehungsversuche unwirksamsein müssen. Risikoausschlüsse, die in Wirklichkeit Obliegenheitendarstellen, werden als "verhüllte" Obliegenheiten


50bezeichnet, und unterliegen nach ihrer "Entlarvung" den Regelungendes § 6 VersVG.Wann ein Umstand materiell als Obliegenheit zu qualifizierenist, ist nicht unumstritten. Im Allgemeinen wird darauf abgestellt,ob es auf ein Tun oder Unterlassen des VN ankommt, dasmit der Gefahrtragung des Versicherers in engem Zusammenhangsteht.Beispiele für verhüllte Obliegenheiten:Führerscheinklausel in den alten AUVB und in den ARB 1965/82.Die meisten verhüllten Obliegenheiten sind in den neuen Fassungender AVB bereits in den Bestand der Obliegenheiten überführtworden.ee) SelbstverschuldensprinzipNach herrschender Auffassung in Österreich geht § 6 VersVG vomSelbstverschuldensprinzip aus: Dem VN schadet nur sein eigenesVerschulden, nicht auch jenes seiner Gehilfen. Die deutsche "Repräsentantentheorie"wird abgelehnt. Nach dieser Theorie hat derVN für das Verschulden derjenigen Personen einzustehen, die imHinblick auf das versicherte Risiko an seine Stelle treten ("Repräsentanten",zB Hausverwalter, gesetzlicher Vertreter etc).Dem VN schadet aber auch nach österreichischer Auffassung seinOrganisationsverschulden; ferner hat er Obliegenheitsverletzungenseines Bevollmächtigten zu vertreten. Zur VffR vgl§ 78 VersVG, zur Personenfremdversicherung §§ 161, 179 Abs 4VersVG.3. Gesetzliche Obliegenheitena) Gesetzliche Obliegenheiten vor Versicherungsfall


51aa) Vorvertragliche Anzeigepflicht (§§ 16 - 22 VersVG)aaa) Ausgangssituation: Gegenseitige Angewiesenheit bei der Ermittlungder vertragswesentlichen Gefahr.bbb) Der VN hat beim Abschluss des Vertrages alle ihm bekanntenUmstände, die für die Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen;die Anzeige muss nicht nur vollständig, sondern auchrichtig sein (§§ 16, 17 VersVG).- "Beim" Abschluss des Vertrages bedeutet, dass die vorvertraglicheAnzeigepflicht (vvAnzpfl) nicht nur bei Antragstellung,sondern bis zum Zustandekommen des Vertrages zu erfüllenist. Erfährt der VN nach Antragstellung, aber noch vor Annahmedes Versicherers neue gefahrerhebliche Umstände (zB auch denEintritt eines Versicherungsfalles), so muß er seine Anzeige ergänzen.Der VN hat nur ihm bekannte Umstände anzuzeigen, Kennenmüssengenügt nicht.- "Erheblich" sind jene Gefahrumstände, die geeignet sind, aufden Entschluß des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zuden vereinbarten Bestimmungen abzuschließen, einen Einfluß auszuüben.In dieser Hinsicht hat der "Fragebogen" (also die Fragenim Antragsformular) große Bedeutung. Einerseits sind Gefahrumstände,nach denen ausdrücklich gefragt wird, im Zweifel erheblich(§ 16 Abs 1 VersVG). Andererseits kann der VN auf die Vollständigkeitdes Fragenkatalogs vertrauen. Umstände, nach denennicht ausdrücklich gefragt worden ist, können nur im Fall arglistigerVerschweigung zum Rücktritt des Versicherers führen (§<strong>18</strong> VersVG).Stellt der Versicherer keine Fragen, so hat der VN von sich aus


52die erheblichen Gefahrumstände bekannt zu geben („spontane Anzeigepflicht“).ccc) Rechtsfolgen der Verletzung der vvAnzpfl- Bei schuldloser Verletzung kann der Versicherer nicht zurücktreten,sondern bleibt an den Vertrag gebunden (§§ 16 Abs3, 17 Abs 2 VersVG). Da er im Ergebnis aber ein höheres Risikoträgt, ermöglicht § 41 VersVG eine Zwangsberichtigung des Vertrages;der Versicherer kann eine höhere Prämie verlangen. Nurwenn die höhere Gefahr nach den für den Geschäftsbetrieb desVersicherers maßgebenden Grundsätzen auch gegen eine höhere Prämienicht übernommen wird, kann der Versicherer unter Einhaltungeiner Kündigungsfrist von einem Monat kündigen (vgl genauer § 41VersVG).- Bei schuldhafter Verletzung kann der Versicherer binnen einemMonat ab Kenntnis zurücktreten (Klarstellungserfordernis!). ImAllgemeinen genügt bereits leichte Fahrlässigkeit für dieseRechtsfolge. Hat jedoch der VN einen Umstand nicht angezeigt,nach dem der Versicherer "nicht ausdrücklich und genau umschrieben"gefragt hat, ist für den Rücktritt zumindest grobe Fahrlässigkeitdes VN erforderlich (Neuerung der VersVG-Novelle 1994!).Der "Rücktritt" gemäß §§ 16 Abs 2 und 3, 17, 20 und 21 VersVGist eine merkwürdige Konstruktion, da er keineswegs zur Rückabwicklungdes Vertrages führt; der Versicherer kann vielmehr diePrämien behalten (§ 40 VersVG). Die Hauptwirkung des Rücktrittsist also die Möglichkeit der Leistungsfreiheit des Versicherers.- Ist der Versicherungsfall bereits eingetreten, so kann derVersicherer auch noch zurücktreten (es ist sogar die Regel, dassder Versicherer erst im Versicherungsfall die Verletzung dervvAnzpfl entdeckt). In diesem Fall gilt aber zusätzlich zum Verschuldenserfordernisnoch das Kausalitätserfordernis (§ 21


53VersVG), das nun ebenfalls - wie in § 6 Abs 2 VersVG - dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatzfolgt. Der Versicherer kann daher nurzurücktreten, wenn der verschwiegene Umstand für den Eintrittdes Versicherungsfalles kausal war. Ob der Versicherer in Kenntnisdieses Umstandes den Versicherungsvertrag nicht oder nur andersabgeschlossen hätte, spielt bei dieser Prüfung keine Rolle.ddd) Besonderheiten in der Personenversicherung- Für die Lebensversicherung beachte §§ 162, 163 VersVG.- Für die Krankenversicherung beachte § 178 k VersVG.eee) Arglistanfechtung (§ 22 VersVG)Die Vorschriften über die Verletzung der vvAnzpfl sind legesspeciales (spezielle Vorschriften) gegenüber den Vorschriftenüber die Irrtumsanfechtung nach ABGB (§§ 871 ff). § 22VersVG läßt aber neben den §§ 16 ff VersVG das Recht des Versicherers,den Vertrag wegen arglistiger Täuschung über Gefahrumständeanzufechten, unberührt.Die Arglistanfechtung hat den Vorteil, dass dem VN ein Kausalitätsgegenbeweisnicht möglich ist. Sie ist andererseits aber fürden Versicherer nicht leicht, da der Beweis der Arglist, der demVersicherer obliegt, schwer zu führen ist.fff) Beweislastverteilung bei der vvAnzpfl- Der Versicherer muss alles beweisen, was für seine Reaktionsmöglichkeiten(Vertragsanpassung, Rücktritt) nötig ist, alsodie Kenntnis des VN von den gefahrerheblichen Umständen, derenGefahrerheblichkeit, das Unterbleiben oder die Unrichtigkeitder Anzeige etc.


54- Der VN muss dagegen alles beweisen, was gegen diese Reaktionsmöglichkeitendes Versicherers eingewendet werden kann, alsozB fehlendes Verschulden, mangelnde Kausalität, Verletzungdes Klarstellungserfordernisses, fehlende Erheblichkeit trotzAufscheinens einer entsprechenden Frage im Antragsformular etc.ggg) § 11a VersVG (zuletzt geändert durch das VersRÄG 2013) enthältRegelungen darüber, ob der Versicherer im Zusammenhang mitVersicherungsverhältnissen, bei welchen der Gesundheitszustanddes Versicherten oder eines Geschädigten erheblich ist, personenbezogeneGesundheitsdaten verwenden darf; vgl auch §§ 11b,11c und 11d VersVG.bb) Obliegenheiten bei Gefahrerhöhungaaa) Querverbindung zur vvAnzpfl (§§ 23 - 31 VersVG)Während die vvAnzpfl dem Versicherer die richtige Einschätzungdes übernommenen Risikos bei Vertragsabschluss ermöglichen soll,dienen die Obliegenheiten bei Gefahrerhöhung dazu, den Versicherervor einer nachteiligen Veränderung der Gefahrenlage zuschützen. Beide Obliegenheiten dienen daher ähnlichen Zweckenund überschneiden einander nach hM in ihrem Anwendungsbereich(vgl § 30 VersVG).bbb) Die zwei Obliegenheiten der Gefahrerhöhung- GefahrstandspflichtDer VN darf weder selbst eine Erhöhung der Gefahr vornehmen nochihre Vornahme durch einen Dritten gestatten (§ 23 Abs 1 VersVG).- AnzeigepflichtErlangt der VN davon Kenntnis, dass durch eine von ihm vor-


55genommene oder gestattete (also gewillkürte) Erhöhung der Gefahreingetreten ist, oder tritt unabhängig von seinem Willen eineGefahrerhöhung ein (unwillkürliche Gefahrerhöhung), so hat erdem Versicherer Anzeige zu erstatten (§§ 23 Abs 2, 27 Abs 2VersVG).ccc) Begriff der GefahrerhöhungVoraussetzung für das Vorliegen einer Gefahrerhöhung sind Erheblichkeitund potentielle Dauer.- Erheblichkeit liegt dann vor, wenn sich die Gefahrenlage ineiner für den Versicherer ungünstigen Weise erheblich ändert.Diese Änderung kann auf individuelle, aber auch auf generelleUmstände (wie zB eine Gesetzesänderung) zurückzuführen sein.Auch Erhöhungen der "Vertragsgefahr" begründen eine Gefahrerhöhung(GE), wie zB "Brandreden".- Potentielle DauerEine GE liegt nur dann vor, wenn durch den betreffenden Umstanddie Gefahrenlage auf ein neues, höheres Niveau emporsteigt, aufdem sie sich stabilisieren und Grundlage eines neuen Gefahrenverlaufsbilden kann. Die Gefahrenlage muß also gleichsam aufeinem erhöhten Niveau ausruhen können. Dadurch ist es möglich,die Vorschriften über die GE, die ja schon bei leichter Fahrlässigkeitzur Leistungsfreiheit führen können, von den Vorschriftenüber die Herbeiführung des Versicherungsfalles (§§ 61,152 VersVG) abzugrenzen.GE liegt zB vor bei Einlagerung von Benzin am Dachboden einesstrohgedeckten Hauses, bei Inbetriebnahme eines nicht verkehrssicherenKFZ, bei Aufstellen eines Baugerüstes (in der Einbruchsdiebstahl-oder Haushaltsversicherung) etc.


56Keine GE liegt dagegen nach der Judikatur vor bei der Fahrt einesdefekten KFZ zur nächsten Werkstätte, beim Betreten einesHeubodens mit einer Laterne, bei einmaliger Überladung einesKFZ, bei Trunkenheit, die nicht einen Dauerzustand darstelltetc.ddd) Rechtsfolgen bei gewillkürter GE (§§ 23 - 25 VersVG)- KündigungsrechtBei Verletzung der Gefahrstandspflicht kann der Versicherer jedenfallskündigen, und zwar bei Verschulden fristlos, ansonstenmit Monatsfrist (§ 24 Abs 1 VersVG). Die Rechtslage ist hier alsowesentlich anders als bei der vvAnzpfl, bei der es bei unverschuldeterVerletzung ja kein Rücktrittsrecht, sondern nur dieMöglichkeit einer „Zwangsberichtigung“ gemäß § 41 VersVG gibt.Für die Kündigung des Versicherers gibt es aber auch hier dasKlarstellungserfordernis (§ 24 Abs 2 VersVG).- LeistungsfreiheitBei verschuldeter GE ist der Versicherer leistungsfrei, es seidenn, er hätte von der GE Kenntnis erhalten und die Frist füreine Kündigung verstreichen lassen (§ 25 Abs 3 VersVG, Klarstellungserfordernis!).Meist erfährt der Versicherer von der GEaber erst im Versicherungsfall; hier muß er nicht kündigen, umsich auf die Leistungsfreiheit berufen zu können. Für das Verschuldenserfordernisgenügt auch hier leichte Fahrlässigkeit.Daneben gibt es noch das Kausalitätserfordernis (§ 25 Abs 3VersVG), das seit der VersVG-Novelle 1994 wiederum im Sinne desVerhältnismäßigkeitsgrundsatzes herabgesetzt wurde.Der verschuldeten Vornahme einer GE stellt die Judikatur einesolche gleich, die für den VN erkennbar war, die er aber dennoch


