7-9/2011 - Leporello
7-9/2011 - Leporello
7-9/2011 - Leporello
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Zauberer des Flageoletts<br />
Der „Kissinger Sommer“ begann mit „charming boy“ David Garrett an der Geige<br />
Der diesjährige Kissinger Sommers<br />
hatte seinen „Hype“ mit<br />
dem Auftritt von David Garrett in<br />
Beethovens Violinkonzert. Schon<br />
als der 28jährige StarGeiger in<br />
Jeans, die blonden Haare nur lässig<br />
nach hinten gebunden, das<br />
Podium betrat, waren begeisterte<br />
Rufe zu hören im völlig ausverkauften<br />
MaxLittmannSaal: Handys<br />
wurden gezückt, Fotos blitzten,<br />
PartyKleidung war bei vielen<br />
angesagt. Die Wiener Symphoniker<br />
unter dem russischen Dirigenten<br />
Andrey Boreyko erwiesen<br />
sich als gleichwertiger, wenn nicht<br />
führender Partner. Garrett lächelte<br />
immer wieder seinen Musikerkollegen<br />
zu, nickte im Takt, wenn<br />
er nicht gerade damit beschäftigt<br />
war, sich Haarsträhnen hinters<br />
Ohr zu streichen ganz charming<br />
boy.<br />
Er ist ein Zauberer des Flageoletts,<br />
der hohen und höchsten,<br />
silbrig schimmernden Töne, beherrscht<br />
alle technischen Feinheiten<br />
locker, die flinken Bogen<br />
Kunststückchen, und bindet alles<br />
in fließenden Schwung ohne<br />
Übertreibungen, fügte in die ausgedehnten<br />
Melodiebögen auch<br />
eigene Verzierungen ein, wobei<br />
die Intonation bei virtuosen Stellen<br />
etwas nachlässig behandelt<br />
wurde, unterstützte die Spannung<br />
auch mal mit Aufstampfen. Da<br />
jubelte der Saal, und es gab zwei<br />
Zugaben. Danach hatte es Beethovens<br />
„Eroica“ etwas schwer,<br />
das Publikum mitzureißen. Dennoch<br />
gefiel die seidig glänzende<br />
Klanggestaltung der „Wiener“.<br />
Der zweite Abend mit diesem<br />
Orchester war dagegen musikalisch<br />
ein echter Gewinn durch<br />
den Solisten Fazil Say. Der türkische<br />
Pianist verlegte sich in Beethovens<br />
3. Klavierkonzert ganz<br />
auf die unglaubliche Farbenvielfalt<br />
seines Anschlags. Seine schillernden<br />
Läufe und blitzenden<br />
Trillerketten, sein Licht erfülltes<br />
Piano, seine übermütigen Tupfer,<br />
sein mitreißender Zugriff, mit<br />
dem er das Orchester immer wieder<br />
anfeuerte, bescherten stets<br />
neue Entdeckungen.<br />
Die 2. Sinfonie Rachmaninoffs,<br />
ein mächtiger „Brocken“, stellte<br />
die Klangmöglichkeiten der<br />
„Wiener“ unter dem smarten<br />
norwegischen Dirigenten Eivind<br />
Gulberg Jensen eindrücklich unter<br />
Beweis. Der russische Pianist<br />
Boris Beresovsky konnte jedoch<br />
in Beethovens 1. Klavierkonzert<br />
zusammen mit dem Franz Liszt<br />
Kammerorchester Budapest nicht<br />
ganz so überzeugen, als er vom<br />
Blatt, in frontaler Position zum<br />
Saal und ohne Deckel auf dem<br />
Flügel spielte; vieles wirkte undifferenziert,<br />
nur auf Wohlklang<br />
bedacht.<br />
Ungetrübter Genuss war dagegen<br />
Haydns Trompetenkonzert<br />
mit dem Solisten Gábor Boldoczki.<br />
Da das Festival heuer als<br />
Schwerpunkt Ungarn hat, wurde<br />
es mit dem Budapest Festival<br />
Orchestra unter Iván Fischer eröffnet.<br />
Er ließ Wagners Siegfried<br />
Idyll ganz in sich gekehrt musizieren<br />
und entwickelte bei Tschaikowskys<br />
5. Sinfonie ungeheure<br />
Spannung. Im Zusammenspiel<br />
mit dem eher schlicht, aber fein<br />
gestaltenden Pianisten Leif Ove<br />
Andsness bei Mozarts cmollKlavierkonzert<br />
KV 491 zeigte sich das<br />
Orchester als der Stärkere.<br />
Ganz anders dagegen der neue<br />
Tastenstar aus Frankreich, David<br />
Fray: Seine Gestaltung von Mozarts<br />
dmollKlavierkonzert KV<br />
466 begeisterte durch Klarheit,<br />
wunderbare Abstufungen und<br />
selbstverständliche Brillanz. Sein<br />
ebenbürtiger „Partner“, die Tschechische<br />
Philharmonie war in ihrem<br />
Element bei der „Moldau“<br />
und machte drei Tongedichte<br />
Liszts zu einem mitreißenden<br />
Erlebnis dank des Dirigenten<br />
Lawrence Foster. Die Filarmonica<br />
della Scala aus Mailand unter<br />
Semyon Bychkov brachte mit<br />
Mahlers umfangreicher, gewaltiger<br />
6. Sinfonie den Saal ob der<br />
packenden Leistung zum Toben;<br />
da hatte es die äußerst sensible<br />
Wiedergabe von Mendelssohn<br />
Batholdys Violinkonzert durch<br />
den russischen Geiger Mikhail<br />
Ovrutsky schwerer; aber äußerer<br />
Effekt besagt nichts über Qualität.<br />
Davon ist noch viel zu hören bei<br />
den kommenden Konzerten, etwa<br />
mit Frank Peter Zimmermann,<br />
András Schiff, JeanYves Thibaudet,<br />
Grigory Sokolov, Hèlène Grimaud,<br />
Jewgenij Kissin, Angelika<br />
Kirchschlager und internationalen<br />
Spitzenorchestern.<br />
Renate Freyeisen<br />
Fotos: MArco borGGreve, uli Weber<br />
musik<br />
Festival<br />
David Garrett (links) versetzte<br />
die Massen in Wallung - der<br />
Kult-Geiger brillierte mit<br />
Beet hovens Violinkonzert.<br />
Der türkische Pianist Fazil<br />
Say (rechts) verzauberte in<br />
Beethovens 3. Klavierkonzert<br />
beim Kissinger Sommer mit<br />
seinem Anschlag.<br />
<strong>Leporello</strong> l 21