FINE Das Weinmagazin - 03-2015
Fine Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema: SCHWEIZ
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Sternstunden<br />
des Syrah<br />
Dreissig Weine,<br />
sechs Jahrzehnte,<br />
vier Kontinente<br />
Von Dirk R. Notheis<br />
Fotos Christof Herdt<br />
Die Aufgabe für Harald Wohlfahrt war diesmal<br />
keine geringere, als für eine Auswahl<br />
der wohl besten Syrahs aller Zeiten aus<br />
vier Kontinenten »begleitende Speisen zu bereiten,<br />
die die Weine in den Mittelpunkt stellen und ihren<br />
Charakter unterstreichen«, wie es der Küchenkünstler<br />
in der ihm eigenen Bescheidenheit ausdrückt.<br />
Ihn, der sich bis heute konsequent aus<br />
dem Scheinwerferlicht der Fernsehstudios ferngehalten<br />
hat, zeichnet jene Demut aus, die für ganz<br />
große Küche unerlässlich ist. Er versteht sich als<br />
Diener seiner Speisen und seiner Gäste und eben<br />
nicht umgekehrt. Wer seine lackierte Taube, sein<br />
Kalbsbries mit Spargeln und seinen getrüffelten<br />
Parmesan schaum einmal probiert hat, wird dies<br />
bestätigen. Seine Perfektion, seine Kreativität und<br />
seine Bodenständigkeit sind einmalig in Deutschland<br />
und setzen Maßstäbe auch darüber hinaus.<br />
Der Probe von insgesamt einunddreißig<br />
Spitzen Syrahs aus sechs Jahrzehnten und vier<br />
Konti nenten lag das Konzept zugrunde, sowohl<br />
das Einende als auch das Trennende der faszinierend<br />
vielfältigen Sorte über An- und Ausbauphilosophien,<br />
Klimazonen und Terroirs hinweg<br />
zu dokumentieren. Hier wurde verglichen, was<br />
eigentlich nicht zu vergleichen ist, denn, so die erste<br />
zwingende Erkenntnis: »Syrah« und »Shiraz«<br />
sind zwar Synonyme, doch in ihrer geschmacklichen<br />
und texturalen Beschaffenheit sind sie sehr<br />
ver schieden. Shiraz aus Übersee kann eben nicht<br />
mit den Klassikern von der Rhône in einen Topf<br />
ge worfen werden. Die auf tiefer und bisweilen<br />
marme ladiger Frucht, höchster Konzentration,<br />
Viskosi tät und Alkoholwerten gründenden Weine<br />
aus Australien und Kalifornien bilden vielmehr eine<br />
eigenständige Kate gorie von Weltformat.<br />
Ob die Syrah-Traube genetisch eine Kreuzung<br />
der altehrwürdigen Sorten Dureza und Mondeuse<br />
Blanche oder gar ein Urenkel des Pinot Noir ist,<br />
spielte für die Verkostung keine Rolle. Es waren<br />
wohl die Griechen, die von Marseille aus gegen<br />
Norden zogen und entlang der Rhône die ersten<br />
Syrah-Reben pflanzten. Genau dort, wo bis heute<br />
die komplexesten und feinsten Weine aus der<br />
Traube gekeltert werden. Zum Siegeszug in die<br />
globale Weinwelt setzte die Rebsorte vor gut anderthalb<br />
Jahrhunderten an, und zwar primär in warme<br />
und sonnenreiche Gefilde, deren Mikroklimata der<br />
dickschaligen und mit hoher Konzentration an<br />
Farbe und Tannin ausgestatteten Traube besonders<br />
entgegenkommen. Herausragende Ergebnisse mit<br />
Shiraz werden bis zum heutigen Tag vor allem in<br />
Australien, in Nord- und Südamerika und in Südafrika<br />
erzielt. Insbesondere in den letzten drei Jahrzehnten<br />
sind die Kinder der Neuen Welt erwachsen<br />
geworden. Vor dem Hintergrund gewandelter<br />
Geschmackspräferenzen fordern sie heute ihre<br />
Ahnen von der Rhône ernsthaft heraus.<br />
Den Auftakt zur Probe bildete Europa mit<br />
einem Triumvirat der aktuell vielleicht<br />
besten Syrahs Italiens, allesamt aus der<br />
Maremma, dem südlichsten Teil der Toskana. Der<br />
Scrio von Le Macchiole präsentierte sich dabei<br />
mit saftig süßem Auftakt von roten Früchten und<br />
dichtem, schokoladigem Finish. Was die Konzentration<br />
betrifft, blieb er allerdings etwas hinter<br />