57unbeachtet gelassen hat. Das fahrlässige Nichtwissen wird alsodem positiven Wissen gleichgestellt, damit nicht der schlampigeVN besser behandelt wird als der sorgfältige.Leistungsfreiheit kann überdies auch bei einer unverschuldetengewillkürten GE bestehen, wenn der VN seine Anzeigepflichtschuldhaft verletzt hat und der Versicherungsfall später als einenMonat nach dem Zeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeigedem Versicherer hätte zugehen müssen. Der Versicherer wird alsoso behandelt, als hätte er bei rechtzeitiger Anzeige von seinemKündigungsrecht Gebrauch gemacht (§ 25 Abs 2 VersVG).Dieser zweite Fall der Leistungsfreiheit ist jedoch selten gegeben,weil er ja voraussetzt, dass der VN nachträglich eine unverschuldetegewillkürte GE als solche erkennt und sie dannnicht unverzüglich anzeigt.eee) Rechtsfolgen bei unwillkürlicher GE (§§ 27, 28 VersVG)Bei der unwillkürlichen GE kann eine Verletzung der Gefahrstandspflichtnicht vorliegen, sondern es geht nur um dieVerletzung der Anzeigepflicht.Die Rechtsfolgen der unwillkürlichen GE sind grundsätzlich identischmit jenen der unverschuldeten willkürlichen GE! DieVersVG-Novelle 1994 hat jedoch für die GE durch "allgemein bekannteUmstände" eine Verlängerung des Kündigungsrechts des Versicherersauf ein Jahr (anstelle eines Monats) eingeführt.fff) Unbeachtlichkeit von GE (§ 26, 29 VersVG)ggg) Sonderregeln über GE in der Personenversicherung- Vgl für die Lebensversicherung §§ 164, 164a VersVG


58- In der Unfallversicherung werden die Umstände, die GE bedeutenkönnten, durch Risikoausschlüsse umfaßt.- In der Krankenversicherung spielt die GE ebenfalls keineRolle (§ 178 a Abs 3 VersVG).hhh) Beweislastverteilung bei GE- Der Versicherer muß den Tatbestand der Verletzung der Gefahrstandspflichtoder der Anzeigepflicht beweisen.- Der VN muß dagegen den Entschuldigungs-, den Kausalitätsgegenbeweisoder den Beweis der Verletzung des Klarstellungserfordernisses,die Rechtzeitigkeit der Anzeige, die Kenntnisdes Versicherers etc beweisen.cc) Vorbeugende Obliegenheiten (§ 32 VersVG)aaa) Die Gefahrstandspflicht ist eine reine Unterlassungspflicht.Das Gesetz regelt im unmittelbaren Anschluss an dieVorschriften über die GE die Möglichkeit, dem VN Tunspflichtenzum Zweck der Verhütung einer GE oder Verhaltenspflichten (Tunoder Unterlassen) zum Zwecke der Verminderung der Gefahr aufzuerlegen.Die entsprechenden Obliegenheiten sind jedoch vertraglicheund nicht gesetzliche Obliegenheiten.bbb) § 32 VersVG sieht keine Sanktionen bei Verletzung von vorbeugendenObliegenheiten vor. Sanktionen können aber vereinbartwerden, müssen sich dann jedoch im Rahmen der Regelung des § 6VersVG über primäre Obliegenheiten halten.ccc) Beispiele für vorbeugende Obliegenheiten: Art 3 ABS ("Sicherheitsvorschriften"),Art 9.2. AKHB 2004dd) Anzeige mehrfacher Versicherung (§ 58 VersVG)


59aaa) § 58 VersVG verpflichtet den VN bei mehrfacher Schadensversicherungzur Anzeige, selbst wenn es sich nicht um eine Doppelversicherungim Sinne des § 59 VersVG handelt.§ 58 ist wieder eine lex imperfecta, sieht also keine Sanktionvor. Diese Bestimmung ist nun durch § 68 a VersVG zwingend gestelltworden, sodass die Verletzung der Verpflichtung zur Anzeigeeiner mehrfachen Versicherung nur noch dann mit einerSanktion belegt werden kann, wenn es sich um eine betrügerischeDoppelversicherung (§ 59 Abs 3 VersVG) handelt.bbb) § 58 gilt unmittelbar nur für die Schadensversicherung,nicht für die Summenversicherung. In der Summenversicherung könnensich Obliegenheiten über die Anzeige von Mehrfachversicherungendaher nur auf vertragliche Regelungen stützen,die sich am § 6 Abs 1a VersVG messen lassen müssen.ee) Anzeige der Veräußerung der versicherten Sache (§ 71 VersVG)Gemäß § 71 VersVG müssen Veräußerer und Erwerber der versichertenSache die Veräußerung dem Versicherer anzeigen, um diesemdie Möglichkeit der Kündigung gemäß § 70 VersVG zu eröffnen.Kommen sie dieser Obliegenheit nicht nach, so ist Leistungsfreiheitdes Versicherers die Folge, hinsichtlich der er sich allerdingsso behandeln lassen muß, als hätte er von seinem KündigungsrechtGebrauch gemacht: Leistungsfreiheit tritt daher nurein, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach demZeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeige dem Versicherer hättezugehen müssen.Die VersVG-Novelle 1994 hat die Gefahr der Leistungsfreiheit jedochstark reduziert: Bei Vorsatz ist jedenfalls Leistungsfreiheitgegeben, bei Fahrlässigkeit ist ein „Kausalitätsgegenbeweis“möglich (Systembruch, Widerspruch zu § 6 Abs 1a VersVG).


60ff) Anzeige der Wohnungsänderung (§ 10 VersVG)§ 10 VersVG belastet den VN zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachungfür den Versicherer mit der Obliegenheit der Anzeigeder Wohnungsänderung (bzw Änderung der Anschrift einer gewerblichenNiederlassung). Kommt der VN dieser Verpflichtungnicht nach, so wird fingiert, dass nach Vertragsabschluss abzugebendeempfangsbedürftige Willenserklärungen des Versicherers(wie zB Kündigung, Rücktritt, qualifizierte Mahnung, qualifizierteAblehnung etc) dem VN zugegangen sind, sofern sie miteingeschriebenem Brief an die letzte dem Versicherer bekannteAdresse gesandt werden.§ 10 VersVG bildete das Vorbild für § 6 Abs 1 Z 3 KSchG, derentsprechende Vereinbarungen auch außerhalb des Privatversicherungsrechtszuläßt.b) Gesetzliche Obliegenheiten nach Versicherungsfallaa) Schadenabwendungs- und -minderungspflicht (§§ 62, 63 VersVG)aaa) Gemäß § 62 Abs 1 VersVG ist der VN verpflichtet, beim Eintrittdes Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendungund Minderung des Schadens zu sorgen und dabei die Weisungen desVersicherers zu befolgen.Diese Schadenabwendungs- bzw Schadenminderungspflicht ("Rettungspflicht")ist eine spezifisch versicherungsrechtliche Verpflichtungdes VN in Form einer sekundären Obliegenheit, dienicht mit der schadenersatzrechtlichen Schadenminderungspflichtverwechselt werden darf.bbb) Die "Rettungspflicht" hat für den VN negative, aber auchpositive Aspekte: Verletzt er die Rettungspflicht, so droht ihm


61Leistungsfreiheit. Erfüllt er sie jedoch, dann hat er Aufwandsersatzansprüchegemäß § 63 VersVG, die ihn sehr günstig stellen.Aufwendungen, die er in Erfüllung seiner Rettungspflicht macht,hat der Versicherer auch dann, wenn sie erfolglos blieben, zuersetzen, soweit der VN sie den Umständen nach für geboten haltendurfte. Aufwendungen, die der VN auf Weisung des Versicherersgetätigt hat, sind auch insoweit zu ersetzen, als siezusammen mit der übrigen Entschädigung die Versicherungssummeübersteigen.ccc) Gemäß § 62 Abs 1 VersVG sind nur solche Aufwendungen zu ersetzen,die der VN "beim" Eintritt des Versicherungsfalles gemachthat. Bloße "Schadenverhütungskosten" fallen daher dem VNzur Last. Allerdings ist die Abgrenzung zwischen Rettungskostenund Schadenverhütungskosten nicht immer ganz einfach, da nachherrschender Meinung die Rettungspflicht auch schon dann beginnt,wenn der Versicherungsfall "unmittelbar droht" ("Vorerstreckungstheorie").ddd) Die Vorerstreckungstheorie ist für den VN nicht ungefährlich,da durch sie eine Überschneidung der Anwendungsbereicheder Vorschriften über die Rettungspflicht einerseits und jenerüber die Herbeiführung des Versicherungsfalles andererseits(insbesondere §§ 61, 152 VersVG) eintreten kann. Das ist im Bereichder Schadensversicherung in Form der Aktivenversicherungnoch kein Problem, da dort auch bei § 61 VersVG zumindest grobeFahrlässigkeit für die Leistungsfreiheit des Versicherers erforderlichist; insofern besteht also Parallelität der Regelungender §§ 61 und 62 VersVG. Bedenklich wäre es jedoch, wenn manauch in der Haftpflichtversicherung die Vorerstreckungstheorieanwenden wollte, da dort § 152 VersVG Vorsatz verlangt, bei einerVorerstreckung der Rettungspflicht gemäß § 62 VersVG indessenbereits grobe Fahrlässigkeit den Versicherungsschutz entfallenlassen würde. Nach herrschender Meinung kann die "Vorerstreckungstheorie"daher nur im Bereich der Aktivenversicherung


62zur Anwendung kommen (zB Waldbrandbeispiel in der Feuerversicherung,Rehbeispiel in der Kaskoversicherung).Zur Rettungspflicht in der Unfallversicherung vgl § <strong>18</strong>3 VersVG.bb) Obliegenheit zur Anzeige des Versicherungsfalles (§ 33VersVG)aaa) § 33 Abs 1 VersVG sieht die Obliegenheit des VN vor, demVersicherer unverzüglich nach Kenntnis den Versicherungsfall anzuzeigen(vgl auch §§ 92 Abs 1, 153 VersVG). Durch diese Obliegenheitsoll der Versicherer in die Lage versetzt werden, sichmöglichst bald über die Tatsachen ein Bild zu verschaffen, dieüber seine Leistungspflicht entscheiden.bbb) § 33 VersVG ist eine lex imperfecta, die in den diversenAVB näher ausgestaltet werden kann, freilich nur im Rahmen des §6 Abs 3 VersVG. Die Obliegenheit zur Anzeige des Versicherungsfalleswird in den AVB zum Teil auch noch durch andere Obliegenheitenergänzt, die ähnliche Zielsetzungen verfolgen (zB Obliegenheit,die Verhältnisse am Versicherungsort bis zur Inspektiondurch den Versicherer nicht zu verändern, Art 5.3.4. AFB.ccc) Die Obliegenheit nach § 33 VersVG trifft nur den VN (bzwden Versicherten gemäß § 78 VersVG). Vgl aber §§ 171, <strong>18</strong>2 fürdie Personenfremdversicherung und § 158d für die Pflichthaftpflichtversicherung.cc) Auskunft- und Belegpflicht (§ 34 VersVG)aaa) Gemäß § 34 VersVG kann der Versicherer nach dem Eintrittdes Versicherungsfalles verlangen, dass der VN jede Auskunft erteilt,die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfangesder Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist("Auskunftspflicht").


63Diese Obliegenheit ist nicht sanktioniert, die AVB sehen jedoch(im Rahmen des § 6 Abs 3 VersG) Sanktionen vor. Die Auskunftspflichtist praktisch sehr wichtig. Der VN muß umfassend Auskunftgeben, auch dann, wenn ihm die Auskünfte peinlich sind, jaselbst dann, wenn sie ihn in die Gefahr der strafrechtlichen o-der verwaltungsrechtlichen Verfolgung bringen.bbb) Gemäß § 34 Abs 2 VersVG kann der Versicherer Belege insoweitfordern, als die Beschaffung dem VN billigerweise zugemutetwerden kann. Die Belegpflicht ist also keine absolute, sondernnur im Rahmen der Billigkeit zu erfüllen. Wird sie verletzt, sosehen die AVB Sanktionen vor, die sich (mangels einer entsprechendenRegelung in § 34 Abs 2 VersVG) allerdings wieder im Rahmendes § 6 Abs 3 VersVG bewegen müssen.ccc) Zur Auskunfts- und Belegpflicht des geschädigten Dritten inder Pflichthaftpflichtversicherung vgl § 158d Abs 3 VersVG.II. Die Pflichten des VersicherersA) Die Art der Leistung des Versicherers1. GeldleistungstheorieNach der Geldleistungstheorie liegt die Leistung des Versicherersin einer Geldleistung, die durch den Eintritt des Versicherungsfallesbedingt ist. Dieser Theorie wird eingewendet,dass sie dem Wesen des Versicherungsvertrages zuwenig Rechnungträgt, das in der Verschaffung eines stets vorhandenen Versicherungsschutzesliegt.2. GefahrtragungstheorieHerrschend ist daher die Gefahrtragungstheorie, nach der die


64Leistung des Versicherers in der Gefahrtragung liegt. Die Gefahrtragungmacht vor dem Versicherungsfall einen Ruhezustanddurch, während dessen sie latent gewährt wird, um im Versicherungsfallin eine akute Phase zu treten. Mit dieser Theorie wirdvor allem vermieden, dass der VN der Meinung sein kann, der Versicherererbringe keine Leistung, wenn es während der Dauer desVertrages zu keinem Versicherungsfall kommt.B) Die Umschreibung des versicherten Risikos1. Die unsichtbare Ware Versicherungsschutza) Versicherungsschutz ist nicht greifbar, nicht sicht- und auchnicht spürbar und wird daher als "unsichtbare Ware" bezeichnet.Seine Umrisse müssen vom Versicherer durch verbale Umschreibung,also mit den Mitteln der Sprache fixiert werden. Das hat den AVB(zum Teil zu Unrecht) den Vorwurf eingebracht, "Kleingedrucktes"zu sein. Dabei wird übersehen, dass der Versicherer gar keineandere Möglichkeit der Umschreibung des Versicherungsschutzeshat. Freilich sollte diese Umschreibung möglichst allgemein verständlichund eindeutig erfolgen. Im Übrigen müssen auch die Anbietervon anderen Dienstleistungen ihren Leistungsumfang aufdie gleiche Art und Weise festsetzen.b) Bei der Umschreibung des Versicherungsschutzes ist der Versicherergrundsätzlich frei. Es obliegt ihm also, zu entscheiden,ob er ein bestimmtes Risiko übernimmt oder nicht. Allerdingsmuss er mit seiner Risikoumschreibung den berechtigtenDeckungserwartungen des VN entsprechen. Die Risikoumschreibungdes Versicherers kann also im Wege der Inhaltskontrolle (§ 879Abs 3 ABGB) vom Richter überprüft werden.2. Der Vorgang der Risikoumschreibunga) Die Risikoumschreibung erfolgt in mehreren Schritten. Die


