Download - Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH
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„ALTBAU LIEGT UNS SEHR AM HERZEN“<br />
Familie Türke, Mieter im Poetenhof in Leipzig-Gohlis<br />
Seit gut anderthalb Jahren wohnt Familie<br />
Türke mittlerweile hier oben über den<br />
Dächern von Gohlis. Lange hatte das<br />
Ehepaar mit dem 18-jährigen Sohn nach<br />
einer idealen Dachgeschosswohnung gesucht.<br />
Dabei spielte die Frage, ob lieber Alt- oder Neubau<br />
stets eine große Rolle. Die 107-Quadratmeter-Wohnung<br />
mit den drei Räumen in der denkmalgeschützten<br />
Wohnanlage „Poetenhof“ erschien<br />
schließlich ideal.<br />
„Heutzutage ist es ja möglich, trotz Denkmalschutz<br />
<strong>und</strong> den damit verknüpften, teils strengen<br />
Bedingungen dennoch hochkomfortable<br />
Wohnbedingungen zu schaffen. Die Mitarbeiterin<br />
vom Denkmalschutz war, was den Poetenhof<br />
betrifft, während der Sanierung sehr kooperativ.<br />
Beispielsweise beim Balkonanbau oder beim<br />
Ausbau des Dachgeschosses. Der Putz ist der<br />
Originalstruktur nachempf<strong>und</strong>en, diese wurde<br />
anhand alter Fotos rekonstruiert. Den Originalton<br />
fand man durch Reinigung einer Stelle an<br />
der Wand. Und die alten Klappläden sind auch<br />
originalgetreu erneuert. Auf diese Weise bleibt<br />
das alte Bild der Anlage bestehen“, erzählt<br />
Sabine Türke, 42. Und ihr Mann Ingo, 42,<br />
ergänzt: „Wenn ich ein Stück weiter weggehe,<br />
sehe ich die Wärmedämmung oder andere Veränderungen<br />
am Haus ja letztlich gar nicht. Es<br />
handelt sich eher um einen Altbau mit einer Art<br />
Face-Lifting. Als normaler Mieter merkt man vermutlich<br />
nicht, ob es sich um ein denkmalgeschütztes<br />
Haus handelt oder nicht.“<br />
34<br />
Die Türkes aber sind eher keine normalen Mieter.<br />
Denn beide haben sie zu DDR-Zeiten in Leipzig<br />
Betriebswirtschaft der Bauindustrie studiert,<br />
hatten beruflich immer mit Wohnen <strong>und</strong> Sanierung<br />
zu tun. Und sind wahre Experten auf dem<br />
Gebiet.<br />
Dazu kommt ein subjektives ästhetisches Empfinden:<br />
„Ich finde, es wohnt sich im Altbau einfach<br />
besser. Das Flair ist doch ein ganz anderes“,<br />
meint Ingo Türke. Ein großzügiges <strong>und</strong><br />
hohes Treppenhaus beispielsweise vermittle<br />
bereits beim Betreten des Hauses ein vollkommen<br />
anderes Raumgefühl. Im Neubau hingegen<br />
werde kein Zentimeter an Fläche verschenkt.<br />
Alles sei optimiert, um höchstmögliche Erträge<br />
zu erzielen. Nebenflächen würden möglichst<br />
gering gehalten. „Hier im Poetenhof indessen<br />
haben wir beispielsweise Keller, die zum Teil so<br />
groß sind wie unsere Küchen!“, lacht Sabine<br />
Türke. Die abgeschlossenen Räume <strong>und</strong> die<br />
großzügigen Stellflächen seien ihr sehr wichtig.<br />
Eine aufwändige Sanierung wie die des Poetenhofes<br />
sei logischerweise immer Ermessenssache.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich komme es bei der heutigen<br />
Marktsituation sehr auf den Zustand des<br />
Wohnobjektes an. Und auf die Lage natürlich.<br />
„Wenn man sich zum Beispiel den <strong>Leipziger</strong><br />
Osten anguckt, die Torgauer oder die Eisenbahnstraße,<br />
da stehen so schöne Häuser mit<br />
