8FokusEnergiewende und Unternehmen:Netzentgelte, Steuern und andereSparmaßnahmen.Machen wir uns nichts vor. Niemand zahltgern Steuern. Aber selten war die Versuchunggrößer, sich manche Steuerzahlungen undAbgaben an den Staat zu sparen. Vorausgesetzt,man hat ein Unternehmen. Dabei bestehengrundsätzlich zwei Möglichkeiten: Manversucht, sich von der EEG-Umlage befreienzu lassen. Oder man wird selbst zum Energieundsomit Eigenversorger. Beide Möglichkeitenwerden in immer größerem Maße genutzt.StrompreisentwicklungEntlastung durch den Staat:die Befreiung von der EEG-Umlage.Die Fakten sprechen für sich. Laut Bundesamtfür Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA),das für die „Besondere Ausgleichsregelung fürstromintensive Unternehmen“ (Befreiung vonder EEG-Umlage) zuständig ist, profitierten imJahr 2012 insgesamt 734 Unternehmen bzw.Unternehmensteile von der Befreiung. Die sobegünstigte Strommenge lag bei 85.402 GWh.Quelle: BDEW, EurostatEin Jahr später kommen bereits 1.691 Unternehmenbzw. Unternehmensteile in denGenuss der „Besonderen Ausgleichsregelung“.Der Wert ist nach oben offen, da nochnicht über alle Anträge entschieden wurde.Bislang liegt die begünstigte Strommenge bei94.181 GWh.(Quelle: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, www.bafa.de)Nun könnte man gerade anhand der Zahlenfür die Strommenge vermuten, dass hiertatsächlich ausschließlich energieintensiveIndustrieunternehmen begünstigt wurden,wie Stahlgießereien oder die Aluminium verarbeitendeIndustrie. Tatsächlich finden sie sichauf der Excel-Liste, die jeder auf der Internetseitedes BAFA (www.bafa.de) herunterladenkann. Aber ebenso finden sich auf der Listezum Beispiel Hersteller von Seifen und Süßwarensowie diverse Geflügelschlachtereien.An diesem Punkt zeigt sich, dass der Anspruchenergieintensive Unternehmen zu entlastenund so deren Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten,nach und nach aufweicht. Und dass immermehr Unternehmen die Möglichkeit nutzen,Abgaben zu umgehen. Der Verbraucher stehtfassungslos daneben und zahlt immer mehr,um den Abgabenrückgang auszugleichen.Eine zunehmende Anzahl von Unternehmenhingegen, die nicht von der EEG-Umlagebefreit sind, wehren sich auf ganz andere Artund Weise: Sie produzieren ihren Strom selbst.Entlastung durch sich selbst:die Eigenproduktion von Energie.Immer mehr Unternehmen nehmen die Energiewendewörtlich und kehren ihr den Rückenzu. Dass Volkswagen bis 2020 rund 600 MillionenEuro in den Ausbau erneuerbarer Energieninvestieren möchte, ist nur ein besondersgroßes Indiz dafür. Ziel ist natürlich die dezentraleEnergieversorgung der eigenen Unternehmensstandorte.Immer mehr Unternehmen,wenn auch nicht unbedingt in gleichenDimensionen, denken ähnlich.Genaueres weiß die Deutsche Industrie- undHandelskammer (DIHK). Die hat 2.300 Industrieunternehmenbefragt und herausgefunden,dass bereits 8 % von ihnen ihren Energiebedarfzum großen Teil selbst produzieren. Zusätzliche21 % investieren schon in Photovoltaik-Anlagen,WEA oder Biogasanlagen oderplanen solcherart Investitionen zurzeit.Fast könnte man von einer Flucht aus demSystem sprechen. Natürlich geht es vorrangigdarum, sich Netzentgelte, Steuern und andereAbgaben im Rahmen des EEG zu sparen. Aberwer will einem Unternehmen vorwerfen, dasses Kosten vermeidet, also ökonomisch handelt.Und das – ganz im Sinne der Energiewende –mit ökologischer Technologie. Die Folgen sinddennoch dramatisch.Denn wo immer mehr Unternehmen aus demklassischen Strommarkt aussteigen, bleibenimmer weniger Unternehmen und alle privatenHaushalte zurück, die den Kostenanteil derEigenversorger kompensieren müssen.Energiewende, Stromkonzerne und Stadtwerke:Große mit großen Problemen.Der Trend zur dezentralen Eigenversorgungwird aber auch Auswirkung auf die