65"primäre Risikoumschreibung" enthält die allgemeinste Umschreibungder Gefahr (zB Begriff des Unfalles, der Krankheit etc.).Aus dem Bereich, der im Wege der primären Risikoumschreibung indie Deckung einbezogen wird, brechen im nächsten Arbeitsgang Risikoausschlüssewieder Deckungsbereiche heraus ("sekundäre Risikoumschreibung").In weiterer Folge können Risikoeinschlüsse denAnwendungsbereich der Risikoausschlüsse wieder teilweise beseitigen("tertiäre Risikoumschreibung") etc.Die einzelnen Schritte der Risikoumschreibung haben für die BeweislastverteilungBedeutung. Der VN muss das Eingreifen derprimären Risikoumschreibung beweisen, der Versicherer dagegendie Voraussetzung des Eingreifens von Risikoausschlüssen etc.b) Risikoausschlüsse wirken objektiv, es kommt bei ihnen - andersals bei Obliegenheiten - auf das Verschulden des VN nichtan. Sie greifen auch unabhängig davon ein, wer sie verwirklicht,sodass sich kein "Repräsentantenproblem" ergibt. Es gibt jedochauch subjektive Risikoausschlüsse, zu denen vor allem die Vorschriftenüber die Herbeiführung des Versicherungsfalles gehören.c) Die Risikoumschreibung hat die einzelnen Aspekte des Risikoszu umfassen, also den ursächlichen, gegenständlichen, inhaltlichen,persönlichen, örtlichen und zeitlichen Deckungsbereicheines Versicherungsvertrages.C) Die höhenmäßige Begrenzung des versicherten Risikos1. Versicherungssummea) Die Versicherungssumme bezeichnet den Höchstbetrag der Leistungdes Versicherers (vgl § 50 VersVG). Sie spielt de facto inallen Versicherungszweigen eine Rolle, und zwar sowohl in derSchadens- wie auch in der Summenversicherung.


66b) In der Summenversicherung ist die Vereinbarung einer Versicherungssummeunbedingt notwendig. In der Schadensversicherunggilt das an sich nicht. Handelt es sich um eine Aktivenversicherung,so ergibt sich eine natürliche Begrenzung der Deckungspflichtdes Versicherers ohnehin aus § 55 VersVG (versicherungsrechtlichesBereicherungsverbot).In der Passivenversicherung (Hauptbeispiel: Haftpflichtversicherung)gibt es eine solche Begrenzung nicht, sodass ohneNennung einer Versicherungssumme eine unbegrenzte Deckung desVersicherers ("illimitè-Deckung") gegeben wäre.c) In der Praxis sind jedoch in beiden Formen der SchadensversicherungVersicherungssummen üblich. In der Aktivenversicherungsollte die Versicherungssumme dem Versicherungswert entsprechen,damit keine Unterversicherung eintritt (§ 56 VersVG). In derPassivenversicherung gibt es zwar keine Unterversicherung imtechnischen Sinn, doch sollte auch dort die Versicherungssummedem Bedarf des VN (also zB in der Haftpflichtversicherung: seinemHaftungspotential) entsprechen.2. Schadenshöhea) Während bei einer Summenversicherung nur die Versicherungssummeleistungsbegrenzend wirkt, tritt bei jeder Schadensversicherung(also sowohl bei der Aktiven- wie auch bei der Passivenversicherung)die Schadenshöhe als zweiter leistungsbegrenzenderFaktor hinzu. Es gilt das versicherungsrechtlicheBereicherungsverbot (§ 55 VersVG).b) Im Versicherungsrecht gilt das "Einzelschadenprinzip": Ersetztwird nur der versicherte Schaden. Dazu sind insbesonderedie §§ 52, 53 VersVG zu beachten. Nach § 52 VersVG ist bei einerbloßen Versicherung des Sachinteresses nur der reine Sachschaden


67zu ersetzen. Der Ersatz des "Gewinninteresses", das zB in derBetriebsunterbrechungsversicherung eine Rolle spielt, müsste gesondertversichert werden (§ 53 VersVG).3. VersicherungswertIn der Aktivenversicherung kommt als dritter leistungsbegrenzenderFaktor noch der Versicherungswert in Betracht, der vor allemim Zusammenhang mit der Unterversicherung eine Rolle spielt; vgldazu dort.D) Fälligkeit der Leistung des Versicherers1. Die Fälligkeit der Versichererleistung ist in § 11 VersVGgeregelt (vgl zur Haftpflichtversicherung § 154 Abs 1 VersVG).Danach sind Geldleistungen mit Beendigung der zur Feststellungdes Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherersnötigen Erhebungen fällig. Fälligkeit ist also dann gegeben,wenn der Versicherer sich über die Sach- und Rechtslageein ausreichend sicheres Bild machen kann. Dabei ist jedoch aufeinen objektiven Maßstab abzustellen.2. Vor Beendigung eines Sachverständigenverfahrens kann Fälligkeitnicht eintreten (vgl dazu unten bei §§ 64, 65 VersVG).3. Der VN kann jedoch auch schon vor Fälligkeit Abschlagszahlungenin Höhe des Betrages verlangen, den der Versicherer nachLage der Sache mindestens zu zahlen hat. Diese Zahlungspflichtsetzt ein, sofern die Erhebungen bis zum Ablaufe eines Monatesseit der Anzeige des Versicherungsfalles seitens des Versicherersnicht beendet sind (§ 11 Abs 2 VersVG. Der Lauf dieserFrist ist gehemmt, solange die Beendigung der Erhebungen in Folgeeines Verschuldens des VN gehindert ist (§ 11 Abs 3 VersVG).4. Außerdem sieht § 11 Abs 1 Satz 2 VersVG (eingefügt durch die


68VersVG-Novelle 1994) vor, dass die Fälligkeit unabhängig von derBeendigung der Erhebungen eintritt, wenn der VN nach Ablaufzweier Monate seit dem Begehren nach einer Geldleistung eine Erklärungdes Versicherers verlangt, aus welchen Gründen die Erhebungennoch nicht beendet werden konnten, und der Versichererdiesem Verlangen nicht binnen eines Monats entspricht.E) Verjährung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag1. § 12 VersVG enthält eine eigenständige Verjährungsvorschriftfür "Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag" (also nicht nur fürdie Ansprüche des VN, sondern auch für jene des Versicherers),die durch die VersVG-Novelle 1994 an die Verjährungsvorschriftendes ABGB angenähert wurden. Die Ansprüche verjähren grundsätzlichin drei Jahren ab dem Zeitpunkt, in dem sie erstmals geltendgemacht werden können, also unabhängig von einer Kenntnisdes Berechtigten. Nur wenn der Anspruch einem Dritten zusteht,beginnt die Verjährung erst zu laufen, sobald diesem sein Rechtauf die Leistung des Versicherers bekannt geworden ist. Jedenfallsverjähren diese Rechte jedoch nach einer absoluten Fristvon 10 Jahren.2. § 12 Abs 2 enthält eine Abweichung vom Bürgerlichen Recht.Die Geltendmachung eines Anspruches bedeutet nach BürgerlichemRecht keinen Hemmungsgrund gemäß § 1494 ABGB. Gemäß § 12 Abs 2VersVG hemmt die "Anmeldung" des Anspruches des VN dagegen dieVerjährung bis zum Einlangen der schriftlichen Entscheidung desVersicherers (Fortlaufshemmung.3. Besonders bedeutsam ist die Möglichkeit der qualifiziertenAblehnung des Anspruches des VN gemäß § 12 Abs 3 VersVG ("Klagsfristsetzung").Wenn der Versicherer einen Anspruch schriftlichabgelehnt hat, muss der VN binnen 12 Monaten gerichtlich klagen,widrigenfalls der Versicherer leistungsfrei ist, auch wenn erder Sache nach leistungspflichtig wäre. Das Verstreichen der


69Frist hat also rechtsvernichtende Wirkung. Den Versicherertrifft aber eine Hinweispflicht, bei deren Nichtwahrnehmung ersich auf die qualifizierte Ablehnung nicht berufen kann. Außerdemist die Klagsfrist für die Dauer von Vergleichsverhandlungenund in dem Fall, dass der VN unverschuldet an der gerichtlichenGeltendmachung verhindert ist, gehemmt.F) Verfügungen über den Versicherungsanspruch1. Verfügungen des VNa) InnenverfügungenInnenverfügungen sind solche, die nur das Verhältnis zwischenVersicherer und VN betreffen (zB Verzicht, Erlaß etc). Sie sindohne weiteres möglich. Ausnahme: § 156 Abs 1 VersVG (Unwirksamkeitvon Verfügungen über den Deckungsanspruch gegenüber dem geschädigtenDritten.b) Außenverfügungenaa) Bei Außenverfügungen macht der VN von seinem Deckungsanspruchmit Wirkung gegenüber Dritten Gebrauch (Verpfändung, Abtretung,Vinkulierung). Außenverfügungen sind ebenfalls grundsätzlichzulässig, sofern es keine gesetzlichen oder vertraglichenHindernisse gibt.bb) Gesetzliche Hindernisse sind zB in den §§ 15 Abs 1, 98 und156 Abs 1 positiviert.cc) Viele AVB enthalten vertragliche Abtretungs- bzw Verpfändungsverbote,solange der Anspruch des VN noch nicht endgültigfestgestellt ist. Diese Verbote wirken nach der nunmehrigen Judikaturdes OGH absolut, das heißt, dass Abtretungen entgegendem Verbot wirkungslos sind, sodass eine Übertragung der Forde-


70rung gar nicht erfolgt; der OGH hält sie auch nicht für gröblichbenachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB.Die Wirksamkeit von Zessionsverboten zwischen Unternehmern istnun durch § 1396a ABGB eingeschränkt worden.dd) Abtretungen und Verpfändungen von Versicherungsforderungenverschaffen dem Zessionar bzw dem Pfandgläubiger ein Recht ander Versicherungsforderung selbst. Die "Vinkulierung" von Versicherungsforderungen,die vor allem in der Lebensversicherung undin der Kaskoversicherung vorkommt, bewirkt dagegen nur einSperrecht des Vinkulargläubigers: Er kann die Auszahlung derVersicherungsleistung an den VN verhindern, hat jedoch keinRecht an der Forderung selbst erworben, sodass er im Versicherungsfallnicht direkt gegen den Versicherer vorgehen kann. Die"Vinkulierung" der Versicherungssumme in der Feuerversicherung(§§ 100 ff VersVG) setzt hingegen das Bestehen eines Pfandrechtsdes Hypothekargläubigers voraus und ist mit der eben beschriebenenVinkulierung nicht zu verwechseln.ee) Zu den bürgerlichrechtlichen Möglichkeiten der Verfügungüber den Versicherungsanspruch kommt als spezifisch versicherungsrechtlicheMöglichkeit jene der Begünstigung (Bezugsberechtigung)hinzu (§§ 166 ff, <strong>18</strong>0 VersVG; dazu weiter unten).2. Die Versicherungsforderung als Zugriffsobjekt für Drittea) Die Versicherungsforderung stellt im Allgemeinen einen Vermögenswertdar, der dem Zugriff Dritter offensteht und daherauch von ihnen gepfändet werden kann.b) Von diesem Grundsatz gibt es jedoch wieder Ausnahmen (vgl §15 Satz 2, § 98 letzter Satz VersVG, Befreiungsanspruch in derHaftpflichtversicherung). Ein vertragliches Abtretungs- und Verpfändungsverbotverhindert jedoch ebenso wenig wie die Vinkulie-


ung die Möglichkeit der Pfändung durch den Gläubiger.71§ 10 Vorschriften für die gesamte SchadensversicherungI. VorbemerkungDie Schilderung der Vorschriften für die gesamte Schadensversicherungorientiert sich an der Paragraphenfolge.II. Geldersatz oder Naturalleistung (§ 49 VersVG)Gemäß § 49 VersVG hat der Versicherer den Schadenersatz in Geldzu leisten. Dieser Grundsatz ist jedoch nicht zwingend, es kannauch Naturalersatz geleistet werden. Naturalersatz in der unmittelbarenBedeutung des Wortes kommt heute freilich nicht mehrvor (früher zB in der Glasversicherung). Es darf jedoch nichtübersehen werden, dass die Leistung des Haftpflichtversicherers(Rechtsschutzfunktion, Befriedigungsfunktion) auch eine Naturalleistungdarstellt, da in der Haftpflichtversicherung in derheutigen Gestaltung der VN gar nicht in die Lage kommt, selbstGeld aufwenden zu müssen, sondern von dieser Notwendigkeit durchdie Versicherung befreit wird.III. Versicherungssumme als Leistungsbegrenzung (§ 50)1. Wie oben bereits erwähnt, ist die Versicherungssumme in derSchadensversicherung zwar nicht unbedingt nötig, doch völlig üblich.Sie stellt das Maximum dessen dar, was der Versicherer zuleisten verpflichtet ist. Allerdings kann der Versicherer uU gezwungensein, mehr zu zahlen als die Versicherungssumme; vgl §63 Abs 1, § 150 Abs 2 VersVG.2. Zu den weiteren Leistungsbegrenzungsfaktoren Schadenshöheund Versicherungswert vgl oben und bei der Besprechung des versicherungsrechtlichenBereicherungsverbots (§ 55 VersVG) und der


