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rudolf herz

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die symbolische Verletzung des Dargestellten befördert:<br />

Es sind signifikante, gleichwohl hilflose Gesten der hilflosen<br />

Aggression und einer Vergangenheitsbewältigung,<br />

„die die Wunden nicht heilen konnte.“ 30 Und sie führen<br />

die ambivalente Qualität des Mediums vor Augen. „Gerade<br />

die Fotografie eignet sich in besonderer Weise für<br />

diese magisch anmutende Substitution des Abbildes<br />

durch die Abgebildeten, weil sie aufgrund der mechanischen<br />

Reproduktionstechnik an jedes fotografisch erzeugte<br />

Bild die unaufhebbare Überzeugung knüpft, die<br />

im Foto dargestellten Personen seien so und nicht anders<br />

bei der Entstehung des Bildes anwesend gewesen. … Gerade<br />

die Zerstörung der Bilder und die Scheinhinrichtung<br />

der Abgebildeten bezeugen die realitätserzeugende<br />

Macht des bildlichen Scheins.“ 31 1997 werden neun dieser<br />

Fotografien in die Ausstellung „Deutschlandbilder:<br />

Kunst aus einem geteilten Land“ im Martin-Gropius-Bau<br />

Berlin aufgenommen.<br />

„<br />

das Werk von <strong>rudolf</strong> <strong>herz</strong> erscheint<br />

als erprobung der Grenzen der zumutbarkeit<br />

im ästhetischen wie im<br />

politischen raum.<br />

“<br />

Am Beispiel der Fotografie des Hitler-Vertrauten und<br />

„Reichsbildberichterstatters“ Heinrich Hoffmann hat<br />

Rudolf Herz 1994 eine differenzierte Analyse der systematisch<br />

konstruierten Bildrhetorik des Hitler-Porträts<br />

seit Anfang der 20er Jahre bis zum Ende des Zweiten<br />

Weltkriegs vorgelegt. Anhand der Motivwahl und fotografischen<br />

Perspektive zeigte er, in welcher publizistischen<br />

Rhetorik die fotografische Stilisierung Hitlers<br />

als Visionär, als kämpferischer Eroberer, geistiger Führer,<br />

als Feldherr und als Privatmann geschah. 32 Das Inszenierungspotential<br />

greift weit über das Ende der nationalsozialistischen<br />

Gewaltherrschaft hinaus und offenbart<br />

die Fortschreibung des Hitler-Bildes sowohl in der<br />

Geschichtswissenschaft als auch in der breiten Öffentlichkeit<br />

bis in die Gegenwart durch unkritische Bildwahrnehmung.<br />

Wie bedenklich noch ein halbes Jahrhundert<br />

nach Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft<br />

die Diskussion um den ikonographischen Auftritt<br />

Hitlers erscheint, belegt nicht zuletzt die Tatsache, dass<br />

die Ausstellung nach München – entgegen der vorab festgelegten<br />

Vereinbarungen – nicht in Berlin und Saarbrücken<br />

gezeigt werden durfte. 33<br />

Die Rauminstallation Zugzwang geht von einem Zufall<br />

aus. Im Sommer 1912 lässt sich der junge Marcel Duchamp<br />

anlässlich seines Aufenthalts in München vom<br />

späteren Hitlerporträtisten Hoffmann fotografieren. Im<br />

Kunstverein Essen führt Rudolf Herz 1995 die beiden<br />

Porträts in wandhohen Bildtapeten nebeneinander zu-<br />

sammen (Abb. Cover und 4). Hitler und Duchamp sind<br />

jeweils mit dem Blick auf den Betrachter gerichtet, in<br />

seriösem Anzug, gutbürgerlich gekleidet: zum einen die<br />

suggestive Präsenz des beliebtesten Staatsmanns der<br />

Deutschen im 20. Jahrhundert, der sich selbst auch als<br />

weltgestaltender Künstler verstand, zum anderen der<br />

meist diskutierte Künstler, der dem 20. Jahrhundert mit<br />

der ästhetisch-konzeptuellen Neubewertung von Kunst,<br />

Alltagswelt und Wahrnehmung seinen Stempel aufgedrückt<br />

hat. Der Begriff „Zugzwang“, dem Schachspiel<br />

entlehnt, bedeutet eine unausweichliche Situation im regelkonformen<br />

Handeln, einen Schachzug, der die eigene<br />

Position schwächt. Der Betrachter ist gefordert, sein<br />

Verhältnis zu Bild, Geschichte und Alltag, zu sich selbst<br />

zu prüfen, durch die herausfordernde wie unerträgliche<br />

Kombination eines Massenmörders mit einem Helden der<br />

Kultur des 20. Jahrhunderts – und dies in der sogenannten<br />

Alten Synagoge in Essen, in deren unteren Räumen<br />

der Kunstverein Ruhr sein Domizil hatte. 34 Seitdem wurde<br />

Zugzwang mehrfach gezeigt, u. a. 2002 in der Ausstellung<br />

„Nazi Imagery / Recent Art“ im The Jewish Museum<br />

in New York. 35<br />

d u c h a m p s z i m m e r u n d d e r<br />

A u s w e g a u s d e m K u b i s m u s<br />

Das Werk von Rudolf Herz erscheint als Erprobung der<br />

Grenzen der Zumutbarkeit im ästhetischen wie im politischen<br />

Raum. Es ist weniger Experiment als vielmehr<br />

kulturelle und kulturhistorische Recherche nach verdrängten<br />

wie verdrängenden Denkmustern im Blick auf<br />

die Gegenwart. Historische Dimensionen berücksichtigt<br />

Rudolf Herz dabei als ein psychologisch wirksames Potential,<br />

dessen Spuren gesellschaftlich akut bleiben.<br />

„Ich brauche das freie Spiel. Und die Kraft, die in der<br />

Negation steckt. Kunst kann eine Widerspruchsinstanz<br />

sein. Man darf sie nur nicht mit einer angeblich a priori<br />

– schon widerständigen Praxis verwechseln. Das war<br />

ein fundamentaler Irrtum der Kulturrevolutionäre. Mir<br />

geht es um radikale Kritik, nicht um Verschönerungsvorschläge.“<br />

36 Der Impuls zur künstlerischen Arbeit gründet<br />

in einem kritischen Verhältnis zur Realität. Als Bildhauer<br />

umkreist er die Spezifik des Ortes, als Kulturwissenschaftler<br />

den Blick auf die mediatisierte Realität, sei es<br />

durch Fotografie oder auf der Schnittstelle durch nahezu<br />

archäologisch gegründete Bestandsaufnahmen. So<br />

analysiert er in dem künstlerischen Forschungsprojekt<br />

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