Hier & Dort | T’ADAJ T’ODOJEine bosnische <strong>Roma</strong>-Gemeinschaft im Norden von WienVisum kriege, dann mache ich einhalbes Jahr später meine Firma zu undgehe arbeiten in eine Firma für achtStunden am Tag.“Bildung:„... wollen Europäer sein“Als schwierig beschreibt Ines Kälindie Bildungssituation der <strong>Roma</strong> imWeinviertel. Viele Eltern und Großelternseien Analphabeten, und entsprechendwenig Bezug hätten siezum Schulbesuch ihrer Kinder. Auchsprächen die Frauen, die für die innerenBelange der Familien und auchfür die Kinder zuständig seien, oftwenig Deutsch, was sich nicht zuletztauf den Kontakt der Familien mit denSchulen ungünstig auswirke.Viele Kinder gehen in dieSonderschulen. Dort wiederum seivielfach die besondere Situation derKinder nicht bekannt, sodass die mangelndeFörderung von daheim und dieschwierige Lernsituation in oft aufengem Raum lebenden Familienverbändenkeine Berücksichtigung finde.Kinder würden daher als lernschwachangesehen, obwohl zumeist sozialeFaktoren für ihre Schulprobleme verantwortlichseien.Die Caritas hat darauf reagiertund im September 2011 lokal miteinem <strong>Roma</strong>-Lernhilfeprojekt gestartet.Aber das Vorhaben ist auf bislangunüberbrückbare Schwierigkeiten gestoßen.Zum einen leben die <strong>Roma</strong> imganzen Weinviertel verstreut, was eineregelmäßige Betreuung großer Gruppenvon Kindern schon einmal schwierigmacht. Zum anderen signalisiertendie Eltern zwar Interesse, brachten dieKinder aber letztlich nicht zu den vereinbartenTreffen. Also stellte man daraufum, nach dem Vorbild des Burgenlandsdie Kinder zuhause zu besuchen.Man gewann viele Ehrenamtliche,die mit großem Eifer an dieSache gingen – aber es funktioniertenicht. Kälin: „Am Anfang waren dieLeute misstrauisch, dann neugierig,dann haben sie gesagt: Kommt’s halteinmal, und dann waren sie aber nichtda, oder die Kinder waren nicht da.Und die Wohnsituation war oft nichtdienlich – der Bruder spielt Playstation,der Vater sieht fern, oder der Großvaterwill alle paar Minuten einen Teevom Mädchen. Man konnte einfach„Die meisten sind ja doppeltgeflüchtet. Sie wurdennicht nur als <strong>Roma</strong>, sondernauch als ‚Vaterlandsverräter‘stigmatisiert, dienicht mitgekämpft hätten.“„But lendar dujvar naschigele. On na tschak ojs<strong>Roma</strong>, on te ojs ‚vaterlandsverräter‘stigmatisirim ule,save na kejmpfinde.“Ines Kälin SchreiblehnerMitarbeiterin | butschaschkija le projektistar„Missing Link“ (Caritas)nicht arbeiten mit den Kindern. Daswar auch noch schwer für die Ehrenamtlichen,wenn sie gesehen haben,wie die Kinder nach Bildung verlangenund sich interessieren, und sie kriegennull Rückhalt.“Auch in Bezug auf Bildunggibt es große Unterschiede. SamirB i l d | k i p o : d R O M aRahimić erzählt von seiner Schwesterin Berlin, die sein Vater vorzeitig ausder Schule nahm, weil dort Sexualkundeunterrichtet wurde. Jetzt sei dasganz anders: „Da hat sich viel geändert,es ist nicht mehr wie früher. Diewollen Europäer sein, nicht mehr sozurückhaltend. Warum soll das Kindnicht lernen? Ich will nicht, dass meineTochter mich später beschimpft.Sie soll in die Schule gehen!“ Es gibtauch Kinder und Jugendliche, die sichin der Schule trotz der oft gegenwärtigenDiskriminierung durchsetzen,und Jugendliche, die Lehrverhältnissebeginnen oder ins Gymnasium gehen.Rahimić: „Manche Kinder lassen sichvon der Schule abbringen, manchehalt nicht, so wie ein Cousin von mir,der sagt: ‚Sie nennen mich Neger,aber ich ziehe das durch.‘“Tradition und Zukunft:„… dass wir hier beerdigt werden“Der <strong>Roma</strong>-Experte Mozes Heinschinkhat die Erstellung der Studie begleitet.Er hat dieses Sich-nicht-fassen-Lassenund den speziellen Bildungszugangschon im Vorfeld erwartet, ebensowie den starken sozialen Zusammenhaltder Gruppe. Überrascht haben ihnjedoch die Homogenität in der Spracheund in der Sprachverwendung,denn die <strong>Roma</strong> im Weinviertel sprechenuntereinander nur <strong>Roma</strong>ni, undgewisse religiöse Elemente. So ist dieSelbstbezeichnung der Gruppe auch„Muslim-<strong>Roma</strong>“, denn alle sind Moslems.Und Familienfeste werden gemäßdem Brauchtum begangen: „Ichwerde jetzt 31“, erzählt Herr Rahimić,„bin seit 14 Jahren verheiratet. MeineFrau war 17, ich war 16. Wir haben inBerlin geheiratet. Da waren mehr als400 Leute, alle beiden Familien. Beider Taufe meiner Tochter habe ich nurdie Leute aus Österreich eingeladen,fast niemanden aus Deutschland undso. Das waren nur 180 Leute.“Wie wird es weitergehen? DieCaritas versucht über Lerncafés, unter| 14 | dROMa <strong>33</strong>, <strong>Frühling</strong> | <strong>Terno</strong> <strong>linaj</strong> <strong>2012</strong>