Über- bzw Unterversicherung (§§ 51, 56 VersVG).72IV. Überversicherung (§ 51)A) Einfache ÜberversicherungDie einfache Überversicherung liegt dann vor, wenn die Versicherungssummeden Versicherungswert erheblich (also um mehr als10%) übersteigt. In diesem Fall kann sowohl der VN wie auch derVersicherer verlangen, dass die Versicherungssumme unter verhältnismäßigerMinderung der Prämie mit sofortiger Wirkung herabgesetztwird (Wirkung "ex nunc", keine Rückwirkung, daher insbesonderekeine Rückzahlung bereits verbrauchter zuviel gezahlterPrämien). Eine Herabsetzung mit Rückwirkung erfolgt nur imFall des § 51 Abs 2 VersVG.B) Betrügerische ÜberversicherungWenn der VN den Vertrag in der Absicht abschließt, sich aus derÜberversicherung einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen,so ist der Vertrag nichtig (§ 51 Abs 4 VersVG).V. Versicherungswert (§§ 52, 53 VersVG)Die §§ 52, 53 VersVG enthalten Regelungen über den Versicherungswert,die freilich nur Ausschnitte aus der Problematik betreffen.Die näheren Bestimmungen über die Ermittlung des Versicherungswertsbefinden sich in den AVB der Aktivenversicherung(in der Passivenversicherung gibt es ja keinen Versicherungswert).VI. Inbegriffsversicherung (§ 54 VersVG)Ist die Versicherung für einen Inbegriff von Sachen genommen, soumfasst sie die jeweils zu dem Inbegriff gehörigen Sachen. Sa-


73chen, die neu zum Inbegriff (zB zum Haushalt oder zu einem Unternehmen)dazustoßen, sind automatisch mitversichert, andere,die aus dem Inbegriff ausscheiden, sind nicht mehr versichert;in diesem Fall kommen also die Vorschriften über die Veräußerungder versicherten Sache nicht zur Anwendung.VII. Versicherungsrechtliches Bereicherungsverbot (§ 55 VersVG)A) Gemäß § 55 VersVG ist der Versicherer, auch wenn die Versicherungssummehöher ist als der Versicherungswert zur Zeit desEintrittes des Versicherungsfalles, nicht verpflichtet, dem VNmehr als den Betrag den Schadens zu ersetzen.Dieses versicherungsrechtliches Bereicherungsverbot gilt für dengesamten Bereich der Schadensversicherung, also auch für diePassivenversicherung. Es galt lange als absolut zwingend. Inneuerer Zeit wird es aber zunehmend (in gewissen Grenzen) alsabdingbar angesehen.B) Durchbrechungen des Bereicherungsverbotes1. NeuwertversicherungDie Neuwertversicherung setzt sich aus zwei Schadenversicherungskomponentenzusammen, nämlich aus einer Aktivenversicherungbis zur Höhe des Zeitwerts und einer Passivenversicherung fürdie Neuwertdifferenz, die als Versicherung gegen notwendige Aufwendungenausgestaltet ist. Durch diese Konstruktion konnten Bedenkenentkräftet werden, die in der Neuwertversicherung einenVerstoß gegen das versicherungsrechtliche Bereicherungsverboterblickten.2. TaxeBei jeder Aktivenversicherung kann der VN mit dem Versicherer


74eine Vereinbarung treffen, wonach der Versicherungswert auf einenbestimmten Betrag festgesetzt wird ("Anfangswert"). In diesemFall gilt der taxierte Versicherungswert auch als der Wert,den das versicherte Interesse zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalleshat ("Ersatzwert").Die Differenz zwischen dem wirklichen Wert und der Taxe darfaber nicht allzu krass sein. Der Versicherer kann beweisen, dassdie Taxe den Ersatzwert erheblich (dh: um mehr als 10%) übersteigtund muß dann lediglich den tatsächlichen Wert ersetzen.VIII. Unterversicherung (§ 56 VersVG)A) In der Aktivenversicherung sollte die Versicherungssummegrundsätzlich dem Versicherungswert entsprechen ("Vollwertversicherung").Ist das nicht der Fall, dann liegt Unterversicherungvor, die zur Anwendung der Proportionalitätsregel des §56 VersVG führt: Der Versicherer haftet für den Schaden nur nachdem Verhältnis der Versicherungssumme zum Versicherungswert.Die Proportionalitätsregel kommt nicht nur beim Ersatz des Versicherungsschadensim engeren Sinne, sondern auch beim Ersatzvon Aufwendungen zur Anwendung (vgl § 63 Abs 2, § 66 Abs 3VersVG).B) § 56 VersVG ist aber nicht zwingend. Es kann daher vereinbartwerden, dass Unterversicherung bis zu einem gewissen Prozentsatznicht schadet, oder sogar auf die Anwendung der Proportionalitätsregelüberhaupt verzichtet werden. Das ist bei der "Versicherungauf erstes Risiko" ("premier-risque-Versicherung") derFall, bei der der Versicherer jeden Schaden bis zur Höhe derVersicherungssumme in vollem Umfang ersetzt.C) Zur Auswirkung einer Unterversicherung bei Taxierung desVersicherungswerts vgl § 57 Schlusssatz VersVG.


75IX. Mehrfachversicherung (§§ 58 ff VersVG)A) Arten der MehrfachversicherungMehrfachversicherung liegt vor, wenn ein- und dasselbe Risikobei mehreren Versicherern versichert ist.1. MitversicherungBei der Mitversicherung arbeiten mehrere Versicherer bewußt undgewollt zusammen, um ein Risiko gemeinsam zu tragen. Die Mitversicherersind Teilschuldner, einer von ihnen wird "Führender",der bevollmächtigt ist, im Namen aller dem VN gegenüberzutretenund insbesondere auch den Versicherungsfall abwickeln.2. Nebenversicherung (§ 58 VersVG)Bei der Nebenversicherung liegt kein bewusstes und gewolltes Zusammenwirkender Versicherer vor, die ein- und dasselbe Risikoversichern, die Versicherungssummen übersteigen insgesamt - imGegensatz zur Doppelversicherung - den Versicherungswert nicht.Dennoch besteht auch hier bereits eine Anzeigepflicht des VN,die im Gesetz eine lex imperfecta darstellt.Diese Anzeigepflicht ist eine schlichte Obliegenheit, die nur inder Schadensversicherung gesetzlich angeordnet ist. In der Summenversicherungmüssen daher entsprechende Anzeigeobliegenheitenin den AVB vorgesehen sein.3. DoppelversicherungDie Doppelversicherung unterscheidet sich von der Nebenversicherungdadurch, dass die Versicherungssummen aus den Verträgenmit mehreren Versicherern zusammen den Versicherungswert


76übersteigen oder aus anderen Gründen die Summe der Entschädigungen,die von jedem einzelnen Versicherer ohne Bestehen der anderenVersicherung zu zahlen wären, den Gesamtschaden übersteigt.Die Doppelversicherung kann daher nicht nur in der Aktivenversicherung,sondern auch in der Passivenversicherung (zB als Doppelhaftpflichtversicherung)vorkommen.B) Rechtsfolgen der Doppelversicherung1. Anzeigepflicht (§ 58 VersVG)2. Betrügerische Doppelversicherung (§ 59 Abs 3 VersVG)Der Versicherungsvertrag ist nichtig.3. Einfache Doppelversicherunga) Beseitigung der Doppelversicherung (§ 60 VersVG)Vor Eintritt eines Versicherungsfalles kann der VN Aufhebung o-der Herabsetzung der Doppelversicherung verlangen. Dieses Gestaltungsrechttrifft grundsätzlich den später abgeschlossenenVersicherungsvertrag.b) Gesamtschuldnerische Haftung im Außenverhältnisaa) Im Außenverhältnis kommt es zu einer gesamtschuldnerischenHaftung der beteiligten Versicherer, allerdings nur im Rahmender „Alleinverpflichtung“ des Versicherers. Der VN kann jedenfallsnicht mehr als den Betrag des Schadens verlangen (Ausflussdes versicherungsrechtlichen Bereicherungsverbots).bb) Zur Vermeidung von Doppelversicherungen sehen Versicherungsverträgeoder AVB oft "Subsidiaritätsklauseln" vor, nach denendie Deckung aus einem Vertrag dann nicht eingreifen soll, wenn


77schon Deckung aus einem anderen Vertrag besteht. Diese Klauselnsind zulässig, bereiten jedoch Schwierigkeiten, wenn jeder derbeteiligten Versicherer eine Subsidiaritätsklausel vereinbarthat.c) Interner Ausgleich der Versicherer (§ 59 Abs 2 VersVG)aa) Gemäß § 59 Abs 2 sind die Versicherer im Innenverhältnis zuAnteilen nach Maßgabe der Beträge verpflichtet, deren Zahlungihnen dem VN gegenüber vertragsmäßig obliegt ("Ausgleich nachdem Alleinverpflichtungsverhältnis"). Der Versicherer, der denSchaden liquidiert hat, hat also gegenüber dem anderen Versicherereinen Ausgleichsanspruch.bb) Die Versicherer können allerdings auch bereits vorweg fürden Fall einer Doppelversicherung Ausgleichsvereinbarungen(„Teilungsabkommen“) treffen, die in der Praxis häufig vorkommen(zB Richtlinie über die Verteilung der Prozeßkostenlast zwischenHaftpflicht- und Rechtschutzversicherer bei einer Compensando-Forderung im Passivprozess).X. Herbeiführung des Versicherungsfalles (§ 61 VersVG)A) Gemäß § 61 VersVG ist der Versicherer von der Verpflichtungzur Leistung frei, wenn der VN den Versicherungsfall vorsätzlichoder grob fahrlässig herbeiführt.§ 61 ist nicht die einzige Vorschrift, die in der Schadensversicherungdie Problematik der Herbeiführung des Versicherungsfallesregelt. Besonders wichtig ist § 152 VersVG, nach demin der Haftpflichtversicherung erst Vorsatz des VN die Leistungspflichtdes Versicherers entfallen läßt. Vgl zur Transportversicherung§ 130 VersVG.B) § 61 VersVG geht vom Selbstverschuldensprinzip aus. Dem VN


78schadet also nur, wenn er selbst den Versicherungsfall herbeiführt.Bei der VffR schadet allerdings auch das Verhalten desVersicherten (§ 78 VersVG).C) § 61 VersVG ist nur dispositiv und kann - ebenso wie § 152VersVG - abgeändert werden. Es ist daher möglich, dass der fürdie Leistungsfreiheit des Versicherers erforderliche Verschuldensgradherabgesetzt und dem Verhalten des VN auch dasVerhalten gewisser anderer Personen (zB leitender Angestellter)gleichgestellt wird. Entsprechende Erweiterungen des Anwendungsbereichesder Vorschriften über die Herbeiführung des Versicherungsfallesunterliegen aber der richterlichen Inhaltskontrolle.D) § 61 VersVG ist ein subjektiver Risikoausschluß. Die Voraussetzungenfür sein Eingreifen hat der Versicherer zu beweisen.E) Zu den Parallelvorschriften im Bereich der Lebensversicherung(§§ 169, 170 VersVG), der Krankenversicherung (§ 178 lVersVG) und der Unfallversicherung (§ <strong>18</strong>1 VersVG) vgl dort.XI. Sachverständigenverfahren (§§ 64, 65 VersVG)A) In AVB oder auch im Einzelvertrag kann vereinbart werden,dass einzelne Voraussetzungen des Anspruches aus der Versicherung(zB die Invalidität) oder die Höhe des Schadens durch Sachverständigefestgestellt werden soll. Diese Sachverständigensind keine Schiedsrichter im Sinne der Zivilprozeßordnung, sondernbloße Schiedsgutachter.Sachverständigenverfahren kommen in vielen AVB vor (vgl ABS,ARB, AUVB). Die Zusammensetzung der Sachverständigen, die Bezeichnungen(zB "Ärztekommission" in den AUVB) und die Regelungder Kostentragung ist unterschiedlich. Zwingend ist lediglich §64 Abs 1 Satz 1 VersVG.


