Die Neue Hochschule - Hlb
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22 WISSENSWERTES<br />
Welche Maßnahmen <strong>Hochschule</strong>n im<br />
Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten<br />
ergreifen dürfen, ist angesichts<br />
des besonderen Freiheitsbereichs<br />
des Forschers aus Art. 5 III 1 GG eine<br />
spannende Frage. In welcher Weise dürfen<br />
Hochschullehrer in den besonderen<br />
Gremien die Arbeit ihrer Kollegen überprüfen<br />
und bewerten?<br />
Definition der Forschungsfreiheit<br />
Geschützt sind die auf wissenschaftlicher<br />
Eigengesetzlichkeit beruhenden<br />
Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen<br />
bei der Suche nach<br />
Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe,<br />
die Fragestellung, die Grundsätze<br />
der Methodik sowie die Bewertung<br />
der Forschungsergebnisse und ihre Verbreitung.<br />
<strong>Die</strong>s gilt auch für Mindermeinungen,<br />
Forschungsansätze, die sich<br />
als irrig oder fehlerhaft erweisen sowie<br />
unorthodoxes oder intuitives Vorgehen.<br />
Grundsatzentscheidung<br />
DNH 6 ❘ 2010<br />
Fehlverhalten in der Forschung,<br />
rechtliche Folgen<br />
Mit Grundsatzurteil vom 11.12.1996<br />
(6 C 5/95) bewertete das Bundesverwaltungsgericht<br />
die Rechtsfragen anhand<br />
eines Falls, bei dem Bedenken über verwendete<br />
Datensätze und die zutreffende,<br />
methodische Auswertung zur Arbeit<br />
eines Hochschullehrers durch eine<br />
Fakultätskommission festgestellt und<br />
mit konkreten Forderungen zu Korrekturen<br />
verbunden wurden. Der Vorwurf<br />
bewusster Datenfälschung hatte sich<br />
nicht als zutreffend erwiesen. <strong>Die</strong><br />
Datensätze waren auch nicht mehr vorhanden.<br />
Das Bundesgericht stellte fest, dass<br />
zunächst die beamtenrechtlichen Disziplinarbefugnisse<br />
einschlägig sind. Insbesondere<br />
nach der beamtenrechtlichen<br />
Generalklausel muss das Verhalten des<br />
Beamten im <strong>Die</strong>nst der Achtung und<br />
dem Vertrauen aus dem Amt gerecht<br />
werden (Wohlverhaltenspflicht). Schwe-<br />
res, schuldhaftes wissenschaftliches<br />
Fehlverhalten verstößt häufig dagegen.<br />
Auch die disziplinarrechtliche Bewertung<br />
muss freilich die Forschungsfreiheit<br />
beachten und sich entsprechend<br />
zurückhalten.<br />
Der Schutzbereich des Wissenschaftlers<br />
ist dann verlassen, wenn seine Tätigkeit<br />
durch das Fehlgehen nicht mehr als<br />
wissenschaftlich erscheint. <strong>Die</strong>se Grenze<br />
überschreitet das Werk und die darauf<br />
gerichtete Tätigkeit, wenn der Anspruch<br />
von Wissenschaftlichkeit nicht nur in<br />
Einzelheiten oder nach der Definition<br />
bestimmter Schulen, sondern systematisch<br />
verfehlt wird, so dass nach Inhalt<br />
und Form kein ernsthafter Versuch zur<br />
Ermittlung und Beschreibung von<br />
Wahrheit mehr vorliegt. Das ist insbesondere<br />
der Fall, wenn die Aktivitäten<br />
des betroffenen Hochschullehrers nicht<br />
auf Wahrheitserkenntnis gerichtet sind,<br />
sondern vorgefassten Meinungen oder<br />
Ergebnissen lediglich den Anschein wissenschaftlicher<br />
Gewinnung und Nachweislichkeit<br />
verleihen, etwa bei der<br />
bewussten Fälschung und auch Unterdrückung<br />
von Daten. Dafür steht der<br />
Schutz durch Art. 5 III 1 GG nicht zur<br />
Verfügung.<br />
Einsatz einer Hochschulkommission<br />
Über Disziplinarverfahren hinaus gebieten<br />
es der Verzicht auf staatliche Fremdkontrolle<br />
und die Wissenschaftsautonomie<br />
weiter, den zuständigen Organen<br />
der <strong>Hochschule</strong> die notwendige Kompetenz<br />
einzuräumen, solchem Fehlverhalten<br />
nachzugehen. Wenn konkrete<br />
Anhaltspunkte für wissenschaftliches<br />
Fehlverhalten bestehen und ggf. sogar<br />
verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter<br />
anderer gefährdet oder verletzt<br />
erscheinen, kann eine Hochschulkommission<br />
den Sachverhalt sowie zu empfehlende<br />
Konsequenzen prüfen.<br />
Es handelt sich dabei um strikt begrenzte<br />
Verfahren mit Ausnahmecharakter.<br />
<strong>Die</strong> Gremien sind nicht befugt, Forschungsarbeiten<br />
am Fachbereich von<br />
Amts wegen fachlich zu bewerten und<br />
wissenschaftliche Kritik zu üben. Ihr<br />
Einsatz beginnt erst mit konkreten<br />
Anhaltspunkten für gewichtige Vorwürfe,<br />
etwa dass ein Forscher verantwortungslos<br />
gegen grundlegende Prinzipien<br />
der Wissenschaftlichkeit verstoßen oder<br />
die Forschungsfreiheit missbraucht<br />
habe oder dass seinen Arbeiten der Charakter<br />
der Wissenschaftlichkeit abzusprechen<br />
sei. Sonstiger Anlass zu<br />
gewichtigen Bedenken gegen ein Wissenschaftswerk,<br />
etwa Einseitigkeiten,<br />
Schwächen und Lücken, insbesondere<br />
hinsichtlich gegenteiliger Auffassungen,<br />
trägt ein solches amtliches Vorgehen<br />
nicht.<br />
Von dem Ergebnis der Prüfung hängt es<br />
sodann ab, ob und gegebenenfalls welche<br />
Maßnahmen die vom Fachbereich<br />
eingesetzten Kommissionen treffen dürfen:<br />
Konsequenzen<br />
Ergibt sich ein Verdacht für ein <strong>Die</strong>nstvergehen<br />
des betreffenden beamteten<br />
Hochschullehrers, so ist der Disziplinarvorgesetzte<br />
darüber zu unterrichten, der<br />
dann das Weitere veranlasst. Der beamtenrechtliche<br />
Status der Hochschullehrer<br />
erlaubt jedoch nicht noch weitere<br />
Einschränkungen; in der Forschung<br />
unterliegen sie weder der Beurteilung<br />
noch der Weisung.<br />
Ist festzustellen, dass der Wissenschaftler<br />
die Rechte anderer verletzt hat<br />
(bspw. Doktoranden), so ist das Notwendige<br />
zum Schutz der Betroffenen zu<br />
veranlassen. Etwa können betroffene<br />
Schutzrechtsinhaber informiert werden.<br />
Wenn die Grenzen der Wissenschaftsfreiheit<br />
zweifelsfrei überschritten wurden,<br />
die Arbeiten nicht als ein ernsthafter<br />
Versuch zur Ermittlung von Wahrheit<br />
beurteilt werden können, somit<br />
auch nicht den Schutz des Art. 5 III 1<br />
GG genießen, so sind die zuständigen