Bilder vieler Leben THEMA BOSNIEN | TEMA BOSNIJAB i l d e r | k i p i : M A R I A S C H N A B LSakib Zahirović (Prnjavor)Der Kalderaš-Rom Sakib Zahirović wurde 1949 geboren. Er ist einerder letzten Schmiede in Prnjavor und Umgebung, vor allem aber derletzte Rom, der dieses alte Handwerk noch praktiziert. „Wenn ichFeuer mache und mit dem Blasebalg anfache, wenn ich den Duft derKohle spüre, dann fühle ich mich, als hätte ich Flügel bekommen.Wenn ich dazu noch ein Eisen in die Hand nehme und dann mit vollerKraft darauf einhämmere, dann erscheint es mir, dass die ganze Weltauf meinem Amboss ist.“O Kalderaš Sakib Zahirović 1949 upro them alo. Ov o lejctikovatschi ando foro Prnjavor taj ando paschipe hi, ham ov o lejcti Romhi, savo aja buti meg kerel. „Te me jag kertschom taj le phudipeskeregonoha ande phudijom, te o sung le angarendar esbe lijom, akor afkahi, sar te phaka uschtidijomahi. Taj te akor meg jek srasta ando va lavtaj la cila soraha upro srasta le sviriha tschalavav, akor angle mangeal, hot o cilo them upre mro ambos paschlol.“Dejan Mašić (Prijedor)Dejan stammt ursprünglich aus Paraćin (Serbien), aber er verbrachte denGroßteil seines Lebens in Prijedor. Er ist ein vielseitiger und kreativerGeschäftsmann. Er sammelt und verkauft Alteisen und Plastik. Es gibtgenug Arbeit, weshalb er auch andere <strong>Roma</strong> aus der Umgebung beschäftigt.„Ich bin auf der Straße aufgewachsen, da lernt man viele Fertigkeiten undTechniken, die bei der Überwindung von Alltagsproblemen helfen können.Alles, was ich heute weiß und besitze, ist die Frucht dieser Lebensschule.“O Dejan andar o foro Paraćin (Serbija) al, ham ov jek baro falatopre dschivipestar ando foro Prijedor dschivlahi. Ov but riktschakerotaj krejativi botaschi hi. Ov srasta taj plastik khetan kedel taj biknel le.Dosta buti del taj vaschoda te avre <strong>Roma</strong> andar o paschipe use leste butikeren. „Me upro poschtito upre bartschijom, odoj but koji siklojs, saveuso prikdschivipe le sakodiveseskere problemendar taj pharipendar tukeschaj pomoschinen. Sa, so adi dschanav taj sa so man hi, o koji adaladschivipeskera ischkolatar hi.“anderem in Mistelbach, eine verbindlicheFörderungsstruktur für die Kinderaufzubauen. Kälin: „Ob’s funktioniert,weiß ich noch nicht. Wir werdenauch nach Eibesthal fahren, die Kinderholen und zurückbringen.“Samir Rahimić sagt auf dieFrage nach seinen Plänen: „Wenn ichdableiben darf, bleibe ich. Wenn ichaussuchen müsste, ob Deutschlandoder Österreich, wähle ich Österreich.Das Wichtigste ist, dass meine Tochterin Kindergarten und Schule gehendarf. Ich wünsch mir, dass wir hierbleiben können und in Österreich beerdigtwerden.“Michael Wogg■Ando Weinviertel jek Romengerokhetanipe andar o bosnitiko tiknoforo Bijeljina taj andar leskeropaschipe dschil, savo vuske khetanphandlo hi, o kontakto le avrencaham afka na kamna„O usegejipe use lende igen pharohi“, phenel i Ines Kälin Schreiblehner.I butschaschkija la CaritastarKorneuburg pre agune kolegiha HerwigSchinnerl 2010 i schtudija „UsarBijeljina ande Eibesthal“ ar dija tajerschtivar ando pradipe antscha, hotando telutno austrijakero Weinvierteljek bareder grupn le Gurbet-Romendardschil.„Meg mindig pharo hi mange.Me but dschenen prindscharav, butencaporoti tschav taj berotinipe himan, taj man jek kipo odola grupnatarhi, ham me meg mindig na dschanav,so amen lenge schaj das, so aunte lel dschanen.“ Te o patschajipe jekkoja khelel: „Te jeke pal jek dschenoleskera familijatar phutschlal, akorschaj ol, hot ada te schunel uschtides:‚Ko? Odole na prindscharav.‘ Taj trindi paloda oda dscheno mejdinel pe,pal savo phutschlo ulo. Tschak afka.“Adala esbe liptscha andar o direktiberotinipe sikan, hot adaj andonord Betschistar ando lejcti 30, 40berscha jek khetanipe Romendar upre| 15 | dROMa <strong>33</strong>, <strong>Frühling</strong> | <strong>Terno</strong> <strong>linaj</strong> <strong>2012</strong>