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Lernen mit aLLen sinnen - Stiftung Mercator Schweiz

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SchWeRPunkT ⁄ FRühkiNdliChE BilduNg<br />

auSfluG in die welt der<br />

GeSchichten<br />

Sie LeSen gemeinSam kindeRBücheR, BaSTeLn, Singen, SPieLen und Reimen:<br />

im PROjekT ‹Schenk miR eine geSchichTe – famiLy LiTeRacy› TReffen<br />

Sich famiLien miT migRaTiOnShinTeRgRund RegeLmäSSig zu gemeinSamen<br />

geSchichTSSTunden in ihReR famiLienSPRache. miT dieSen LeSeanimaTiOnen<br />

möchTe daS SchWeizeRiSche inSTiTuT füR kindeR- und jugendmedien zuR<br />

chancengeRechTigkeiT Beim SchuLeRfOLg BeiTRagen.<br />

Vorsichtig lugt ein kleines Mädchen<br />

durch den Türspalt. «Hallo! Hallo!», lacht<br />

Hidajete Islamaj und unterbricht für<br />

einen Moment ihre Erzählung. Geschwind<br />

steht sie auf und begrüsst das Kind und<br />

ihre Mutter. Küsschen rechts, Küsschen<br />

links. Ein Lächeln. Das Mädchen strahlt<br />

<strong>mit</strong> grossen Augen und kuschelt sich<br />

schnell neben die Leseanimatorin auf den<br />

weichen Sitzsack am Boden. Weiter geht<br />

die Geschichtsstunde.<br />

aLLeS auf aLBaniSch ⁄ Neun Kinder und<br />

ihre sieben Mütter haben es sich auf<br />

knallroten Hockern bequem gemacht.<br />

Im Halbkreis sitzen sie um Hidajete<br />

Islamaj herum und lauschen, wie sie <strong>mit</strong><br />

fröhlicher Stimme aus einem Kinderbuch<br />

vorliest. Es geht um ein Mädchen. Und<br />

um einen Esel. Ein älterer Mann <strong>mit</strong><br />

Gipsbein kommt auch in der Geschichte<br />

vor. Doch viel mehr versteht an die-<br />

sem Freitagnach<strong>mit</strong>tag nicht, wer kein<br />

Albanisch kann. Denn in der 90-minütigen<br />

Leseanimation im Rahmen des<br />

Projekts ‹Schenk mir eine Geschichte –<br />

Family Literacy› wird ausschliess-<br />

lich die Familiensprache der Teilnehmer<br />

gesprochen. Albanisch.<br />

Immer wieder sucht Hidajete Islamaj<br />

den Kontakt zu den Kindern. Sie zeigt<br />

ihnen die Bilder im Buch. Stellt Fragen.<br />

«I-Ah», quietscht auf einmal ein Junge.<br />

Das war wohl die Antwort auf die Frage,<br />

«wie der Esel macht». Der Junge grinst.<br />

Die Leseanimatorin lacht. Die Mutter<br />

schmunzelt. Die Atmosphäre in der<br />

Runde ist vertraut, der Umgang <strong>mit</strong>einander<br />

herzlich. Das ist Hidajete Islamaj<br />

wichtig. Anmelden muss sich niemand für<br />

das kostenlose Angebot des <strong>Schweiz</strong>e-<br />

rischen Instituts für Kinder- und Jugend-<br />

medien (SIKJM). Und doch kommen die<br />

meisten Familien regelmässig in die<br />

Leseanimation in Rüti (ZH), um gemeinsam<br />

<strong>mit</strong> ihren Kindern die Welt der<br />

Geschichten, der Sprache und der Schrift<br />

zu erleben.<br />

STäRkung deR eLTeRn ⁄ Vielen Kindern<br />

aus Migrationsfamilien fehlen diese so<br />

genannten ‹Literacy-Erfahrungen›. Da-<br />

bei sind sie sehr wichtig für ihren<br />

Leselernprozess – und da<strong>mit</strong> für ihren<br />

späteren Schulerfolg. Um die Chan-<br />

cengerechtigkeit in der Bildung zu för-<br />

dern, richtet sich das Projekt ‹Schenk<br />

mir eine Geschichte – Family Literacy›<br />

konkret an Familien <strong>mit</strong> Migrationshintergrund.<br />

In einem vertrauten Umfeld<br />

erfahren die Eltern, wie sie die Sprachentwicklung<br />

ihrer Kinder fördern können.<br />

Sie werden motiviert, ihnen auch zuhause<br />

Geschichten zu erzählen. Die Leseani-<br />

mationen ermutigen sie, weitere frükindliche<br />

Angebote wie Spielgruppen zu<br />

besuchen. Und die Kinder? Die machen<br />

in den Geschichtsstunden wertvolle<br />

Erfahrungen in ihrer Familiensprache.<br />

Doch vor allem haben sie viel Spass!<br />

Dass das Projekt den richtigen Weg zur<br />

Förderung der Chancengerechtigkeit<br />

geht, bestätigte den Organisatoren eine<br />

Evaluation der Pädagogischen Hochschule<br />

Zürich: Die Grundidee des Pro-<br />

jekts, der niederschwellige Ansatz, die<br />

Zusammenarbeit <strong>mit</strong> motivierten,<br />

gut vernetzten interkulturellen Ver<strong>mit</strong>tlerinnen<br />

als Leseanimatorinnen und<br />

der Fokus auf die Familiensprache über-<br />

zeugen die Wissenschaftler. Heute sei<br />

klar, dass gute Sprachfähigkeiten in der<br />

Erstsprache eng <strong>mit</strong> Deutschfähigkeiten<br />

und Schulerfolg zusammenhängen,<br />

heisst es im Evaluationsbericht. Deshalb<br />

sei es wichtig, Kindern im Vorschul-<br />

alter positive Lern- und Gemeinschaftserlebnisse<br />

in ihrer Familiensprache zu<br />

ermöglichen.<br />

Rüti ist eine von 27 Gemeinden, in<br />

denen SIKJM die Leseanimationen<br />

anbietet – und dies zurzeit auf Albanisch,<br />

Portugiesisch, Serbisch, Kroatisch,<br />

Spanisch, Tamil und Türkisch. Nun soll<br />

‹Schenk mir eine Geschichte – Family<br />

Literacy› an weiteren Standorten<br />

eingeführt werden, um sich zu einem<br />

schweizweiten Projekt zu entwickeln.<br />

Die <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong> stellt dafür<br />

in den Jahren 2012 bis 2014 insgesamt<br />

296 297.– Franken zur Verfügung. Geplant<br />

ist auch eine Begleitforschung, die unter-<br />

suchen soll, wie Elternbildung nachhal-<br />

tig gestaltet werden kann: Was brauchen<br />

Eltern, da<strong>mit</strong> sie die Sprachförderung<br />

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