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7-9/2011 - Leporello

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Zauberer des Flageoletts<br />

Der „Kissinger Sommer“ begann mit „charming boy“ David Garrett an der Geige<br />

Der diesjährige Kissinger Sommers<br />

hatte seinen „Hype“ mit<br />

dem Auftritt von David Garrett in<br />

Beethovens Violinkonzert. Schon<br />

als der 28jährige Star­Geiger in<br />

Jeans, die blonden Haare nur lässig<br />

nach hinten gebunden, das<br />

Podium betrat, waren begeisterte<br />

Rufe zu hören im völlig ausverkauften<br />

Max­Littmann­Saal: Handys<br />

wurden gezückt, Fotos blitzten,<br />

Party­Kleidung war bei vielen<br />

angesagt. Die Wiener Symphoniker<br />

unter dem russischen Dirigenten<br />

Andrey Boreyko erwiesen<br />

sich als gleichwertiger, wenn nicht<br />

führender Partner. Garrett lächelte<br />

immer wieder seinen Musikerkollegen<br />

zu, nickte im Takt, wenn<br />

er nicht gerade damit beschäftigt<br />

war, sich Haarsträhnen hinters<br />

Ohr zu streichen ­ ganz charming<br />

boy.<br />

Er ist ein Zauberer des Flageoletts,<br />

der hohen und höchsten,<br />

silbrig schimmernden Töne, beherrscht<br />

alle technischen Feinheiten<br />

locker, die flinken Bogen­<br />

Kunststückchen, und bindet alles<br />

in fließenden Schwung ohne<br />

Übertreibungen, fügte in die ausgedehnten<br />

Melodiebögen auch<br />

eigene Verzierungen ein, wobei<br />

die Intonation bei virtuosen Stellen<br />

etwas nachlässig behandelt<br />

wurde, unterstützte die Spannung<br />

auch mal mit Aufstampfen. Da<br />

jubelte der Saal, und es gab zwei<br />

Zugaben. Danach hatte es Beethovens<br />

„Eroica“ etwas schwer,<br />

das Publikum mitzureißen. Dennoch<br />

gefiel die seidig glänzende<br />

Klanggestaltung der „Wiener“.<br />

Der zweite Abend mit diesem<br />

Orchester war dagegen musikalisch<br />

ein echter Gewinn durch<br />

den Solisten Fazil Say. Der türkische<br />

Pianist verlegte sich in Beethovens<br />

3. Klavierkonzert ganz<br />

auf die unglaubliche Farbenvielfalt<br />

seines Anschlags. Seine schillernden<br />

Läufe und blitzenden<br />

Trillerketten, sein Licht erfülltes<br />

Piano, seine übermütigen Tupfer,<br />

sein mitreißender Zugriff, mit<br />

dem er das Orchester immer wieder<br />

anfeuerte, bescherten stets<br />

neue Entdeckungen.<br />

Die 2. Sinfonie Rachmaninoffs,<br />

ein mächtiger „Brocken“, stellte<br />

die Klangmöglichkeiten der<br />

„Wiener“ unter dem smarten<br />

norwegischen Dirigenten Eivind<br />

Gulberg Jensen eindrücklich unter<br />

Beweis. Der russische Pianist<br />

Boris Beresovsky konnte jedoch<br />

in Beethovens 1. Klavierkonzert<br />

zusammen mit dem Franz Liszt<br />

Kammerorchester Budapest nicht<br />

ganz so überzeugen, als er vom<br />

Blatt, in frontaler Position zum<br />

Saal und ohne Deckel auf dem<br />

Flügel spielte; vieles wirkte undifferenziert,<br />

nur auf Wohlklang<br />

bedacht.<br />

Ungetrübter Genuss war dagegen<br />

Haydns Trompetenkonzert<br />

mit dem Solisten Gábor Boldoczki.<br />

Da das Festival heuer als<br />

Schwerpunkt Ungarn hat, wurde<br />

es mit dem Budapest Festival<br />

Orchestra unter Iván Fischer eröffnet.<br />

Er ließ Wagners Siegfried­<br />

Idyll ganz in sich gekehrt musizieren<br />

und entwickelte bei Tschaikowskys<br />

5. Sinfonie ungeheure<br />

Spannung. Im Zusammenspiel<br />

mit dem eher schlicht, aber fein<br />

gestaltenden Pianisten Leif Ove<br />

Andsness bei Mozarts c­moll­Klavierkonzert<br />

KV 491 zeigte sich das<br />

Orchester als der Stärkere.<br />

Ganz anders dagegen der neue<br />

Tastenstar aus Frankreich, David<br />

Fray: Seine Gestaltung von Mozarts<br />

d­moll­Klavierkonzert KV<br />

466 begeisterte durch Klarheit,<br />

wunderbare Abstufungen und<br />

selbstverständliche Brillanz. Sein<br />

ebenbürtiger „Partner“, die Tschechische<br />

Philharmonie war in ihrem<br />

Element bei der „Moldau“<br />

und machte drei Tongedichte<br />

Liszts zu einem mitreißenden<br />

Erlebnis dank des Dirigenten<br />

Lawrence Foster. Die Filarmonica<br />

della Scala aus Mailand unter<br />

Semyon Bychkov brachte mit<br />

Mahlers umfangreicher, gewaltiger<br />

6. Sinfonie den Saal ob der<br />

packenden Leistung zum Toben;<br />

da hatte es die äußerst sensible<br />

Wiedergabe von Mendelssohn­<br />

Batholdys Violinkonzert durch<br />

den russischen Geiger Mikhail<br />

Ovrutsky schwerer; aber äußerer<br />

Effekt besagt nichts über Qualität.<br />

Davon ist noch viel zu hören bei<br />

den kommenden Konzerten, etwa<br />

mit Frank Peter Zimmermann,<br />

András Schiff, Jean­Yves Thibaudet,<br />

Grigory Sokolov, Hèlène Grimaud,<br />

Jewgenij Kissin, Angelika<br />

Kirchschlager und internationalen<br />

Spitzenorchestern.<br />

Renate Freyeisen<br />

Fotos: MArco borGGreve, uli Weber<br />

musik<br />

Festival<br />

David Garrett (links) versetzte<br />

die Massen in Wallung - der<br />

Kult-Geiger brillierte mit<br />

Beet hovens Violinkonzert.<br />

Der türkische Pianist Fazil<br />

Say (rechts) verzauberte in<br />

Beethovens 3. Klavierkonzert<br />

beim Kissinger Sommer mit<br />

seinem Anschlag.<br />

<strong>Leporello</strong> l 21

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