79B) Solange das Sachverständigenverfahren nicht beendet ist,liegt Fälligkeit der Versicherungsleistung noch nicht vor, sodasseine Deckungsklage des VN mangels Fälligkeit abgewiesenwerden müsste; eine Feststellungsklage ist möglich. Vor Einleitungeines Sachverständigenverfahrens kann der VN jedoch ohneweiteresdie Deckungsklage einbringen (vgl Art 9.3. ARB 1994).C) Eine Bindung an die Entscheidung der Sachverständigen bestehtnicht, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblichabweicht (§ 64 Abs 2 VersVG).XII. Schadenermittlungskosten (§ 66 VersVG)Gemäß § 66 VersVG hat der Versicherer dem VN die Kosten, welchedurch die Ermittlung und Feststellung des ihm zur Last fallendenSchadens entstehen, insoweit zu ersetzen, als ihre Aufwendungden Umständen nach geboten war. Diese "Schadenermittlungskosten"spielen vor allem in der Technischen Versicherung eine Rolle,bei der es oft erst einer aufwendigen Prüfung bedarf, um festzustellen,ob überhaupt ein deckungspflichtiger Schaden vorliegt.Die Schadenermittlungskosten sind jedoch nur im Rahmen der Versicherungssummezu ersetzen.XIII. Legalzession (§ 67 VersVG) (Grundzüge)A) Gemäß § 67 Abs 1 Satz 1 VersVG geht ein dem VN gegen einenDritten zustehender Schadenersatzanspruch auf den Versichererüber, soweit dieser dem VN den Schaden ersetzt.1. "Schadenersatzanspruch" ist weit zu verstehen, auch Rückgriffs-,Ausgleichs- und Bereicherungsansprüche des VN gehen aufden Versicherer über.2. "Dritter" ist jeder, der nicht VN oder Versicherter ist. Gegenmitversicherte Personen kann also nicht regressiert werden.


803. Der Anspruch geht so über, wie er beim VN bestand. Der Regreßanspruchdes Versicherers unterliegt daher denselben Regelnwie der Anspruch des VN. Das hat zB für die Verjährung und fürdie Einwendungen des Schädigers (Mitverschulden, Mäßigungsrechtnach DHG) Bedeutung.4. Der Übergang erfolgt (im Gegensatz zu § 332 ASVG) erst imZeitpunkt des Ersatzes durch den Versicherer und auch nur insoweitder Versicherer Ersatz leistet. Es gehen daher nur jene Ansprüchedes VN auf den Versicherer über, die den Leistungen desVersicherers "kongruent" sind, ihnen also entsprechen. Die anderenAnsprüche des VN ("Direktansprüche") bleiben bei ihm.Beispiel: In der Kaskoversicherung ersetzt der Versicherer denmerkantilen Minderwert und den entgangenen Gewinn nicht. Dieentsprechenden Schadenersatzansprüche verbleiben daher beim VN.B) Ausschluss des FamilienregressesGemäß § 67 Abs 2 VersVG ist der Übergang ausgeschlossen, wennsich der Ersatzanspruch des VN gegen einen mit ihm in häuslicherGemeinschaft lebenden Familienangehörigen richtet. Der Anspruchgeht nur über, wenn der Angehörige den Schaden vorsätzlich verursachthat.Die häusliche Gemeinschaft muß im Zeitpunkt des Versicherungsfallesbestehen. Der OGH hat vor kurzem ausgesprochen, dassauch der Lebensgefährte "Familienangehöriger" ist.XIV. Fehlen bzw Wegfall des Interesses (§ 68 VersVG)A) § 68 VersVG regelt die Auswirkungen des Fehlens bzw des Wegfallsdes Interesses auf den Versicherungsvertrag. Ein "Interesse",also eine Wertbeziehung zwischen dem VN und einer Sache,


81gibt es allerdings nur in der Aktivenversicherung. Der Anwendungsbereichdes § 68 VersVG geht über die Aktivenversicherungjedoch hinaus und umfasst ganz allgemein die Problematik desFehlens bzw des Wegfalls der Gefahr (des Risikos) des Versicherers.B) Bei Fehlen oder Nichtzustandekommen des Interesses kann derVersicherer gemäß § 68 Abs 1 nur eine angemessene Geschäftsgebührverlangen; zu einer Risikotragung kommt es ja nicht.C) Bei nachträglichem Wegfall des versicherten Interesses gebührtdem Versicherer die Prämie, die er hätte erheben können,wenn die Versicherung nur bis zu dem Zeitpunkt beantragt wordenwäre, in welchem der Versicherer vom Wegfall des InteressesKenntnis erlangt hat.D) Fällt das Interesse dadurch nachträglich weg, dass der Versicherungsfalleintritt, dann kann der Versicherer nur die prorata-Prämieverlangen (§ 40 VersVG). Der alte Abs 5 des § 68VersVG, der dem Versicherer für diesen Fall die gesamte Jahresprämiezubilligte, wurde gestrichen.E) Interessewegfall (Gefahrenwegfall) liegt nur dann vor, wenndie Verwirklichung des versicherten Risikos ausgeschlossen ist.Das ist zB nicht der Fall, wenn eine Gebäudehaftpflichtversicherungbesteht und das Haus so abgebrannt ist, dass nochMauern stehen, weil hier immer noch die Möglichkeit besteht,dass der VN wegen Vernachlässigung seiner Pflichten als Gebäudehalterschadenersatzrechtlich in Anspruch genommen wird.XV. Veräußerung der versicherten Sache (§§ 69 - 73 VersVG)A) Die Veräußerung der versicherten Sache würde an sich das Erlöschendes Versicherungsvertrages gemäß § 68 Abs 2 VersVG bedeuten,da der Veräußerer von einer Schädigung der Sache nicht


82mehr betroffen ist. Dadurch entstünde ein versicherungsfreierZeitraum, bis der Erwerber eine eigene Versicherung abschließt.Die §§ 69 ff VersVG wollen diese Lücke schließen und ordnen einengesetzlichen Vertragsübergang auf den Erwerber an.Die §§ 69 ff VersVG sind jedoch nur in der Aktivenversicherunganwendbar. In der Passivenversicherung fehlt es ja an einer"versicherten Sache", sodass dort ein Vertragsübergang nur dannerfolgen kann, wenn es eine entsprechende gesetzliche Regelunggibt. Vgl § 151 Abs 2 VersVG (Betriebshaftpflichtversicherung),§ 158 o VersVG (Betriebs-Rechtsschutzversicherung) und § 158 fVersVG (Pflichthaftpflichtversicherung).B) Das Versicherungsverhältnis geht auf den Erwerber ebensoüber, wie es mit dem Veräußerer bestanden hatte (also zB auchbelastet durch Prämienzahlungsverzug, Obliegenheitsverletzungendes Veräußerers etc). Von diesem Grundsatz wird nur im Bonus-Malussystem abgewichen; der Schadenverlauf des Vormannes tangiertden Erwerber nicht, weder positiv noch negativ.C) Beide neue Vertragspartner (also der Versicherer und der Erwerber)können gemäß § 70 VersVG den Versicherungsvertrag kündigen,der Versicherer nur mit Monatsfrist, der Erwerber mit sofortigerWirkung oder auf den Schluss der laufenden Versicherungsperiode.Die Kündigung hat zur Folge, dass für die Prämiefür die laufenden Versicherungsperiode nur der Veräußerer haftet;der Erwerber wird durch diese Kündigung also von seiner Solidarhaftungfür die Prämie aus der laufenden Versicherungsperiode(§ 69 Abs 2 VersVG) befreit.Beide Vertragspartner haben eine "Frist zur Kündigung" (Klarstellungserfordernis):Wenn das Kündigungsrecht nicht innerhalbeines Monats ab Kenntnis ausgeübt wird, erlischt es.Unwirksame Kündigungen muss der Versicherer zurückweisen, widri-


83genfalls er die Kündigung gegen sich gelten lassen muss ("Kündigungszurückweisungspflicht").D) Die Veräußerung ist dem Versicherer gemäß § 71 VersVG sowohlvom Veräußerer wie auch vom Erwerber anzuzeigen. Bei Verletzungdieser (schlichten) Obliegenheit droht Leistungsfreiheit, allerdingsnur, wenn der Versicherungsfall später als ein Monat nachdem Zeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeige dem Versichererhätte zugehen müssen. Diese "Schonfrist" erklärt sich daraus,dass der Versicherer auch nur unter Einhaltung einer Monatsfristkündigen hätte können (§ 70 Abs 1 VersVG). Vgl im Übrigendie Ausführungen oben zu dieser gesetzlichen Obliegenheit.E) "Veräußerung" im Sinne der §§ 69 ff VersVG ist nur die Einzelrechtsnachfolge,nicht die Gesamtrechtsnachfolge. Bei der Gesamtrechtsnachfolge(zB Erbfolge, echte Fusion) gibt es daherkein Kündigungsrecht."Veräußerung" ist zB Kauf, Tausch, Schenkung, Sicherungsübereignung,Einbringung eines einzelkaufmännischen Unternehmens ineine OHG, KG, GmbH oder AG.F) Für die Veräußerung kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Abschlussesdes Veräußerungsvertrages, sondern auf den Zeitpunktder Änderung in der sachenrechtlichen Zuständigkeit an, diedurch Übergabe erfolgt. Dieser Zeitpunkt ist also sowohl für denÜbergang des Vertrages wie auch für die Kündigungsmöglichkeit(bzw auch Kündigungsnotwendigkeit) entscheidend.Bei Liegenschaften ist "Veräußerung" im Sinne des § 69 VersVGmit Eintragung im Grundbuch gegeben, genauer noch: mit Zustellungdes Einverleibungsbeschlusses an den Erwerber.XVI. Versicherung für fremde Rechnung (§§ 74 - 80 VersVG)


84A) § 74 Abs 1 VersVG sieht die Möglichkeit vor, dass eine Versicherungvon demjenigen, welcher den Vertrag mit dem Versichererabschließt, im eigenen Namen für einen anderen abgeschlossenwird, mit oder ohne Benennung der Person des Versicherten.Bei der VffR tritt also neben den VN die Person des Versicherten,in dessen Interesse die Versicherung abgeschlossen wird. Eskommt damit zu einer "Rollenspaltung": Der VN ist der alleinigeVertragspartner des Versicherers, er schuldet die Prämie, erentscheidet auch über das Schicksal des Vertrages. Wirtschaftlichsoll aber das Interesse des Versicherten geschützt werden.B) Im Zweifel ist Eigenversicherung anzunehmen. Eine VffR kannsich jedoch auch "aus den Umständen" ergeben (§ 80 Abs 1VersVG). Das Gesetz kennt ferner auch die Rechtsfigur der "Versicherungfür Rechnung wen es angeht", bei der sowohl eigene wieauch fremde Interessen versichert sind und die Regelungen derVffR insoweit zur Anwendung kommen, als im konkreten Fall fremdeInteressen betroffen sind (§ 80 Abs 2 VersVG).C) Die Rollenspaltung führt zu einer merkwürdigen gegenseitigenAbhängigkeit der Stellungen des VN und des Versicherten: DieRechte aus dem Versicherungsvertrag stehen dem Versicherten zu(§ 78 Abs 1 VersVG), dieser kann jedoch über diese Rechte nurdann verfügen, wenn er im Besitz eines Versicherungsscheines istoder wenn der VN zustimmt. Andererseits kann der VN (als "Herrdes Vertrages") über die dem Versicherten aus dem Versicherungsvertragzustehenden Rechte zwar im eigenen Namen verfügen, unterliegtaber gewissen Verfügungsbeschränkungen, die nur vomVersicherten beseitigt werden können (vgl § 76 VersVG).Diese wechselseitige Abhängigkeit erklärt sich aus dem Vorhandenseineines Innenverhältnisses zwischen dem VN und dem Versicherten.Sie soll sichern, dass dieses Innenverhältnis geklärt


85ist.D) Die Rechtsstellung des Versicherten kann in den AVB verstärkt,aber auch geschwächt werden. § 11 Abs 2 KHVG 1994 siehtzB vor, dass der Versicherte seine Rechte auch selbständig geltendmachen kann. Umgekehrt können AVB auch anordnen, dass nurder VN die Versicherungsleistung begehren kann.E) Da der Versicherte derjenige ist, dem wirtschaftlich dieVersicherungsleistungen zugute kommen sollen, ordnet § 78 VersVGan, dass auch die Kenntnis und das Verhalten des Versichertenden Versicherungsschutz beeinträchtigen können. Wenn also derVersicherte den Versicherungsfall herbeiführt, Obliegenheitenverletzt oder sich einer Gefahrerhöhung schuldig macht, so kanndas zur Leistungsfreiheit führen, obwohl dem VN selbst kein Vorwurfgemacht werden kann. Umgekehrt ist der Versicherte ebenfallsbetroffen, wenn der VN Obliegenheiten verletzt oder denVersicherungsfall herbeiführt.In der Haftpflichtversicherung gilt das jedoch nicht, wenn nichtnur die Interessen des VN, sondern auch jene anderer Personenversichert sind. Hat also zB der befugte Lenker die Führerscheinklauselder AKHB verletzt, kann jedoch dem Halter und VNkeine Verletzung dieser Obliegenheit vorgeworfen werden, dannist der Versicherer zwar gegenüber dem Lenker, nicht jedoch auchgegenüber dem VN leistungsfrei (Vgl § 11 Abs 3 KHVG 1994, Art9.2. AKHB 2004).§ 11 FeuerversicherungI. VorbemerkungAus dem Bereich der im Gesetz geregelten Zweige der Schadensversicherungwerden nur die Feuerversicherung und die Haftpflichtversicherungbehandelt. In beiden Fällen wird nur auf jene Rege-


