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DAS DICTUM DES SIMONIDES - Seminar für Geistesgeschichte ...

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Das Dictum des Simonides 27[...] Da ja an den Büchern etwas ganz Eigenartiges ist: Gold, Silber, Gemmen,purpurne Gewänder, ein marmornes Haus, ein bestellter Acker, bemalte Tafeln,phaleratus onipes (?) und alles andere dieser Art geben eine stumme undoberflächliche Lust; die Bücher erfreuen zutiefst, sie sprechen, sie erteilenRatschläge und sind uns durch eine lebendige und scharfsinnige Vertrautheitverbunden.Quinimo, singulare quiddam in libris est: aurum, argentum, gemme, purpureavestis, marmorea domus, cultus ager, picte tabule, phaleratus sonipes, ceteraqueid genus, mutam habent et superficiariam voluptatem; libri medullitus delectant,colloquuntur, consulunt et viva quadam nobis atque arguta famliaritateiunguntur. 92Dessen Rezeptionsgeschichte zu verfolgen, wäre <strong>für</strong> die Geschichte derDichtungs- und Malereitheorie wie <strong>für</strong> die europäische Kulturgeschichteinsgesamt erhellend.Rund zweitausend Jahre nach dem als um 500 v. u. Z entstanden geltendenDictum, um 1500 etwa, ist das an Sprache und Schrift ausgerichteteWertesystem in Frage gestellt worden:Malerei ist eine stumme Poesie und die Poesie ist eine blinde Malerei [...]La pittura e una poesia muta e la poesia e una pittura cieca [...] 93Der Autor dieser Variante (1) ist Leonardo da Vinci. 94 In dem imPlutarch’schen Zitat der Dichtung zugeordneten Prädikatsnomen hat er dasAttribut sprechend durch das Attribut blind ersetzt. 95 Ebenso könnte die dasDictum auszeichnende Asymmetrie dadurch aufgehoben werden, daß an dieStelle des Attributs stumm/°lautlos in dem der Malerei zugeordneten92939495Petrarca, familiarium rerum III. 18.3, zitiert nach: ders., Le familiari, hg. von VittorioRossi, Firenze 1933, Bd. 1, S. 138-142, hier S. 139.Lionardo da Vinci, Das Buch von der Malerei, italienisch-deutsch, übers. von HeinrichLudwig, Wien 1882, Bd. 1, Nr. 21, S. 36-37; in der Ausgabe von Jean Paul und IrmaRichter (The Literary Works of Leonardo da Vinci, London/New York/Toronto 2 1939[ 1 1883]), Bd. 1, Nr. 25, S. 59.Zur Datierung: Carlo Pedretti, Kommentar in: The literary works of Leonardo da Vinci, hg.von Jean Paul und Irma Richter, Berkeley/ Los Angeles 1977, S. 85: zwischen 1492 und1508/10; André Chastel, „Le Paragone ou Parallèle des Arts“, in: Léonard de Vinci, Traitéde la peinture, hg. von André Chastel, Paris 1987, S. 79-85, hier S. 81: 1490/1499.Nach Giovanni Ponte, Leonardo Prosatore, Genova 1976,. S. 52 Anm. 21, würdeLeonardos Variante auf das Zitat in dem zu dieser Zeit als rhetorica nova bekanntenRhetoriklehrbuch ad C. Herennium zurückgehen, das nachweislich in Leonardos Besitzgewesen sei. Doch dort ist an erster Stelle im Dictum die Dichtung genannt − hingegenbeginnt das Plutarch’sche Zitat des Dictums wie auch Leonardos Variante (1) mit derMalerei (vgl. S. 1). Das spricht da<strong>für</strong>, daß Leonardo von letzterem ausgegangen wäre. Zurbisher kaum untersuchten Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte von PlutarchsMoralia: Robert Aulotte, Amyot et Plutarque. La Tradition des Moralia au XVIe siècle.Genf 1965. Leonardo könnte das Plutarch’sche Zitat aus Textbüchern mit Auszügen ausden Schriften griechischer und lateinischer Autoren oder aus einem Florilegium bekanntgewesen sein. In der kunsthistoriographischen Literatur bis zu Farago, Leonardo da Vinci’sParagone (wie Anm. 23), S. 341 und Claudio Scarpati, Leonardo scrittore, Milano 2001,Kap.: „Pittura e scrittura. La discussione leonardesca sui linguaggi“, S. 59-112, hier S. 71,wird Leonardos Variante zwar auf das Plutarch’sche Zitat zurückgeführt, doch weder aufihren Sinn noch auf ihre Funktion im gegebenen Textzusammenhang hinterfragt.

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