Bw-Beachen 2011 - FöG
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Justitia Die Bundeswehr Juli <strong>2011</strong> 71<br />
Fragwürdiger Umgang mit der Waffe wird scharf geahndet<br />
Ausbilder weist Rekruten mit vorgehaltenem Gewehr zurecht – Richter<br />
verhängen Beförderungsverbot und Soldkürzung<br />
Kindern wird eingeschärft,<br />
dass sie niemals – auch<br />
nicht im Scherz – auf<br />
andere zielen sollen. Halten sie<br />
sich nicht daran, wird man sie freilich<br />
nicht vor Gericht bringen. Für<br />
Erwachsene gilt das Zielverbot<br />
genauso, sie aber müssen sich verantworten,<br />
weil sie voll mündig<br />
gegen das Gesetz verstoßen. Ein<br />
Oberfeldwebel, der eine hat das<br />
jetzt per Urteil schriftlich bekommen,<br />
muss 48 Monate lang auf<br />
Beförderung verzichten und 36<br />
Monate lang auf ein Zwanzigstel<br />
seines Soldes. Er hatte auf einem<br />
Schießstand ein Gewehr auf einen<br />
Grundwehrdienstleistenden gerichtet,<br />
weil er ihn zurechtweisen<br />
wollte.<br />
Mit der Strafe kam der Verurteilte<br />
gar noch einigermaßen<br />
glimpflich weg, weil es mildernde<br />
Umstände gab. Immerhin hat er<br />
aber nach Auffassung der Bundesverwaltungsrichter<br />
gleich vierfach<br />
gegen Pflichten verstoßen:<br />
gegen die zur Fürsorge-, die zur<br />
Kameradschaft, die zum treuen<br />
Dienen und die zum dienstlichen<br />
Wohlverhalten. Abgesehen davon,<br />
dass er sich mit seinem Verhalten<br />
generell strafbar gemacht habe,<br />
heißt es in der Begründung, habe<br />
er auch dem „inneren Gefüge der<br />
Truppe schwer geschadet“.<br />
Den Grundsatz der<br />
Inneren Führung und<br />
das Prinzip des<br />
Staatsbürgers in<br />
Uniform gefährdet<br />
Der Hintergrund: Die Richter<br />
sehen als erwiesen an, dass der<br />
mittlerweile 30 Jahre alte Soldat<br />
auf Zeit ein Gewehr G36 – nicht<br />
geladen, entspannt und gesichert<br />
– im Verlauf einer Schießübung<br />
auf einen Rekruten gerichtet hat.<br />
Der hatte zuvor sein eigenes,<br />
ebenfalls entladenes, entspanntes<br />
und gesichertes Gewehr nach der<br />
Zielkontrolle noch einmal gegen<br />
den Zielbereich angelegt, obwohl<br />
sich der Oberfeldwebel noch nicht<br />
wieder im sicheren Bereich<br />
befand und die Schießbahn noch<br />
nicht wieder zum Betrieb freigegeben<br />
war. Ganz offensichtlich<br />
ein schwerer Verstoß gegen die<br />
Regeln. Offenbar geriet der Ober-<br />
feldwebel derart in Rage über den<br />
Verstoß und darüber, dass er sich<br />
gefährdet gefühlt hatte, dass er<br />
sich eine Waffe griff, sie gegen<br />
den Rekruten richtete und ihn<br />
anschrie, ob es ihm wohl gefalle,<br />
wenn jemand mit einer Waffe auf<br />
ihn ziele, oder ob es ihm gar gefalle,<br />
selbst eine Waffe auf andere zu<br />
richten.<br />
Der so Gemaßregelte sagte<br />
später aus, dass er zwar sehr<br />
erschrocken gewesen sei. Vom<br />
Angebot des reuigen Vorgesetzten,<br />
er dürfe sich über ihn<br />
„Der Soldat hat<br />
dem inneren Gefüge<br />
der Truppe schwer<br />
geschadet“<br />
beschweren, machte er indes keinen<br />
Gebrauch. Die Sache kam<br />
dann vor Gericht. Das Strafverfahren<br />
wurde eingestellt, nachdem<br />