86lungen eingegangen, die von zentraler Bedeutung sind und nichtdurch die Regelungen der AVB als weitgehend unbedeutend angesehenwerden müssen.In der Feuerversicherung werden daher nur die Bestimmungen überdie Wiederherstellungsklausel und über den Schutz des Hypothekargläubigersin der Gebäudefeuerversicherung behandelt.II. WiederherstellungsklauselA) Einfache WiederherstellungsklauselDie einfache Wiederherstellungsklausel (§§ 97 bis 100 VersVG)dient dem Schutz der Hypothekargläubiger und soll verhindern,dass deren Sicherheit dadurch beeinträchtigt wird, dass die Versicherungssummenicht zum Wiederaufbau verwendet wird.B) Strenge WiederherstellungsklauselDie strenge Wiederherstellungsklausel dient dem Schutz des Versicherersvor Machinationen des VN, der versucht sein könnte,die Gelegenheit des Brandes zu nützen, um einen ungünstigenStandort zu verlassen. Sie sieht daher vor, dass der VN den Anspruchauf die volle Versicherungsleistung nur dann erwirbt,wenn er innerhalb einer bestimmten Zeit an derselben Stelle (oderzumindest im selben Gemeindegebiet oder in einem sonst wieumschriebenen Bereich) wieder aufbaut. Andernfalls bekommt er(in der Zeitwertversicherung) nur den Verkehrswert, in der Neuwertversicherungnur den Zeitwert. Vgl dazu Art 9 AFB.Nach der Auffassung des OGH handelt es sich bei der Wiederherstellungsklausel(die auch in anderen Sparten der Sachversicherungvorkommt) um einen Risikoausschluss. Die „Neuwertdifferenz“ist daher nur im Fall der Wiederherstellung zu zahlen. Im Allgemeinengenügt aber, dass sie „gesichert“ ist, etwa durch Ab-


87schluss entsprechender Werkverträge.III. Der Schutz des Hypothekargläubigers in der GebäudefeuerversicherungA) VorbemerkungDer Schutz des Hypothekargläubigers in der Gebäudefeuerversicherungist unterschiedlich ausgestaltet, je nachdem, ob derGläubiger seine Hypothek dem Versicherer angemeldet hat odernicht. Der angemeldete Gläubiger genießt stets den stärkerenSchutz.B) Einfache Wiederherstellungsklausel (§§ 97 ff VersVG) SieheobenC) SurrogationsprinzipDurch den Untergang der Pfandsache würde nach ABGB auch dasPfandrecht untergehen. § 100 Abs 1 VersVG sieht jedoch vor, dasssich das Pfandrecht an einem versicherten Gebäude auch auf dieEntschädigungsforderung gegen den Versicherer erstreckt.D) ZahlungssperreOhne Verständigung der Hypothekargläubiger kann der Versichererin der Gebäudefeuerversicherung die Versicherung nicht auszahlen.Der angemeldete Hypothekargläubiger muss schriftlich zustimmen.Der nicht Angemeldete muss widersprechen, um die Auszahlungzu verhindern, hat also eine schwächere Position (vglgenauer § 100 VersVG).E) VerständigungspflichtenGegenüber dem angemeldeten Hypothekargläubiger bestehen gemäß §


88101 VersVG bestimmte Informationspflichten des Versicherers. DerVersicherer hat dem Gläubiger vom Eintritt des Versicherungsfalles,von einer qualifizierten Mahnung gemäß § 39 VersVGund von einer Kündigung gemäß § 39 Abs 3 VersVG Mitteilung zumachen.F) "Unanfechtbarkeit"1. Gemäß §§ 102, 103 VersVG kann der Versicherer gegenüber demHypothekargläubiger - ebenso, wie in der Pflichthaftpflichtversicherunggegenüber dem geschädigten Dritten - gewisse Leistungsfreiheitstatbeständenicht oder nur in eingeschränktem Umfanggeltend machen. Er hat den Gläubiger also trotz seiner internenLeistungsfreiheit zu befriedigen und erwirbt dafür lediglichdie Hypothek des Gläubigers gemäß § 104 VersVG.2. § 102 VersVG ist mit § 158 c Abs 1 VersVG vergleichbar. Wennder Versicherer wegen des Verhaltens des VN (also zB wegen Obliegenheitsverletzungen,Verletzungen der vorvertraglichen Anzeigepflicht,aber auch - im Gegensatz zu § 158 c VersVG - beigrob fahrlässiger oder vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles)leistungsfrei ist, so bleibt gleichwohl seine Verpflichtunggegenüber einem Hypothekargläubiger bestehen. Dasgleiche gilt, wenn der Versicherer nach dem Eintritt des Versicherungsfallesvon dem Vertrag zurücktritt oder den Vertrag anficht.Zur Situation beim Prämienzahlungsverzug vgl § 102 Abs 2 VersVG.3. Weniger stark ist der Schutz des Hypothekargläubigers, wenndas Feuerversicherungsverhältnis durch Kündigung, Rücktritt,Fristablauf etc beendet worden ist (§ 103 VersVG). Es kommt hierlediglich - vergleichbar der Situation gemäß § 158 c Abs 2VersVG - zu einer "Nachhaftung" des Versicherers für den Zeitraumvon drei Monaten. § 103 VersVG gilt nur zugunsten des ange-


meldeten Hypothekargläubigers!89G) Interesseversicherung (vgl § 105 VersVG)H) Kündigungsschutz (§ 106 VersVG)§ 12. HaftpflichtversicherungI. Allgemeine Vorschriften (§§ 149 bis 158a VersVG)A) Die beiden Funktionen der Haftpflichtversicherung1. Befriedigungs- bzw BefreiungsfunktionAbweichend von § 149 VersVG, der noch davon ausgeht, dass der VNzuerst den Schaden zu liquidieren hat und dann vom VersichererGeldersatz zu fordern berechtigt ist, wird heute die Funktionder Haftpflichtversicherung darin gesehen, den VN von zu Rechtbestehenden Ansprüchen Dritter zu befreien. Dieser Befreiungsanspruchist ein Naturalanspruch.2. Rechtschutz- oder VerteidigungsfunktionDer Versicherer hat im Übrigen den VN auch gegen ungerechtfertigteAnsprüche Dritter zu verteidigen und die dadurch entstehendenKosten zu tragen (§ 150 VersVG).B) Deckungsverhältnis und Haftpflichtverhältnis1. HaftpflichtverhältnisDas Haftpflichtverhältnis besteht zwischen dem VN (als Schädiger)und dem Geschädigten. Ob ein Schadenersatzanspruch des Geschädigtenvorliegt, bestimmt sich nach den Regeln des Schadenersatzrechts.


902. Deckungsverhältnis (Versicherungsverhältnis)Vom Haftpflichtverhältnis ist das Deckungsverhältnis zu unterscheiden.Das Deckungsverhältnis entscheidet darüber, ob derVersicherer dem VN aus dem Versicherungsvertrag Deckung zu gewährenhat.a) Der Dritte kann sich mit seinem Schadenersatzanspruch grundsätzlichnur an den VN halten und hat keine Möglichkeit, direktan den Versicherer heranzutreten. Der Versicherer schaltet sichallerdings in die Schadenabwicklung ein und tritt dort als Bevollmächtigterdes VN auf. Kommt es zu keiner Einigung, dann mußder Geschädigte den VN klagen. Im Prozess hat sich der Versichererebenfalls weitgehend die Kontrolle gesichert ("Prozeßmuntschaftdes Versicherers"). Gewinnt der Dritte den Prozeß, dannkann er gegen den VN in dessen gesamtes Vermögen Exekution führen,somit auch in dessen Deckungsanspruch gegen den Versicherer.In der Hand des geschädigten Dritten verwandelt sich dannder Befreiungsanspruch in einen Geldanspruch.Einen Direktanspruch hat der geschädigte Dritte gegen den Versicherervor allem in der Kfz-Haftpflichtversicherung (§ 26 KHVG1994).b) Ein Urteil, das im Haftpflichtprozess erstritten wird, hatfür das Deckungsverhältnis nur dann „Bindungswirkung“, wenn demVersicherer die Möglichkeit eröffnet worden ist, sich dem Haftpflichtprozessals Nebenintervenient anzuschließen.C) Der Versicherungsfall in der HaftpflichtversicherungDas VersVG enthält keine Festlegung des Versicherungsfalles inder Haftpflichtversicherung. Heute sind im Wesentlichen dreiVersicherungsfallsdefinitionen üblich:


911. Schadenereignis (Folgeereignis)Im Bereich der Personen- und Sachschäden ist Versicherungsfalldas Schadenereignis, also ein nach außen hin wirksamer, sinnfälligerAkt, der vom üblichen Geschehnisablauf deutlich abgehobenund in seiner Bedeutung jedermann erkennbar ist.2. Verstoß (Ursachenereignis)Bei den reinen Vermögensschäden ist ein solcher sinnfälliger Aktkaum feststellbar. Daher wird bei der Deckung dieser Schäden aufdie Setzung der Ursache abgestellt, aus der letztlich der Schadenentstanden ist.3. AnsprucherhebungIm angloamerikanischen Recht wird auf den Zeitpunkt der Anspruchserhebungabgestellt ("claims made"). Diese Theorie wirdvon den Rückversicherern favorisiert, konnte sich jedoch imdeutschsprachigen Raum bis jetzt nur in der „D&O-Versicherung“durchsetzen.Die verschiedenen Versicherungsfallsdefinitionen haben Bedeutungfür die zeitliche und örtliche Deckung aus dem Versicherungsvertrag.Sie stehen nicht völlig im Belieben des Versicherers,sondern er hat jene Versicherungsfallsdefinition zuwählen, die den berechtigten Deckungserwartungen des VN entspricht.D) Betriebshaftpflichtversicherung (§ 151 VersVG)1. Hinsichtlich der Betriebshaftpflichtversicherung ordnet § 151Abs 1 VersVG an, dass sich die Deckung des Versicherers auch aufdie Vertreter des VN sowie solcher Personen erstreckt, die er


92zur Leitung oder Beaufsichtigung eines Betriebes oder eines Teilesdes Betriebes angestellt hat. Diesbezüglich gilt die Versicherungals für fremde Rechnung genommen.Vgl dazu zB EHVB 2005 Abschnitt A 3.1. und 3.2.2. Gemäß § 151 Abs 2 VersVG kommen nicht nur bei der Veräußerung,sondern auch bei der Verpachtung, Fruchtnießung und derEinräumung anderer ähnlicher Rechte an einem Unternehmen dieVorschriften über die Veräußerung der versicherten Sache zur Anwendung.E) Herbeiführung des Versicherungsfalles (§ 152 VersVG)1. In der Haftpflichtversicherung schadet dem VN nur die vorsätzlicheHerbeiführung des Versicherungsfalles (§ 152 VersVG).Unter Vorsatz wird auch der sog bedingte Vorsatz verstanden, beidem der VN den schädigenden Erfolg seiner Handlung voraussiehtund in Kauf nimmt. Bewusste Fahrlässigkeit, bei der der VN denschädigenden Erfolg als möglich erkennt, aber hofft, dass ernicht eintreten wird, genügt nicht.§ 152 VersVG geht ebenfalls (wie § 61 VersVG) vom Selbstverschuldensprinzipaus: Nur die vorsätzliche Herbeiführung desVersicherungsfalls durch den VN schadet. § 152 ist aber dispositiv,sodass die Verschuldensvoraussetzungen herabgesetzt werdenkönnen und auch der Personenkreis vergrößert werden kann, dessenFehlverhalten Leistungsfreiheit bewirkt.2. Vgl als Beispiele Art 7.2.1. und 7.2.2. AHVB 2005 sowie EHVB2005 Abschnitt A Punkt 3 ("bewußtes Zuwiderhandeln gegen Vorschriften").F) Anerkennungsverbot (§ 154 Abs 2 VersVG)


931. § 154 Abs 2 VersVG eröffnet dem Haftpflichtversicherer dieMöglichkeit, in den AVB ein Anerkennungsverbot zu verankern undbei dessen Verletzung Leistungsfreiheit anzuordnen. Dabei handeltes sich um eine sekundäre Obliegenheit, die nur unter denVoraussetzungen des § 6 Abs 3 VersVG Leistungsfreiheit bewirkenkann. Der VN kann daher den Entschuldigungsbeweis und vor allemauch den Kausalitätsgegenbeweis führen. Überdies ordnet § 154Abs 2 VersVG an, dass dann Leistungsfreiheit nicht eingewendetwerden kann, wenn nach den Umständen der VN die Befriedigung o-der die Anerkennung nicht ohne offenbare Unbilligkeit verweigernkonnte. Das wird aber nur ausnahmsweise der Fall sein.Die bisher bestehende Möglichkeit, auch ein Befriedigungsverbotzu vereinbaren, wurde durch die VersVG-Novelle 1994 beseitigt.2. Die AVB der Haftpflichtversicherung machen von der Möglichkeitdieses Anerkennungsverbots durchwegs Gebrauch (vgl nur Art8.1.5.3. AHVB 2005).G) Rentenkürzung (§ 155 VersVG)1. Körperverletzungen sind in der Regel in Form einer Rente abzugelten,soferne sie einen Verdienstentgang zur Folge haben.Kapitalzahlungen sind hier nur ausnahmsweise zulässig. Bei unzureichenderVersicherungssumme kann sich die Frage ergeben, obder Versicherer die Rente ungekürzt auszahlen soll, bis die Versicherungssummeerschöpft ist, oder ob er eine Rentenkürzungvornehmen soll. § 155 Abs 1 VersVG entscheidet sich vor allem imInteresse des geschädigten Dritten für die zweite Lösung.2. Für die Berechnung von Renten sind Rententafeln erforderlich.Vgl dazu § 10 KHVG 1994, Art 6.3. AKHB 2004, Art 5.4. AHVB 2005.H) Schutz des Dritten in der Haftpflichtversicherung (§§ 156,157 VersVG)


941. Unwirksamkeit von Verfügungen über die EntschädigungsforderungGemäß § 156 Abs 1 VersVG sind Verfügungen über die Entschädigungsforderungaus dem Versicherungsverhältnis dem Dritten gegenüberunwirksam. Durch diese Anordnung soll verhindert werden,dass der VN zB auf die Deckungsforderung verzichtet oder dieEntschädigungsforderung entgegennimmt. Damit wird dem GedankenRechnung getragen, dass die Haftpflichtversicherung eine sozialeReflexwirkung zugunsten des geschädigten Dritten hat.An sich würde sich diese Rechtsfolge aber auch schon aus der modernenKonzeption der Haftpflichtversicherung ergeben, nach derder VN nur einen Befreiungsanspruch gegenüber dem Versichererhat, der sich erst in der Hand des Dritten in einen Geldersatzanspruchverwandelt. Durch diese Konzeption wird ja auch verhindert,dass sonstige Gläubiger auf die Deckungsforderung greifenkönnen.2. Verteilung der unzureichenden Versicherungssumme§ 156 Abs 3 VersVG legt dem Versicherer die Verpflichtung auf,eine unzureichende Versicherungssumme auf die geschädigten Dritten(bzw die an ihre Stelle tretenden Legalzessionare) verhältnismäßigzu verteilen. Diese Verteilungslast ist für den Versicherergefährlich, da er Dritte, die er fahrlässigerweise beider Verteilung nicht berücksichtigt hat, auf seine eigenen Kostenmit dem Betrag befriedigen muss, den diese Dritten bei Beteiligungan der Verteilung bekommen hätten müssen.