Bedeutungvon großen Kraftwerken haben, wie sievon Stromkonzernen oder Stadtwerken betriebenwerden. Experten prognostizieren schonheute, dass diese in den kommenden zehnJahren lediglich noch zur Stabilisierung derNetze eingesetzt werden könnten. Wirtschaftlichtragbar wären sie damit nicht mehr.Dabei sind die Probleme schon jetzt offensichtlich.Der sinkende Preis an der Strombörse,auch aufgrund des Erfolgs der Erneuerbaren,senkt die Auslastung fossiler Kraftwerke gleichmit. So sehr, dass erste Stadtwerke bereitsselbst hochmoderne Gaskraftwerke konservieren,was einer Stilllegung gleichkommt.Dass die weitere Entwicklung in diese Richtungkeinesfalls abwegig ist, zeigt auch einKommentar von Peter Terium, Chef des RWE-Konzerns: „Die Energiewende hat zum erstenMal deutlich gemacht, es geht auch ohne uns.“
Fokus 9Energiewende und Bürger:die Instrumentalisierung der Verbraucher.Die Energiewende implementiert nicht nur die Verantwortung gegenüberKlima, Umwelt und Wettbewerbsfähigkeit. Sie trägt auch einegroße soziale Verantwortung in sich. Das wird zunehmend behauptet,insbesondere von der Politik. Im Ansatz ist das natürlich auch so. Dennder Verbraucher trägt einen Großteil der Kosten und ist nicht über alleMaßen belastbar.Aber wer genau hinschaut, weiß, dass insbesondere die EEG-Umlagegar nicht der Antreiber für steigende Energiekosten ist (siehe Abb.„Strompreisentwicklung“). Das Thema macht sich allerdings gut, wennes darum geht, die eigene Lobby in einem besseren Licht dastehen zulassen. Dass die Energiewende dabei in den Augen der Verbraucherimmer diffuser daherkommt, wird billigend in Kauf genommen. Fakt ist:Die Produktion von grünem Strom ist in diesem Jahr gesunken. Und zwarbisher um ca. 1,3 Mrd. kWh bzw. 2,6 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.Das belegt eine aktuelle Studie des Internationalen WirtschaftsforumsRegenerative Energien (IWR). Trotzdem zahlt der Verbraucherhöhere Strompreise. Da stellt sich die berechtigte Frage, ob der Verbrauchertatsächlich noch den Ausbau der erneuerbaren Energien finanziertoder eher die günstigen Strompreise der Industrie subventioniert.Wen wundert da die zunehmende Zahl Bürgerproteste, wenn es umgrößere und effizientere Anlagen im Binnenland oder neue Standortein Waldgebieten geht. Aber all das und mehr brauchen wir im Windbereich,wenn die Energiewende ein Erfolg werden soll. Stattdessenentdeckt der Verbraucher immer mehr sein Protestpotenzial und dieMöglichkeiten, schnell und effizient über soziale Netzwerke Widerstand,zum Beispiel gegenüber Windprojekten, zu organisieren. Eine Entwicklung,die dann tatsächlich den weiteren Ausbau und Erfolg der erneuerbarenEnergien gefährdet.Endlich gemeinsam!Ob Restrukturierung des verramschten Emissionshandels, eine kritischereBefreiungspraxis von der EEG-Umlage oder eine kurzfristigeWeitergabe von sinkenden Kursen der Strombörse an den Verbraucher:Ansätze gibt es einige. Wo dann tatsächlich die Lösungen für eine erfolgreicheund verträgliche Energiewende liegen, können und müssen alleBeteiligten aus Politik, Industrie und Institutionen gemeinsam eruieren.Zusammenrücken heißt dabei aber auch abrücken. Weg von Lobbyismus,Stimmenfang und anderen rein subjektiven Interessen. Wir sitzennach wie vor alle in einem Boot. Und dieses Boot heißt Energiewende.Geben wir ihm gemeinsam wieder den richtigen Kurs. Denn wenn jederdas Ruder allein für sich in die Hand nimmt, drehen wir uns weiterhinalle nur im Kreis. Die Energiewende ist nicht am Ende. Wir brauchen nurwieder einen gemeinsamen Anfang.Ene rgiewe nд d …… Mhias WillнbachрLesen Sie ab Seite 14 auch das Interview zum Thema!Preisentwicklung an der StrombörseTerminmarkt Jahresfuture (1.1.2007–22.5.2013)Jahresfuture Baseload (rollierend) Jahresfuture Peakload (rollierend)Quelle: EEX