Die Neue Hochschule - Hlb

D I S K U S S I O N U M D E N „ D I P L . - I N G . “
Eine gespenstische Diskussion geht in den Hochschulen um: Wollen
wir wirklich den Titel „Diplom-Ingenieur“ zurück? Die Aufgabe dieses
Titels ist vor allen den Kollegen schwer gefallen, die ihn selber erworben
und in der Lehre weitergegeben haben. „Der deutsche Diplom-
Ingenieur“ galt über viele Jahre als Markenzeichen für die Qualität des
deutschen Hochschulwesens. Doch „Bologna“ setzte sich durch.
Ehe wir das Rad wieder zurückdrehen,
sollten wir bedenken, welche Auswirkungen
der Bologna Prozess für die Fachhochschulen
hat.
1. Die Abschlüsse werden ohne Zusatzbezeichnung
vergeben, bei welcher Hochschulart
der Abschluss vergeben wurde.
Mit den Bologna Abschlüssen wird die
Aussage der Politik dokumentiert, das
deutsche Hochschulsystem sei nicht vertikal,
sondern horizontal gegliedert.
2. Stärken und Schwächen der verschiedenen
Hochschularten zeigen sich beim
Bachelor deutlich. Die Fachhochschulen
haben keine Schwierigkeiten mit der Berufsbefähigung,
die durch den Bachelor
testiert wird. Das achtsemestrige Studium
mit zwei Praxissemestern (von denen das
erste bei den Studierenden mit abgeschlossener
Lehre schon immer entfiel) konnte
mit nur geringen Schwierigkeiten und
ohne Qualitätsverlust durch Einbeziehung
der Semesterferien für Praxisphasen auf
sieben oder sechs Semester gekürzt werden.
3. Da der Bologna Prozess dreistufig angelegt
ist, Bachelor, Master, PHD oder Promotion,
ist die Promotionsmöglichkeit für
Absolventen einer Fachhochschule theoretisch
– wenn auch in der Praxis je nach
aufnehmender Universität mit Hindernissen
– leichter gegeben als für den Dipl.-
Ing. (FH).
Die TU9* haben den Titel für den MAS-
TER-Abschluss gefordert. Der Präsident der
TU9, Univ.-Prof. Dr. Ernst Schmachtenberg,
Rektor der RWTH Aachen, sagte am
02.08.2010 in einem Interview: „Das
heißt, jemand, der bei uns in den Ingenieurwissenschaften
erst den Bachelor und dann
den Master studiert, ist nachher genauso gut
ausgebildet wie der Diplomingenieur. Und
deshalb wollen wir ja auch – und das ist der
eigentliche Kern – diesen Absolventen den
akademischen Grad Diplomingenieur wieder
verleihen dürfen.“**
Würde dies geschehen, ergäben sich folgende
Konsequenzen:
■ Der Bachelorabschluss würde als Abbrecherzertifikat
abgewertet.
■ Die Studienzeiten würden verlängert,
weil die meisten Studierenden den
Master machen wollten.
■ Der Aufbau des gestuften Systems
würde konterkariert.
Die Fachhochschulen haben immer darauf
bestanden, dass der Bachelor Berufsbefähigung
testiert. Der Bachelor ist eine Äquivalenzbezeichnung
für den Dipl.-Ing. Der
gute Ruf des Ingenieurs ist vor allem den
Fachhochschulen zu verdanken, die 70
Prozent der Ingenieure ausbilden.
Die Rektoren und Präsidenten der Fachhochschulen
haben deshalb auf ihrer
Tagung im Oktober beschlossen, bei den
Bologna Titeln zu bleiben. Der Fachbereichstag
Verfahrenstechnik hat auf seiner
Vollversammlung am 17. September in
Berlin eine Wiedereinführung des akademischen
Grades Diplom-Ingenieur zurückgewiesen,
da die Berufsbezeichnung „Ingenieur/Ingenieurin“
durch die Ingenieurgesetze
der Länder hinreichend geregelt sei
(s. S. 30). Die Hochschule München
macht klaren Tisch: Sie ergänzt die Bachelor-Zeugnisse
um die Berufsbezeichnung
Ingenieur/Ingenieurin (s. S. 43).
Ihre Dorit Loos
* Die TU9 bezeichnen sich selbst als die führenden
Technischen Universitäten in Deutschland: RWTH
Aachen, TU Berlin, TU Braunschweig, TU Darmstadt,
TU Dresden, Leibniz Universität Hannover,
Karlsruhe Institute of Technology, TU München,
Universität Stuttgart (http://www.tu9.de/)
** http://www.dradio.de/dlf/sendungen/campus/1238856/.
LEITARTIKEL
03
DNH 6 ❘ 2010