95Der Versicherer kann sich von dieser Verteilungsverpflichtungnicht durch "Abandon" befreien. Er kann die Versicherungssummealso nicht gerichtlich hinterlegen, damit sich die Dritten darumstreiten, sondern hat das Verfahren gemäß § 156 Abs 3 VersVGdurchzuführen. Ein "Abandon" ist nur im Innenverhältnis zum VNmöglich.3. Absonderungsrecht an der DeckungsforderungGemäß § 157 VersVG hat der geschädigte Dritte im Konkurs des VNein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus der Deckungsforderung.Die Deckungsforderung ist also für den Dritten "reserviert".Dieser Gedanke ist analogiefähig. Die Deckungsforderung bildetdaher auch im Ausgleich und im Nachlassverfahren ein Sondervermögen.I. Schadenfallkündigung (§ 158 VersVG)1. Gemäß § 158 VersVG können sowohl der Versicherer als auch derVN nach einem Versicherungsfall das Versicherungsverhältnis kündigen.Zu den näheren Modalitäten vgl § 158 Abs 2 und Abs 3VersVG.2. § 158 VersVG behandelt Versicherer und VN bei der Kündigungsmöglichkeitgleich. Diese "Parität" des Kündigungsrechts wurdedurch die VersVG-Novelle 1994 zwingend gestellt (§ 158 a Abs 2VersVG). Wenn die Möglichkeit der Kündigung im Schadenfall eingeschränktwird, so müssen diese Einschränkungen also für beideParteien gelten.


96II. Pflichthaftpflichtversicherung (§§ 158b bis 158h VersVG)A) Schutz des Dritten1. Der Schutz des Dritten wird in der Pflichthaftpflichtversicherunggegenüber der normalen Haftpflichtversicherung wesentlichverstärkt. Der Schutz der §§ 156, 157 VersVG wirkt janur dann, wenn ein "gesundes" Versicherungsverhältnis gegebenist, also Leistungspflicht des Versicherers gegenüber dem VNvorliegt. Ist dagegen das Versicherungsverhältnis "krank", dannwürde dieser Schutz versagen.2. In der Pflichthaftpflichtversicherung wird daher der Schutzdes Dritten auf Fälle des "kranken Versicherungsverhältnisses"ausgedehnt.a) § 158c Abs 1 VersVG regelt die Fälle, in denen das Versicherungsverhältnisals solches noch besteht, der Versicherer aberintern (dem VN gegenüber) leistungsfrei ist (zB aufgrund einerObliegenheitsverletzung, einer Verletzung der vvAnzPfl, einerVerletzung der Obliegenheiten bei GE, wegen Prämienzahlungsverzugs,solange das Versicherungsverhältnis noch besteht, etc).Für diese Fälle wird angeordnet, dass die Verpflichtung in Ansehungdes Dritten gleichwohl bestehen bleibt. Der Dritte ist alsovoll geschützt.b) Prekärer ist die Situation für den VN, wenn das Versicherungsverhältnisbereits erloschen ist oder überhaupt nie wirksamzustande kam. § 158c Abs 2 VersVG, der diese Konstellation regelt,ordnet an, dass Umstände, die das Nichtbestehen oder dieBeendigung des Versicherungsverhältnisses zur Folge haben (alsozB Rücktritt, Kündigung, Anfechtung, Nichtigkeit etc), in Ansehungdes Dritten erst mit Ablauf eines Monats (in der KFZ-Haftpflichtversicherung: von drei Monaten; vgl § 24 Abs 2 KHVG1994) wirken, nachdem der Versicherer diesen Umstand der hiefür


97zuständigen Stelle angezeigt hat. Dasselbe gilt, wenn das Versicherungsverhältnisdurch Zeitablauf endet.Der Dritte bekommt hier also nur eine "Gnadenfrist", die hinsichtlichihres Beginns durch den Versicherer beeinflusst werdenkann. Je schneller er der zuständigen Stelle anzeigt, desto geringerist sein Deckungsrisiko.Nach Ablauf der Frist kann sich der Dritte nur noch an den VNhalten. Vgl aber für den Bereich der KFZ-Haftpflichtversicherungdas Verkehrsopfer-EntschädigungsG.3. Gemäß § 158c Abs 3 VersVG haftet der Versicherer jedoch nurim Rahmen der amtlich festgesetzten Mindestversicherungssummenund der von ihm übernommenen Gefahr. Risikoausschlüsse schlagenalso zB gegenüber dem Dritten durch.§ 158c Abs 4 VersVG enthält zudem eine gesetzliche Subsidiaritätsklausel.§ 158c Abs 5 VersVG stellt schließlich klar,dass auch in der Pflichthaftpflichtversicherung keine direkteKlagsmöglichkeit gegen den Versicherer besteht (Ausnahme: KFZ-Haftpflichtversicherung, § 26 KHVG 1994).B) Mitwirkungspflichten des Dritten1. Gemäß § 158d VersVG treffen den Dritten gewissermaßen zumAusgleich für seinen verstärkten Schutz gemäß § 158c VersVG Mitwirkungspflichten,und zwar die Anzeigepflicht (§ 158d Abs 1 undAbs 2 VersVG) und die Auskunft- und Belegpflicht (§ 158d Abs 3VersVG). Schließlich lässt sich aus § 158e Abs 2 VersVG ableiten,dass der Dritte auch nicht an einem Vergleich oder einemAnerkenntnis des VN mitwirken darf.2. § 158e VersVG sanktioniert diese Pflichten des Dritten. DieHaftung des Versicherers nach § 158c VersVG beschränkt sich auf


98den Betrag, den er auch bei gehöriger Erfüllung der Verpflichtungenzu leisten gehabt hätte.C) LegalzessionSoweit der Versicherer den Dritten nach § 158c VersVG befriedigt,geht die Forderung des Dritten gegen den VN auf ihn über(§ 158f VersVG). Zum Ausgleich für seine Leistung dem Drittengegenüber, zu der er im Innenverhältnis ja nicht verpflichtetwar, erhält der Versicherer also einen Legalzessionsanspruch gegenseinen VN. Dieser Übergang kann jedoch nicht zum Nachteildes Dritten geltend gemacht werden.D) Veräußerung der versicherten SacheIn der Passivenversicherung sind die §§ 69 bis 73 VersVG nichtanwendbar. § 158h VersVG sieht jedoch vor, dass die Vorschriftenüber die Veräußerung der versicherten Sache in der Pflichthaftpflichtversicherungsinngemäß gelten.§ 13 Lebensversicherung (§§ 159 bis 178 VersVG)VorbemerkungIm Folgenden werden aus dem Bereich der Personenversicherung nurdie Lebens- und die Unfallversicherung behandelt, um den Rahmender Vorlesung nicht zu sprengen. Unberücksichtigt bleibt alsoder durch die VersVG-Novelle 1994 neu eingefügte Vierte Abschnittdes VersVG, der erstmals die Krankenversicherung regelt(§§ 178 a bis 178 n VersVG). Auch der Dritte Abschnitt über dieLebensversicherung, der durch die Novelle ebenfalls, allerdingsnur leicht modifiziert wurde, wird hier nur in seinen Grundzügenbehandelt.


99I. Allgemeine VorschriftenA) Personenfremdversicherung (§ 159 VersVG)1. Die Lebensversicherung kann auch auf die Person eines anderengenommen werden ("Personenfremdversicherung"). Diese Personist in der Lebensversicherung, wie sich aus der Gegenüberstellungzur Regelung der Unfallversicherung (§ 179 Abs 2 VersVG)ergibt, nur Gefahrsperson und nicht Versicherter. Die Leistungaus der Versicherung steht also dem VN zu.2. Aus dieser Konstellation ergeben sich naturgemäß gewisse Risikenfür die Gefahrsperson, weshalb in den Absätzen 2 und 3 des§ 159 VersVG prinzipielle Zustimmungspflichtigkeit des Vertragesvorgesehen ist.3. Die Risiken, die für den Versicherer aus der Rollenspaltungentstehen, werden durch § 161 VersVG bekämpft, der der Kenntnisund dem Verhalten des VN die Kenntnis und das Verhalten der Gefahrspersongleichstellt.B) Sondervorschriften über vvAnzPfl und GE1. Die §§ 162 und 163 VersVG enthalten Sondervorschriften überdie vvAnzPfl. Die falsche Altersangabe wird besonders nachsichtigbehandelt und führt im Allgemeinen nicht zur Leistungsfreiheitdes Versicherers, sondern nur zu einer Vertragsanpassung.Lediglich, wenn das richtige Alter außerhalb der imGeschäftsplan für den Abschluß von Verträgen festgesetzten Grenzenliegt, hat der Versicherer ein Rücktrittsrecht (§ 162VersVG).Auf sonstige Anzeigepflichtsverletzungen kann sich der Versicherergemäß § 163 VersVG nach dem Verstreichen einer 3-Jahresfrist ab dem Abschluss des Vertrages nicht mehr berufen,


100es sei denn, dass die Anzeigepflicht arglistig verletzt wurde.2. Der Einwand der GE kann gemäß § 164 VersVG im Bereich der Lebensversicherungnur dann erhoben werden, wenn eine Änderung vonGefahrumständen kraft ausdrücklicher Vereinbarung als GE angesehenwerden soll. Auch in diesem Fall kann der Versicherer - denFall der Arglist ausgenommen - die GE nur innerhalb von 3 Jahrengeltend machen.Im Allgemeinen werden in der Lebensversicherung allerdings solcheUmstände meist in die Form von Risikoausschlüssen gekleidet.Vgl § 9 ALB ("Sondergefahren").C) Bezugsberechtigung (Begünstigung)1. § 166 VersVG sieht die Möglichkeit vor, dass der VN über seineForderung aus der Lebensversicherung in einer spezifisch versicherungsrechtlichenWeise, nämlich durch Bezugsberechtigung(Begünstigung) verfügt. Neben dieser Verfügungsmöglichkeit bestehtaber selbstverständlich auch die Möglichkeit einer Abtretung,Verpfändung oder Vinkulierung der Versicherungsforderung.2. § 166 VersVG unterscheidet zwischen der widerruflichen undder unwiderruflichen Einsetzung eines Bezugsberechtigten. ImZweifel ist widerrufliche Bezugsberechtigung anzunehmen.Bei der widerruflichen Bezugsberechtigung kann der VN jederzeiteinen anderen Bezugsberechtigten einsetzen, und zwar sogar auchletztwillig. Die Einsetzung und der Widerruf erfolgt allerdingsin der Regel durch einseitige Erklärung gegenüber dem Versicherer.Der widerruflich Bezugsberechtigte erlangt erst mit demVersicherungsfall (also meist mit dem Tod des VN) ein Vollrecht.


101Demgegenüber ist die Stellung des unwiderruflich Bezugsberechtigtenwesentlich stärker. Er erwirbt eine Anwartschaft, überdie er verfügen kann und auf die auch von seinen Gläubigern gegriffenwerden kann.3. § 167 VersVG enthält die Regelung einiger problematischerFälle der Bezugsberechtigung. Bedeutsam ist insbesondere § 167Abs 2 VersVG, der einen alten Streitfall entschied. Wenn "dieErben" bezugsberechtigt sind, so erwerben sie die Versicherungsleistungdoch nicht in ihrer Funktion als Erben, sondern als Bezugsberechtigte;die Versicherungssumme fällt daher nicht in denNachlass.D) Herbeiführung des Versicherungsfalles1. § 169 VersVG (Selbstmordklausel) steht in Verwandtschaft mitden Vorschriften über die Herbeiführung des Versicherungsfalles.In der Ablebensversicherung ist der Versicherer leistungsfrei,wenn derjenige, auf dessen Person die Versicherung genommen ist,Selbstmord begangen hat. Die Leistungspflicht bleibt jedoch bestehen,wenn die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließendenZustand krankhafter Störung der Geistestätigkeitbegangen worden ist. Die Beweislast für den Selbstmord trifftden Versicherer, der einen äußeren Sachverhalt nachzuweisen hat,aus dem sich erfahrungsgemäß das Erscheinungsbild eines Selbstmordesergibt. Den Gegenbeweis des Zustandes der krankhaftenStörung der Geistestätigkeit haben die Anspruchsberechtigten(Erbe bzw Bezugsberechtigter etc) zu führen.Nach den Bedingungen der Lebensversicherung wird nach einer gewissenZeit der Selbstmord nicht mehr eingewendet (vgl § 10 ALB:3 Jahre).2. Ebenfalls in diesen Zusammenhang gehört § 170 VersVG.


