Erzieherinnen- gesundheit - Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung
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Kapitel 4: Handlungsfelder<br />
4.4 Psychische Belastungen<br />
Marleen Thinschmidt, Marcus Stück<br />
4.4.1 Vorbemerkungen<br />
Aufgrund der organisatorischen und technischen<br />
Veränderungen in der Arbeitswelt ist<br />
es zu einer Verschiebung der Arbeitsbelastungen<br />
weg von den körperlichen hin zu den<br />
psychischen gekommen. Psychische Fehlbelastungen<br />
stellen in der Europäischen Union<br />
derzeit das zweitgrößte berufsbedingte Gesundheitsproblem<br />
dar (Schambortski 2008).<br />
28 % der Beschäftigten in der Europäischen<br />
Union (EU) sind der Meinung, dass arbeitsbedingter<br />
Stress ihrer Gesundheit schaden<br />
kann (Scheuch 2008). Arbeitsbedingter Stress<br />
soll mehr als ein Viertel der Ausfallzeiten von<br />
mindestens zwei Wochen Dauer verursachen.<br />
Die Kosten dafür werden auf ca. 20 Mrd. Euro<br />
geschätzt. Als Grund dafür werden die Veränderung<br />
der Arbeitstätigkeiten und Stress angesehen.<br />
Arbeit ist in der heutigen Zeit sehr<br />
anspruchsvoll und variabel und erfordert neben<br />
einer hohen Einsatzbereitschaft und Flexibilität<br />
auch Verantwortung und ständiges Lernen<br />
vom Tätigen. Auf der anderen Seite geben<br />
jedoch auch 88 % der Frauen und 81 % der<br />
Männer an, dass sie ihre Arbeit fi t hält.<br />
Das Thema psychische Belastungen und deren<br />
Folgen spielt für viele Unternehmen eine<br />
zunehmend wichtigere Rolle, auch im Arbeitsschutz.<br />
Dabei steht die Frage im Raum, ob es<br />
dabei dem einzelnen Unternehmer freigestellt<br />
ist, sich mit psychischen Belastungen am<br />
Arbeits- und Ausbildungsplatz auseinanderzusetzen<br />
oder ob dazu eine gesetzliche Verpfl<br />
ichtung besteht.<br />
Was sind eigentlich psychische Belastungen?<br />
Wann spricht man von Beanspruchung?<br />
Was ist eigentlich problematischer<br />
– die psychische Belastung oder die Beanspruchung?<br />
Die EN ISO 10075 Teil 1 defi niert für einen einheitlichen<br />
Gebrauch die Begriffe der psychischen<br />
Belastung, Beanspruchung und deren<br />
Folgen (Infobox 4.10). Fest steht, dass jede<br />
Tätigkeit mit psychischen Belastungen einhergeht<br />
– das ist normal und notwendiger<br />
Bestandteil der Arbeit! Der Begriff der psychischen<br />
Belastung wird im wissenschaftlichen<br />
Sinne - entgegen der häufi g negativen Bedeutung<br />
in der Umgangssprache - als wertneutral<br />
verstanden. Psychische Belastungen wirken<br />
auf alle Mitarbeiter gleichermaßen, wenn sie<br />
sich diesen aussetzen.<br />
16<br />
Infobox 4.10<br />
EN ISO 10075 Teil 1 - Defi nitionen<br />
Unter psychischer Belastung wird „die Gesamtheit aller<br />
erfassbaren Einfl üsse, die von außen auf den Menschen<br />
zukommen und psychisch auf ihn einwirken“<br />
verstanden.<br />
Von psychischer Beanspruchung wird als „die unmittelbare<br />
(nicht langfristige) Auswirkung der psychischen<br />
Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen<br />
jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen,<br />
einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien“<br />
gesprochen.<br />
Es handelt sich dabei nicht um isolierte Einzelbelastungen,<br />
sondern um eine Vielzahl von<br />
gleichzeitig auf eine beschäftigte Person einwirkende<br />
Belastungen unterschiedlichster Art.<br />
Aus objektiv gleichen Belastungen können<br />
verschiedene Beanspruchungen resultieren.<br />
Dabei wird zwischen positiven und negativen<br />
Beanspruchungsfolgen unterschieden. Ob die<br />
Beanspruchung positiv oder negativ ist, hängt<br />
entscheidend von der jeweiligen Qualifi kation<br />
und den persönlichen Bewertungs- und Bewältigungsstilen<br />
ab, die durch Fähigkeiten, Gesundheit,<br />
Erfahrungen und Motivation der jeweiligen<br />
Person bedingt sind (Schröder 1996).<br />
Positive Beanspruchungsfolgen sind die<br />
Erhöhung der Anpassungsfähigkeit im Sinne<br />
einer verbesserten Handlungskompetenz<br />
und psychoemotionalen Stabilität, sowie die<br />
Weiterentwicklung der Persönlichkeit des entsprechenden<br />
Individuums. Negative Beanspruchungsfolgen<br />
resultieren aus einer unangemessenen<br />
Bewältigung von Anforderungen<br />
bzw. Belastungen des inneren und äußeren Milieus.<br />
Es wird dabei zwischen folgenden kurzfristigen/akuten<br />
Beanspruchungsfolgen unterschieden:<br />
� Ermüdung (durch Überforderung),<br />
� Monotonie (durch Unterforderung),<br />
� Psychische Sättigung (durch Frustration)<br />
und<br />
� Stress (durch Bedrohung, Diskrepanz<br />
Individuum-Umwelt).<br />
Wenn durch die tätigen Personen selbst keine<br />
Bewältigung stattfi ndet, werden aus akuten<br />
Beanspruchungsfolgen chronische Beanspruchungsfolgen,<br />
nämlich:<br />
� chronischer Stress mit begleitender<br />
Hypersensibilität,<br />
� daraus resultierende Erschöpfungszustände<br />
sowie<br />
� psychische und körperliche Beschwerden.