dem Syrah von Tua Rita zurück, obgleich der sich<br />
mit seinen typischen Röstaromen und Espresso-<br />
Noten und seiner likörigen Süße von Cassis und<br />
Him beeren noch in frühem Reifestadium befindet.<br />
Als Gegenstück beeindruckte der Tinata des<br />
auf strebenden, am südlichen Zipfel der Maremma<br />
gelegen Weinguts Monteverro aus Capalbio. Durch<br />
seine feine Textur und seine moderaten Toast noten<br />
bei zugleich süßer und präziser Frucht präsentierte<br />
er sich mit angenehmer Frische und Mineralität.<br />
Sein zarter Schmelz mit den seidigen Tanninen<br />
ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass<br />
in der finalen Assemblage dem Syrah 30 Prozent<br />
Grenache beigemischt wurden; damit war ein<br />
unmittelbarer Vergleich mit seinen reinsortigen<br />
Konkurrenten nur bedingt gegeben. In jedem Fall<br />
haben beide, der Tinata wie der Tua Rita Syrah,<br />
eine große Zukunft.<br />
Nach der italienischen Ouvertüre folgte<br />
eine Auswahl von fünfzehn Weinen der<br />
nörd lichen Rhône, die nicht nur zu den<br />
Größten der letzten sechs Jahrzehnte zählen, sondern<br />
auch zu den weltweit größten Syrahs überhaupt.<br />
Zunächst stand die Lage Hermitage im<br />
Fokus, jeweils mit den Spitzenprodukten der drei<br />
führenden Weingüter Jaboulet Aîné, Chave und<br />
Chapoutier mit den legendären Jahrgängen 1978,<br />
1990 und 20<strong>03</strong>. Wie sich die 78er nach fast vierzig<br />
Jahren im Glas präsentierten, war schlicht<br />
eine Sensation und ein lebender Beweis für die<br />
Lang lebigkeit großer Syrahs von der nördlichen<br />
Rhône. Paul Jaboulets Hermitage La Chapelle<br />
hatte dabei mit seiner immer noch fast jugendlichen<br />
Frische und massiven Konzentration die Nase<br />
vorn, obgleich der etwas weiter gereifte Hermitage<br />
von Chapoutier durch Finesse und Eleganz überzeugte.<br />
Schade, dass sich der Hermitage von Jean-<br />
Louis Chave aufgrund eines leichten Korkfehlers<br />
nicht in bester Verfassung befand und damit den<br />
Vergleich mit den beiden Terroir Nachbarn nicht<br />
auf nehmen konnte. In perfektem Zustand hätte er<br />
zweifelsfrei einen mindestens ebenbürtigen Herausforderer<br />
abgegeben.<br />
Nach dem 78er Flight folgte das unumstrittene<br />
Highlight der Verkostung mit Paul Jaboulets<br />
Hermitage La Chapelle von 1961. Man muss lange<br />
suchen, um auf Auktionen noch eine Flasche dieses<br />
legendären Elixiers zu finden, denn der Wein zählt<br />
zweifelsfrei zu den unwiederbringlichen Wunder<br />
Wenn Harald Wohlfahrt, Deutschlands bester Koch, und sein Alter Ego, Sommelier<br />
Stéphane Gass, gemeinsam zur Tat schreiten, verspricht dies gewöhnlich besonderen<br />
Genuss. Wenn dabei eine Reihe von Weinikonen aus aller Welt geöffnet wird, kann man<br />
getrost von einer Sternstunde sprechen. So geschehen an einem Aprilwochenende im<br />
Kleinod der deutschen Gastronomie, der Traube Tonbach in Baiersbronn. Nicht zuletzt<br />
durch die Leistung von Unter nehmer persönlich keiten wie Traube-Hotelier und Grandseigneur<br />
Heiner Finkbeiner hat sich die kleine Gemeinde im Nordschwarzwald in den<br />
letzten Jahrzehnten konsequent zum Magneten für Genießer und Feinschmecker aus<br />
ganz Europa entwickelt. Auch Weinfreunde aus aller Welt kommen bei der inter national<br />
mehrfach ausgezeichneten Weinkompetenz der Traube auf ihre Kosten.<br />
Mit Fingerspitzengefühl: Während Sommelier Stéphane Gass die kostbaren Tropfen behutsam ausschenkt, legt Sterne-Koch Harald Wohlfahrt in der Traube Tonbach letzte Hand an<br />
den ersten Gang.<br />
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<strong>FINE</strong> 3 | <strong>2015</strong> <strong>FINE</strong> Tasting