102§ 170 Abs 1 VersVG sieht Leistungsfreiheit des Versicherers fürden Fall vor, dass der VN in der Ablebensversicherung vorsätzlichden Tod der Gefahrsperson herbeiführt.Wenn der Bezugsberechtigte den Tod des VN herbeiführt, so giltdie Bezeichnung als Bezugsberechtigter als nicht erfolgt; dieVersicherungssumme fällt daher (sofern nicht zB ältere Bezugsberechtigungenwieder aufleben) in den Nachlass.II. Besondere Vorschriften für die rückkaufsfähige Versicherung(§§ 173 bis 176 VersVG)A) Begriff der rückkaufsfähigen VersicherungVor der VersVG-Novelle 1994 setzte die "Rückkaufsfähigkeit" derLebensversicherung voraus, dass die Prämie für einen Zeitraumvon 3 Jahren bezahlt worden ist. Diese Voraussetzung besteht nunnicht mehr. „Rückkaufsfähigkeit“ ist jedoch nur gegeben, wennder Eintritt der Verpflichtung des Versicherers gewiss ist (§176 Abs 1 VersVG), sodass jedenfalls ein Sparanteil vorhandenist („Versicherung mit unbedingter Leistungspflicht“). Für dieRückkaufsfähigkeit kann überdies eine Bagatellegrenze vereinbartwerden (174 VersVG).Eine „Versicherung mit unbedingter Leistungspflicht“ liegt beieiner Todesfallversicherung, die auf Lebenszeit geschlossenwird, sowie bei einer gemischten Er- und Ablebensversicherungvor. Gegenstück dieser Versicherungsform ist die reine „Risikolebensversicherung“,bei welcher eine Todesfallversicherung füreine bestimmte Zeit geschlossen wird.B) Gewillkürte Umwandlung (§§ 173, 174 VersVG)Gemäß § 173 VersVG kann der VN jederzeit für den Schluß der laufendenVersicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in


103eine prämienfreie Versicherung verlangen. In diesem Fall brauchter keine Prämie mehr zu zahlen, hat aber natürlich auch im Versicherungsfallnur einen reduzierten Anspruch. Zur Höhe diesesAnspruches vgl § 173 Abs 2 VersVG ("Zeitwertprinzip"), zur Möglichkeitvon Abzügen durch den Versicherer vgl § 173 Abs 3VersVG.§ 174 neu VersVG sieht allerdings die Möglichkeit vor, dass imVertrag eine "Bagatellegrenze" vereinbart wird, bei deren Unterschreitungkeine Umwandlung verlangt werden kann, sodass es zueinem "Zwangsrückkauf" kommt.C) Selbsttätige Umwandlung (§ 175 VersVG)Wenn der Versicherer das Versicherungsverhältnis wegen Folgeprämienzahlungsverzugesnach § 39 VersVG kündigt, so wandeltsich die Versicherung automatisch mit der Kündigung in eine prämienfreieVersicherung um. Auf diese Wirkung muss gemäß § 175Abs 3 VersVG gesondert hingewiesen werden. Auch hier gibt es eine„Bagatellegrenze“.D) Erstattung der Prämienreserve ("Rückkauf") (§ 176 VersVG)1. Wird eine Kapitalversicherung für den Todesfall, die in derArt genommen ist, dass der Eintritt der Verpflichtung des Versichererszur Zahlung des vereinbarten Kapitals gewiss ist,durch Rücktritt, Kündigung oder Anfechtung aufgehoben, oder istder Versicherer im Versicherungsfall leistungsfrei, so hat derVersicherer dennoch den auf die Versicherung entfallenden Rückkaufswertzu erstatten. Ausgenommen ist nur der Fall, dass derVN die Gefahrsperson tötet (§ 176 Abs 2 VersVG).


1042. Die AVB der Lebensversicherung hatten sich in der Vergangenheitbezüglich der Berechnung des Rückkaufswerts oft mit demHinweis begnügt, dass diese „nach versicherungsmathematischenGrundsätzen“ erfolge, oder auf den Tarif verwiesen. Diese Klauselnhat der OGH als intransparent angesehen.3. Lange Zeit war es üblich, die Provision des Vermittlers unddie sonstigen einmaligen Abschlusskosten am Beginn des Lebensversicherungsverhältnisseszu verrechnen, sodass der VN bei einerKündigung des Vertrages nach wenigen Jahren kaum einen Rückkaufswerterhielt. Dieser Möglichkeit wurde durch die „5-Jahres-Regel“ des § 176 Abs 5 und 6 VersVG ein Riegel vorgeschoben, dienun auch im System der „Nettopolizze“ zur Anwendung kommt.4. Eine Vorauszahlung der Versicherungsleistung bis zur Höhedes Rückkaufswerts ("Polizzendarlehen") kennt das VersVG nicht.Sie hat sich jedoch in der Vertragspraxis herausgebildet (vgl §§7, 7a ALB).E) Eintrittsrecht (§ 177 VersVG)Wenn auf den Versicherungsanspruch Zwangsvollstreckung geführtoder über das Vermögen des VN der Konkurs eröffnet wird, so gefährdetdieser Umstand die Versorgung bestimmter Personen, fürdie die Lebensversicherung wirtschaftlich gedacht ist. § 177VersVG sieht daher die Möglichkeit vor, dass der namentlich bezeichneteBezugsberechtigte oder (in dessen Ermangelung) derEhegatte und die Kinder des VN durch Anzeige an den Versichererin den Versicherungsvertrag eintreten können. In diesem Fall habendie Eintrittsberechtigten allerdings die Forderungen derGläubiger bzw der Konkursmasse bis zur Höhe des Rückkaufwerts zubefriedigen.F) Verwertung gepfändeter Ansprüche (§ 177a VersVG)


105Gepfändete Ansprüche aus einem Lebensversicherungsvertrag werdendurch Überweisung zur Einziehung verwertet. Diese ermächtigt denbetreibenden Gläubiger insbesondere, das Versicherungsverhältnisnamens des Verpflichteten zu kündigen und dadurch auf den Rückkaufswertgreifen zu können.§ 14 Unfallversicherung (§§ 179 bis <strong>18</strong>5 VersVG)I. Personenfremdversicherung (§ 179 VersVG)A) Unfallversicherungen können gegen Unfälle, die dem VN, odergegen Unfälle, die einem anderen zustoßen, genommen werden. Imzweiten Fall liegt eine Personenfremdversicherung vor.B) § 179 Abs 2 VersVG stellt diesbezüglich klar, dass in der Unfallversicherungeine Versicherung gegen Unfälle, die einem anderenzustoßen, im Zweifel als VffR gilt, auf die die §§ 75 bis79 VersVG entsprechend anzuwenden sind. Dem Versicherten stehenalso im Zweifel auch die Leistungen aus der Versicherung zu.C) Handelt es sich bei dem anderen doch um eine reine Gefahrsperson,so besteht auch hier wieder die Zustimmungsnotwendigkeit(§§ 179 Abs 3 VersVG). Diesbezüglich ordnet § 179 Abs 4 VersVGan, dass die Kenntnis und das Verhalten der Gefahrsperson derKenntnis und dem Verhalten des VN gleichgehalten werden.II. Bezugsberechtigung (§ <strong>18</strong>0 VersVG)Auch in der Unfallversicherung kann ein Bezugsberechtigter eingesetztwerden (§ <strong>18</strong>0 VersVG).III. Herbeiführung des Versicherungsfalles (§ <strong>18</strong>1 VersVG)A) Der VN bzw der Versicherte führt den Unfall vorsätzlichherbei (§ <strong>18</strong>1 Abs 1 Satz 1 VersVG).


106B) Der VN führt den Unfall der Gefahrsperson vorsätzlich herbei(§ <strong>18</strong>1 Abs 1 Satz 2 VersVG).C) Der Bezugsberechtigte führt den Unfall des VN vorsätzlichherbei (§ <strong>18</strong>1 Abs 2 VersVG).In den ersten beiden Fällen ist der Versicherer leistungsfrei,im dritten Fall gilt die Bezugsberechtigung als nicht erfolgt.IV. Schadenabwendungs- und Minderungspflicht (§ <strong>18</strong>3 VersVG)Auch in der Unfallversicherung gibt es eine "Rettungspflicht"(vgl § 62 VersVG). Es handelt sich um eine sekundäre Obliegenheit,aufgrund derer sich der VN zB gewissen Behandlungen undOperationen unterziehen muss, um die Unfallsfolgen zu reduzieren.Das gilt freilich nur, wenn ihm dadurch nichts Unbilligeszugemutet wird.V. Sachverständigenverfahren (§ <strong>18</strong>4 VersVG)Die Regelung des Sachverständigenverfahrens in der Unfallversicherungist im Wesentlichen gleich wie jene in der Schadensversicherung(vgl §§ 64, 65 VersVG). Vgl Art 15 AUVB 1988 ("Ärztekommission").VI. Unfallermittlungskosten (§ <strong>18</strong>5 VersVG)Die Regelung über die Ersatzfähigkeit von Unfallermittlungskostenentspricht ebenfalls im wesentlichen jener der Schadenermittlungskostengemäß § 66 VersVG.


107§ 15 Die Auswirkungen des Beitritts Österreichs zur EU auf dasösterreichische Versicherungsvertragsrecht1. Mit 1.1.1995 ist Österreich Vollmitglied der EuropäischenUnion geworden. Dadurch kam es (neben den politischen Zielen derEU) zur Schaffung eines homogenen Wirtschaftsraumes, in demgleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen und nationale Handelshemmnissebeseitigt werden. Dazu kennt der EU-Vertrag insbesonderedie Freiheit des Warenverkehrs, die Freizügigkeit der Personenund Unternehmen (Niederlassungsfreiheit), den freienDienstleistungsverkehr (Dienstleistungsfreiheit) und den freienKapitalverkehr.Für den Bereich des Versicherungswesens sind vor allem die Vorschriftendes EU-Vertrages über die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheitvon Bedeutung. Österreich musste eine ganzeReihe von versicherungsrechtlichen Richtlinien umsetzen, die derVerwirklichung dieser Freiheiten dienen, und zwar insbesondere- die 1. Richtlinie Schaden (1973) und 1. Richtlinie Leben(1979) ("1. Richtliniengeneration")- die Rechtsschutzversicherungs-Richtlinie (1987)- die 2. Richtlinie Schaden (1988) und die 2. Richtlinie Leben(1990) ("2. Richtliniengeneration") und- 5 KFZ-Haftpflichtversicherungs-Richtlinien, die mit derRichtlinie 2009/103/EG aus 2009 zusammengefasst wurden.- die 3. Richtlinie Schaden (1992) und die 3. Richtlinie Leben(1992) ("3. Richtliniengeneration").- die Versicherungsvermittlungs-Richtlinie aus 2002, die derzeitüberarbeitet wird.


108- zahlreiche Richtlinien, die das Aufsichtsrecht betreffen, wieinsbesondere Solvabilität I und II.Der österreichische Gesetzgeber ist seinen Umsetzungsverpflichtungendurch die Erlassung von zahlreichen Novellen zum VAG, zumVersVG, zum KHVG, zum Verkehrsopfergesetz, zum Versicherungssteuergesetzund zum Feuerschutzsteuergesetz nachgekommen. Außerdemwurde im Bereich des Internationalen Privatrechts das BGüber Internationales Versicherungsvertragsrecht für den EWR erlassen(IVVG);das Internationale Privatrecht für Versicherungsverträgeist zum Teil aber auch in Art 7 Rom I geregelt.2. Was sind nun die wesentlichsten Inhalte jener Richtlinien,die schon umgesetzt wurden? Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheitsind nun bereits voll verwirklicht.Niederlassungsfreiheit bedeutet, dass ausländische Versicherer,die in Österreich eine Niederlassung gründen wollen, grundsätzlichnach den gleichen Regeln behandelt werden müssen wieInländer (Diskriminierungsverbot). Dienstleistungsfreiheit bedeutet,dass ausländische Versicherer in Österreich ihre Produkteungehindert und unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländeranbieten können müssen, ohne dass sie im Inland eine Niederlassunghaben.Diese beiden Freiheiten haben seit der Umsetzung der 3. Richtliniengenerationauch wesentliche Auswirkungen auf das Systemder Versicherungsaufsicht. Für Zulassung und laufende Kontrolleder Versicherungsunternehmen ist nur noch die Aufsichtsbehördedes Herkunftslandes zuständig. Es gilt der Grundsatz der "singlelicence": Aufgrund einer im Herkunftsland erteilten Zulassungkann ein Unternehmen im gesamten EWR-Raum tätig werden und benötigtim Tätigkeitsland weder eine Niederlassung noch eine Zulassungzum Dienstleistungsverkehr. AVB, BVB und Tarife bedürfengrundsätzlich keiner Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde


109mehr, sondern es kann nur noch eine (nachträgliche) Missbrauchskontrollevorgenommen werden. Lediglich in der Pflichtversicherungund der sogenannten substitutiven Krankenversicherung darfdas Tätigkeitsland die Vorlage - nicht etwa die Genehmigung! -der AVB bzw BVB verlangen. In der Lebensversicherung und in dersubstitutiven Krankenversicherung kann das Tätigkeitsland überdiesdie Übermittlung der Rechnungsgrundlagen verlangen.

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