der Angeklagte Geld an eine<br />
gemeinnützige Einrichtung<br />
gezahlt hatte. Begründung: Der<br />
Soldat habe nicht aus niedrigen<br />
Beweggründen gehandelt, sei<br />
obendrein einsichtig und sei von<br />
einer falschen Situation ausgegangen.<br />
Es blieb aber noch das<br />
Disziplinarverfahren. Das Truppendienstgericht<br />
verhängte ein<br />
30-monatiges Beförderungsverbot<br />
und die Kürzung der Dienstbezüge<br />
um ein Zwanzigstel – 20<br />
Monate lang. Von der eigentlich in<br />
derartigen Fällen obligatorischen<br />
Degradierung sahen die Richter<br />
unter anderem deshalb, weil der<br />
Soldat zuvor nicht negativ aufgefallen<br />
und durchweg recht gut<br />
beurteilt worden war.<br />
Dagegen legte der Wehrdisziplinaranwalt<br />
Berufung ein. Er<br />
wollte den Oberfeldwebel schärfer<br />
bestrafen. Unter anderem<br />
monierte er, dass der Soldat nicht<br />
wegen des Vorwurfs verurteilt<br />
worden war, er habe auch gegen<br />
die Pflicht zum treuen Dienen verstoßen.<br />
Das Bundesverwaltungsgericht<br />
sah das genauso. Diese<br />
Pflicht umfasse auch die Loyalität<br />
gegenüber der Rechtsordnung – in<br />
diesem Fall habe der Mann die<br />
grundgesetzlich verbriefte Würde<br />
des Rekruten verletzt – und darin<br />
gegenüber den Strafgesetzen: Das<br />
Zielen auf Personen ist grundsätzlich<br />
verboten.<br />
Im Einzelnen liest sich die<br />
Begründung der mehrfachen<br />
Pflichtverletzung so: Als Vorgesetzter<br />
hat es der Oberfeldwebel<br />
an der gebotenen Fürsorge mangeln<br />
lassen, weil er die körperliche<br />
Integrität, die Ehre und die<br />
Würde seines Untergebenen missachtet<br />
habe. Weil er somit auch<br />
den dienstlichen Zusammenhalt<br />
untergraben sowie Vertrauen und<br />
Achtung verletzt habe, verstieß er<br />
auch gegen die Kameradschaftspflicht.<br />
Wörtlich heißt es: „Eine<br />
ehrverletzende Behandlung eines<br />
Untergebenen, erst recht eine die<br />
Menschenwürde missachtende<br />
Verhaltensweise, hat nichts mit<br />
der Erfüllung eines militärischen<br />
Auftrags oder eines sonstigen<br />
dienstlichen Zwecks zu tun.“<br />
Das gefährde auch den Grundsatz<br />
der Inneren Führung und das<br />
Prinzip des Staatsbürgers in Uniform.<br />
Schließlich monierten die<br />
Richter einen Verstoß gegen die<br />
Anzeige<br />
Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem<br />
Verhalten im<br />
Dienst. Die sei kein Selbstzweck,<br />
sondern der Erfüllung des Auftrags<br />
der Streitkräfte nach dem<br />
Grundgesetz und gewährleiste<br />
erst den militärischen Dienstbetrieb.<br />
Dass sie den Soldaten schwerer<br />
als die vorige Instanz bestraften,<br />
begründeten die Bundesverwaltungsrichter<br />
damit, dass sein<br />
Verstoß „außerordentlich schwer“<br />
wiege. Er habe „ein kaum noch zu<br />
überbietendes Negativbeispiel“ –<br />
obendrein im Umgang mit unerfahrenen<br />
jungen Leuten – „dafür<br />
gesetzt, wie mit Kameraden und<br />
Waffen gerade nicht umgegangen<br />
werden darf“. ■<br />
Das Material für den Bericht<br />
stammt von D<strong>Bw</strong>V-Vertragsanwalt<br />
Christian Steffgen aus Augsburg,<br />
der den Soldaten im gesamten Verfahren<br />
verteidigt hat.