teils Originalmalereien in den Treppenhäusern.<br />
Aber es zieht eben kaum jemand hin“, meint<br />
Sabine Türke.<br />
Familie Türke fühlt sich wohl im<br />
sanierten Altbau. Sie schätzt das<br />
„andere Raumgefühl“ gegenüber<br />
modernen Wohnbauten.<br />
FORUM DREI | NOVEMBER 2006<br />
Stefan Naether saniert<br />
seit 1994 frei stehende<br />
Häuser <strong>und</strong> komplette<br />
Wohnanlagen in Leipzig.<br />
„ICH HABE SPASS DARAN, AUS<br />
RUINEN WAS TOLLES ZU MACHEN“<br />
Stefan Naether, Makler<br />
Stefan Naether, 37, kann sich noch gut<br />
an die maroden Straßenzüge Leipzigs<br />
vor <strong>und</strong> kurz nach der Wende erinnern.<br />
Bei der Menge an verfallener Bausubstanz<br />
sei es nur schwer möglich gewesen, die<br />
Schönheit der einzelnen alten Häuser <strong>und</strong> der<br />
Stadt insgesamt noch wahrzunehmen.<br />
Seit 1994 saniert der <strong>Leipziger</strong> Makler mit fünf<br />
Mitarbeitern erfolgreich sowohl frei stehende<br />
Häuser als auch komplette Wohnanlagen. R<strong>und</strong><br />
dreih<strong>und</strong>ert Wohnungen, über ganz Leipzig verstreut,<br />
nennt er sein Eigentum. „Ich habe Spaß<br />
daran, aus Ruinen was Tolles zu machen.<br />
Danach bin ich fast süchtig.“ Auch wenn während<br />
des Sanierungsprozesses häufig der Punkt<br />
komme, wo er am liebsten aufgeben würde.<br />
„Nach der Fertigstellung schaue ich dann aber<br />
schon wieder nach dem nächsten Objekt“,<br />
erzählt Naether, selbst in einem Altbau aus dem<br />
Jahre 1878 wohnend, <strong>und</strong> lacht.<br />
Man müsse in Leipzig trennen zwischen sogenannten<br />
Gewinnerlagen wie beispielsweise dem<br />
Süden, dem Musikviertel <strong>und</strong> Plagwitz („Häuser,<br />
die unter Denkmalschutz <strong>und</strong> in einer guten<br />
Lage stehen, sind immer Gold wert“) sowie eher<br />
schwierigen Gegenden wie Volkmarsdorf oder<br />
der Neustadt. Und dann gäbe es auch Stadtteile,<br />
wo er derzeit kaum Entwicklung feststelle. Häufig<br />
wechsle das aber schon von Straßenzug zu<br />
Straßenzug.<br />
R<strong>und</strong> 15.000 Objekte stehen in Leipzig unter<br />
Denkmalschutz. Manchmal w<strong>und</strong>ere er sich<br />
zugegebenermaßen schon, was da alles dazu-<br />
ALTE STADT. NEUE STADT.<br />
gehört. Auch deshalb müsse man, wenn es um<br />
die Frage erhalten oder nicht geht, jedes Haus<br />
einzeln <strong>und</strong> kritisch betrachten. „Auf jeden Fall<br />
sollte verhindert werden, in eine geschlossene<br />
<strong>und</strong> stimmige Bebauung eine sogenannte Zahnlücke<br />
zu reißen.“ Er sei in den meisten Fällen<br />
dafür, die alten Gebäude zu konservieren. Das<br />
sei auch mit wenigen finanziellen Mitteln möglich.<br />
Leider aber wäre es dafür bei vielen Häusern<br />
zu spät.<br />
> BAUHAUS<br />
Der sogenannte R<strong>und</strong>ling im Stadtteil Lößnig ist<br />
eine der herausragenden stadtplanerischen Leistungen<br />
der Moderne in Deutschland. Der städtebaulicharchitektonisch<br />
eindrucksvolle Komplex wurde<br />
1929/30 erbaut <strong>und</strong> umfasst 624 Wohnungen,<br />
die von der LWB in den Jahren 1993 bis 1997 saniert<br />
wurden. Architekturhistoriker bezeichnen den R<strong>und</strong>ling<br />
als „Symbol für die Ideale des Neuen Bauens in<br />
der Weimarer Republik“.<br />
35<br />
STILEPOCHEN